Miss Brüssel und die Herren vom Grill

Trier · Sie sind so beliebt, aber auch so unvermeidlich wie Zahnarzt-Besuche: Die bunten Plakate, die alle Jahre wieder vor Wahlen die zunehmend weniger geneigte Wählerschaft aus der Lethargie wecken und an die Urne treiben sollen. Wir werfen einen Blick auf die Trierer Wahlplakate-Landschaft.

Endlich ist die Politik da angekommen, wo sie den Wähler immer schon vermutete: Auf dem Level eines Donald-Duck-Comics. „Wums“, lautet der zentrale Wahlslogan auf den Plakaten der Grünen, unten links in der Ecke bescheiden mit „Wirtschaft und Umwelt, menschlich und sozial“ übersetzt. Man hätte natürlich auch „Brrr“ nehmen können (für „Bütikofers rotgrüne Reste-Rampe“), oder „Jepp“ für „Joschkas Enkel, politische Pfeifen“. Wer keine Leute mehr hat, muss eben auf Sprüche setzen.

Wer hat, der hat, denkt sich hingegen die FDP und präsentiert im Cinemascope-Format Deutschlands zweitblondeste Versuchung nach Barbara Schöneberger. Bei Silvana Koch-Mehrin könnte man meinen, es stünde nicht die Wahl zum Europaparlament an, sondern die zur Miss Brüssel. „Das gleichen wir vor Ort ästhetisch wieder aus“, mag sich die Trierer FDP gedacht haben und verewigte sich mit Schwarz-Weiß-Porträts, die von der Anmutung her augenblicklich Erinnerungen an die einst überall präsenten Fahndungsplakate wach werden lassen. Vielleicht hat man zur Vermeidung von Missverständnissen deshalb unten rechts in der Ecke sicherheitshalber den Begriff „unbelastet“ aufgedruckt.

Gänzlich unbelastet von der eigenen Vergangenheit fühlt sich offenbar die CDU. „Wir haben das Hinterzimmer zugemauert“ titelt man, oder „Wir haben gelernt, zuzuhören“. Solche plötzlichen Lernprozesse nach 60 Jahren Dominanz in der Stadtpolitik lassen aufhorchen. Wen haut man denn da mit Anlauf in die Pfanne? Den Hinterzimmer-Politiker Helmut Schröer? Den bürgerfernen Christoph Böhr? So viel eiskalten Vatermord findet man ja nicht mal bei „Ödipus“ im Amphitheater. Oder haben die CDU-Oberen die feinsinnige Ironie ihrer cleveren Werbe-Agentur einfach nicht verstanden? Na ja, zumindest mangelnde Originalität kann man Grill-Berti und seinen Spieß(braten)gesellen nicht vorhalten. Und wir als Wähler warten auf die ultimative Kampagne zur Popularisierung von Triers CDU-Metzgermeister mit dem sanften Gemüt. Ich ahne schon, was die Jungs von der Agentur vorschlagen: „Schweine würden Berti wählen“.

So pfiffig wollte die SPD bei der Europawahl auch sein, aber es ging furchtbar in die Hose. „Heiße Luft würde die Linke wählen“ ist ein so strunzdummer und sinnfreier bildlicher Vergleich, dass einem dazu nicht mehr viel einfällt. Oder sollte das „Trash-Werbung“ sein, die ihre Wirkung dadurch erzielt, dass sie aufgrund ihrer Geistlosigkeit im Gedächtnis haften bleibt? Da versuchen es die Trierer Genossen schon etwas spannender, mit einer Art fortlaufender Männeken-Galerie. Freilich sind die Gestalten auf den zahllosen kleinen Plakaten entlang der großen Straßen so winzig, dass man getrost auch hätte Playmobil-Figuren als Models verwenden können. Hätte den Kandidaten viel Zeit gespart, und die Plastik-Männchen würden vielleicht auch einfach lebensechter und authentischer aussehen.

Wie komme ich von da jetzt gerade auf die Linke? Vielleicht deshalb, weil sie mit dem gütigen, nachdenklich in unergründliche Fernen sinnenden Onkel Bisky und mit dem Slogan „Vernunft!“ wirbt. Total authentisch bei einer Partei, für die solche Titanen der Vernunft und Sachlichkeit wie Oskar „Saar-Louis“ Lafontaine und Sarah-Rosa Wagenknecht Reklame laufen.

Könnte man da mit viel gutem Willen noch einen Schuss Augenzwinkern und Doppelbödigkeit herauslesen, kommt die UBM garantiert ironiefrei daher. „Diesmal die Freien statt der Parteien“ lautet die Parole, so geistreich wie jene handgereimten Gedichte, mit denen unschuldige Jubiläumsgesellschaften bei runden Geburtstagen des häufigeren von gutmeinenden Gästen traktiert werden. Das markige Plakat drumherum atmet den Charme der Fünfziger Jahre, und nur ein Schelm könnte auf die Idee kommen, dass es geradezu ideal zum Geist der Politik passt, die es verkaufen soll.

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