Acht Stunden Politik pur für Trier

Trier · Schulen, Verkehr, Kultur und Finanzen: Beim Wahlmarathon des Trierischen Volksfreunds haben sechs Trierer Stadtratslisten in vier Themenblöcken über ihre Konzepte diskutiert. Am Ende gab es sogar ein prozentgenaues Wahlergebnis – als Durchschnitt aller Tipps.

(jp) Samstagnachmittag, 14.06 Uhr, großer Saal der Trierer Tuchfabrik. TV-Redakteur Dieter Lintz eröffnet eine Veranstaltung, die es so in der Region noch nie gegeben hat. Statt der üblichen maximal zwei Stunden für ein TV-Forum zieht sich der Marathon über acht Stunden.

In vier Gesprächsrunden mit unterschiedlicher Besetzung diskutieren Kandidaten der Stadtratslisten mit politischen Konkurrenten und Besuchern. CDU-Spitzenkandidat und Metzgermeister Bertrand Adams verteilt parteiübergreifend Rohesser – Durchhaltevermögen ist gefragt. Im gleißenden Scheinwerferlicht auf der Bühne lassen es die Teilnehmer beim Thema Schulen erst einmal langsam angehen. Alle wollen im städtischen Haushalt Prioritäten für die Bildung setzen. Auch die erste Integrierte Gesamtschule liegt allen am Herzen – außer FDP-Kandidat Joachim Gilles, der mit dem vielen Geld lieber die Nöte bestehender Schulen lindern möchte.

Kontroverser geht es beim Verkehr zu. CDU, FDP und UBM setzen auf den Moselaufstieg. Rainer Lehnart (SPD) will noch die Untersuchung einer Variante (Verlängerung der Konrad-Adenauer-Brücke) abwarten. Anja Matatko (Grüne) fordert Regionalbahn-Haltepunkte. Johannes Verbeek (Die Linke) sieht den Durchbruch in einem Öffentlichen Personennahverkehr zum Nulltarif.

Auch das Thema Kultur birgt Zündstoff, von den Antikenfestspielen bis „Brot & Spiele“. In einem sind sich alle einig: Die Kultur muss besser vermarktet und koordiniert werden. Zum Finale wird beim Thema Finanzen deutlich, dass die Listen sehr unterschiedliche Prioritäten setzen – Entscheidungshilfe für die Bürger am 7. Juni.

Beim Marathon machen über den Tag verteilt 150 Gäste mit – bei solchen Sachthemen ist das Interesse offenbar geringer als bei Personenwahlen (Beispiel Oberbürgermeister). „Ausdauer-Pakete“ (Sekt und Konzert-Gutschein) gewinnen Adrian Koder, Thomas Alt, Christian Bamler, Birgit Theisen, Per Knöß. Wie die Wahl wohl ausgeht, tippen alle Podiums-Teilnehmer. Das Durchschnitts-Ergebnis: CDU 34,6 Prozent (minus sechs im Vergleich zur Wahl 2004), SPD 25 (plus drei), Grüne 15,5 (minus 1,8), UBM 11,2 (minus 4,3), Linke 5,4 (erstmals dabei), NPD 0,1.


Meinung: Schlagfertig und konsequent

Von Jörg Pistorius

Es war eine Premiere und ein Experiment. Acht Stunden Kommunalpolitik pur sind eine gewaltige Herausforderung für alle Beteiligten. Vor allem für die Kandidaten auf dem Podium – einige waren sogar bei zwei der vier Themenrunden dabei – und für die Zuhörer, die ebenso großes Interesse wie Durchhaltevermögen bewiesen. Die Qualität der Diskussionen auf der Bühne der Tufa machte dieses Experiment zum Erfolg. In der heißen Phase des Wahlkampfs reagierten die Repräsentanten der sechs Parteien und Gruppierungen, die am 7. Juni in den Stadtrat einziehen wollen, mit Konsequenz und Schlagfertigkeit auf die Herausforderung, ohne Wahlkampf-Drehbuch in einer offenen Debatte zu bestehen. Es war eine lebendige Diskussion, weit entfernt von den manchmal sehr statischen und vom grundsätzlichen Gegeneinander geprägten verbalen Scharmützeln im Stadtrat. Die Debatte in der Tufa bewies, wie spannend und unterhaltsam Kommunalpolitik sein kann.
j.pistorius@volksfreund.de

Thema Verkehr: Noch kein Aufstieg in Sicht, aber auch kein weiteres Parkhaus

Verkehr bewegt – auch beim TV-Wahlmarathon. Das kommunalpolitische Dauerbrenner-Thema lockte die meisten Besucher an, und die erfuhren viel Spannendes. Ganz konkret nahmen die Podiums-Vertreter der bereits im Stadtrat vertretenen Parteien – Udo Köhler (CDU), Rainer Lehnart (SPD), Anja Matatko (Grüne), Tobias Schneider (FDP) sowie Rainer Lübeck (UBM) – den Bewohnern des Tufa-Umfelds die Befürchtung, auf dem brach liegenden Grundstück an der Ecke Wechsel-/Gervasiusstraße werde eine öffentliche Großgarage entstehen. Es bleibe bei dem, was der Rat beschlossen hat: kein weiteres Parkhaus in Trier. Es gebe genügend öffentliche Stellplätze. Woran es aber mangelt, das sind spürbare Entlastungen Triers vom Autoverkehr. In der Frage, wie dieses Ziel zu erreichen sei, gingen die Meinungen weit auseinander. Die Forderung von Johannes Verbeek (Die Linke), Stadtbus-Fahren zum Nulltarif anzubieten, erregte Widerspruch. Die sich wie ein roter Faden durch das von Christiane Wolff moderierte Verkehrs-Gespräch ziehende Frage „Wer soll das bezahlen?“ beantwortete der Spitzenkandidat der Linken so: Die Multi-Milliarden, die der Staat zur Stützung von Banken ausgebe, müssten „gegengerechnet werden zur Stärkung der Kommunen – ansonsten werden die Steuerzahler ja doppelt zur Kasse gebeten“. Da seien Bund und Land gefragt. Die fünf Mitdiskutanten sehen da aber offenbar keine Möglichkeiten. „Wir sollten zumindest halbwegs realistisch bleiben“, mahnte Udo Köhler. Was nicht davon abhielt, für andere ebenfalls sehr weit entfernte Projekte zu plädieren. CDU, UBM und FDP liebäugeln weiterhin mit einem „Moselaufstieg“ zur A<133>64. Die SPD ist gegen die ursprünglich diskutierte Variante (Aufstiegs-Trasse zwischen Zewen und Igel) und will sich laut Rainer Lehnart zu dem jüngeren Vorschlag (Aufstieg in Verlängerung der Konrad-Adenauer-Brücke) erst „im Herbst äußern, wenn eine Auswertung vorliegt“. Grünen-Spitzenfrau Matatko plädierte für einen Petrisberg-Aufstieg. Der Kürenzer Ortsvorsteher Lübeck hält ein solches Vorhaben angesichts 100 Millionen Euro Kosten für „Traumtänzerei“, da noch nicht einmal zwölf Millionen für eine Umgehung Kürenz in Sicht seien. Für mehr ÖPNV und mehr Radwege sind alle. FDP-Nachwuchsmann Schneider schlug überdies vor, die vorhandenen Wege besser auszuweisen. Roland Morgen

Thema Kultur: Triers antike Reichtümer besser vermarkten

Trier besitzt ein unheimlich großes Potenzial an Kultur – darüber herrschte Einigkeit auf dem Podium. Doch wie kann dieses Potenzial besser ausgeschöpft werden? „Ich finde die Idee einer Kultur-Agentur für die antiken Stätten zusammen mit dem Land sehr sympathisch“, sagte Thomas Egger (FDP). „Klar wäre das schön. Aber um unsere Kultur vor Ort müssen wir uns selbst kümmern“, betonte Ulrich Dempfle (CDU). Marc-Bernhard Gleißner (Linke) hält ein Auslagern in eine Agentur für bedenklich, weil dann vielleicht nur noch der Massengeschmack gefördert werde. Er regte an, dem Charakter Triers als Studentenstadt künftig besser gerecht zu werden. Für die Zukunft der Antikenfestspiele setzt Hermann Kleber (UBM) auf hohe Qualität bei der Inszenierung antiker Stoffe in antiken Stätten. „Wir brauchen ein Gesamtkonzept, an das wir dann auch glauben müssen“, sagte Dominik Heinrich (Grüne). „Die Sponsoren erwarten eine Gegenleistung“, stellte Peter Spang (SPD) fest und erinnerte daran, dass Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink rechtzeitig vor der Ratssitzung am 30. Juni ein Gesamtkonzept für die Antikenfestspiele 2010 vorlegen soll. Für „Brot und Spiele“ schlagen Grüne und Linke einen zweijährigen Rhythmus vor. Um unerwartete Rechnungen zu vermeiden, fordert die UBM einen detaillierten Wirtschaftsplan als Bestandteil des Vertrags mit der Medienfabrik, die das Römerspektakel im Auftrag der Stadt organisiert. Die Notwendigkeit, das Theater zu sanieren, bezweifelt kein Kandidat. Gleichwohl fehlt Thomas Egger eine echte Strukturdiskussion. Aus dem Publikum meldete sich Intendant Gerhard Weber zu Wort: „Wir brauchen 130 bis 140 Plätze in unmittelbarer Nähe des Theaters“ – möglicherweise im Forum. Marcus Hormes

Thema Finanzen: Keine Tabus mehr,alles kommt auf den Prüfstand


Die Königsdisziplin stand zum Finale auf dem Programm des TV-Wahlmarathons. Was nützen die besten Ideen, wenn das nötige Geld dafür fehlt? Die von allen Stadtratslisten gewünschte Reform des kommunalen Finanzausgleichs steht noch in den Sternen. Deshalb kündigten alle Kandidaten an, Projekte und Ausgabeposten auf den Prüfstand zu stellen und klare Prioritäten zu setzen. „Wir müssten alles etwas abbauen“, schwante Thomas Egger (FDP). Er schlug eine stärkere Beteiligung Privater an öffentlichen Projekten vor. Bertrand Adams (CDU) forderte erst eine umfassende Aufgabenkritik und dann Verhandlungen mit der Landesregierung: „Wir halten in Trier auch viel für das Umland vor.“ Uschi Britz (Grüne) regte die Konzentration auf Dinge an, die sich refinanzieren könnten. Als Beispiele nannte sie städtischen Wohngrundbesitz und Energiesanierung. Sven Teuber (SPD) sah neuen Handlungsspielraum durch die Schaffung eines Eigenbetriebs Gebäudewirtschaft. Johannes Verbeek (Die Linke), wünschte sich die Stadtwerke künftig wieder komplett in städtischer Hand, damit nicht noch weiter an der Energie-Preisschraube gedreht werde. Christiane Probst (UBM) meinte erhebliches Sparpotenzial bei den Personalkosten der Stadtverwaltung ausgemacht zu haben. Dem widersprach Teuber: „Die Verwaltung leistet gute Arbeit, manche Mitarbeiter über ihrem Limit. Laut Landesrechnungshof ist das Einsparpotenzial gering.“ <zwischenzeile>Handwerkerpark spaltet die Meinungen Moderator und TV-Redakteur Jörg Pistorius verwies auf den Gegensatz zwischen dem allseits beklagten Schuldenberg der Stadt und mehreren großen Vorhaben, über die seit Jahren diskutiert werde. Dazu gehöre etwa der geplante Handwerkerpark in Trier-Feyen. Egger, Befürworter des Projekts, sieht die Gründe für die Verzögerung im Klageverfahren und in neuen Preisverhandlungen des Bundes. Grüne und SPD wollen Gewerbeflächen bereitstellen, aber nicht in der Nähe des Mattheiser Walds. Verbeek hält die Metternichstraße für besser geeignet. Dort seien die Grundstücke viel teurer, wandten CDU und UBM ein. „Wir müssen das Auswandern von Handwerkern nach Trierweiler-Sirzenich und Kenn stoppen“, forderte Probst. „Das Handwerk scheint in der Stadt unerwünscht zu sein“, kommentierte Adams die Hängepartie. „Die für den Handwerkerpark vorgesehene Fläche ist übrigens eine Militärbrache und liegt nicht im Mattheiser Wald.“ Zum Abschluss appellierte Jörg Pistorius an alle Zuhörer, am 7. Juni auf jeden Fall zur Wahl zu gehen und die Stimme nicht verfallen zu lassen. Marcus Hormes

Thema Schulen: Prioritäten, Gemeinsamkeiten und Seitenhiebe

Schulen – alleine mit diesem Thema ließe sich mühelos ein kompletter Marathon bestreiten. Trotz der Komplexität zeigten sich Dorothee Bohr (CDU), Regina Bux (SPD), Gerd Dahm (Grüne), Hans-Alwin Schmitz (UBM), Joachim Gilles (FDP) und Konstantin Kanty (Die Linke) weitgehend einig. Der auf 50 Millionen Euro angewachsene Sanierungsstau an den Schulgebäuden müsse entschlossen bekämpft werden. Die Vokabel „Priorität“ machte die Runde. Grundschulen schließen will offenbar niemand; dass die Stadt das Gebäude der Robert-Schuman-Realschule verkaufen will, nachdem Lehrer und Schüler an den Realschule-Plus-Standort (Pestalozzi-Hauptschule) gewechselt sind, erregte keinen Widerspruch. „Gemeinsame Armut verbindet dann doch bis zu einem gewissen Grad“, konstatierte Moderator Dieter Lintz. Lebhafter wurde die Diskussion, als es um die Integrierte Gesamtschule (IGS) ging. Die hat der noch amtierende Stadtrat mit breiter Mehrheit beschlossen. Allerdings ist nicht nur nach wie vor offen, wo die 15 bis 20 Millionen Euro für den massiven Umbau des Standorts Wolfsberg herkommen sollen, sondern auch, wie das pädagogische Konzept aussehen soll: Da müsse man die „Augen offen halten“ und sehen, was die Lenkungsgruppe erarbeiten und vorschlagen wird, so die vorherrschende Meinung. Für Bonmots sorgte UBM-Mann Schmitz. Er stellte fest, „Förderschulen müssen – wie es der Name schon sagt – natürlich gefördert werden.“ Und für seine personifizierten Seitenhiebe Richtung Mainz provozierte er eine Belehrung durch SPD-Kandidatin Bux: „Wenn ich das Land bin, dann ist Frau Bohr die Kirche“ (Anm. d. Red.: Regina Bux arbeitet bei der ADD, Dorothee Bohr ist Bistums-Justiziarin). Besucherin Birgitt Theisen (49) fand die Runde „nicht so richtig prickelnd. Da wurde viel zu wenig gestritten.“ Roland Morgen

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