Oktober 2010 Großräumige Evakuierung für Bombenentschärfung in Trier-Nord

Trier · Knapp 4000 Anwohner in Trier-Ost und Mitte/Gartenfeld mussten ihre Wohnungen verlassen. Denn in der Güterstraße wurde eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. Der Zündmechanismus des britischen Blindgängers war so umgebaut, dass schon ein leichter Schlag eine Explosion hätte auslösen können.

 Das Evakuierungsgebiet und die Notquartiere. Kartengrundlage: Amtlicher Stadtplan, Stadt Trier, Amt für Bodenmanagement und Geoinformation

Das Evakuierungsgebiet und die Notquartiere. Kartengrundlage: Amtlicher Stadtplan, Stadt Trier, Amt für Bodenmanagement und Geoinformation

Foto: Birgit Keiser

Als die Schaufel des Baggers sich am Mittwochnachmittag in den Boden auf der Großbaustelle neben der Güterstraße fraß, schwebten nicht nur die Arbeiter in Lebensgefahr. Denn die Bombe, die der Baggerfahrer ungesehen aus dem Grund herausgrub und wenige Meter weiter wieder mit dem übrigen Aushub ablud, war hochexplosiv. "Im Zündmechanismus war der Schlagbolzen ausgebaut und lose wieder eingesetzt worden", berichtet Horst Lenz, Leiter des rheinland-pfälzischen Kampfmittelräumdienstes (KMRD). "Schon ein leichter Schlag an der richtigen Stelle hätte eine Explosion auslösen können."

Und weil die britische Bombe des Typs "GP 500 Pounds Mark IV" besonders dickwandig ist, ist ihr Splitterflug extrem. "Menschen wären im Freien in einem großen Umkreis gefährdet gewesen", sagt Lenz. Der Bomben-Experte vermutet, dass einer der russischen Kriegsgefangenen, die damals zum Munitionsräumen gezwungen wurden, den Zündmechanismus manipuliert haben könnte, um so die Bombe zu einer Mine umzubauen und seinen deutschen Feinden zu schaden.

Den losen Schlagbolzen haben die Experten des Kampfmittelräumdienstes schon am Mittwoch entfernt. Trotzdem bleibt das Entschärfen der Bombe gefährlich: "Britische Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg haben die unangenehme Eigenschaft, dass der Sprengstoff in der Zündladung auf Bleiazid basiert. Zusammen mit dem Kupfer der Sprengkapsel und Feuchtigkeit bildet Bleiazid hochexplosive Kupfersalze", erklärt Lenz. Schon die Berührung mit einer Vogelfeder könne Kupfersalz zur Explosion bringen.
Bis spätestens 21 Uhr muss geräumt sein

Bis 21 Uhr müssen Anwohner im 500-Meter-Umkreis der Bomben-Fundstelle ihre Wohnungen geräumt haben (siehe Grafik). "Alle Betroffenen werden per Handzetteln in den Briefkästen informiert", sagt Rathaus-Pressesprecher Ralf Frühauf. 100 Feuerwehrleute kontrollieren alle Häuser.

Bei Anwohnern, die sich weigern, ihre Wohnungen zu verlassen, darf die Polizei "unmittelbaren Zwang" anwenden. "Aber nach unserer Erfahrung sehen die Menschen die Notwendigkeit ein und verlassen freiwillig ihre Wohnungen", erklärt Polizei-Pressesprecherin Monika Peters. Sammelstellen sind in der Berufsbildenden Schule in der Langstraße und in den Grundschulen Egbert und Kürenz eingerichtet. Wer seine Wohnung nicht alleine verlassen kann, erhält unter der Telefonnummer 0651/9488-155 Hilfe.

Hilfe gibt's beim Bürgertelefon

Auch das Alleencenter wird evakuiert, die betroffenen Straßen, das Parkhaus in der Ostallee und der Bahnhof werden gesperrt. Um 21.45 Uhr fährt der letzte Zug ein. Danach enden und beginnen Züge in Konz-Karthaus und Ehrang. Zwischen diesen beiden Bahnhöfen werden Busse eingesetzt. Die Stadtbuslinien fahren Umleitungen.

Um 22 Uhr wird die Bombe entschärft. Vier Mann des Kampfmittelräumdienstes bauen den Zündmechanismus aus. "Sobald das zündendes Element und Sprengladung getrennt sind, ist die Gefahr gebannt", erklärt Lenz. Die Bombe wird dann in ein Munitionslager nach Koblenz gebracht, wo sie später aufgesägt und kontrolliert abgebrannt wird. Geht alles gut, dürfen die Anwohner spätestens um 24 Uhr wieder zurück in ihre Wohnungen.

Extra

Britische Bomben auf Trier

Da die Engländer nur drei Bombenangriffe auf Trier geflogen haben - nämlich in den Nächten vom 19., 21. und 23. Dezember 1944 - muss die britische Fliegerbombe an einem dieser Daten niedergegangen sein. "Die Amerikaner hatten die Engländer damals um Unterstützung im Kampf gegen Hitlers Ardennenoffensive gebeten", berichtet der Trierer Heimatforscher Adolf Welter. "Die Briten bombardierten daraufhin ganz gezielt die Bahnanlagen." Zwar war nicht nur der Hauptbahnhof, sondern auch der Ehranger Bahnhof und die Pfalzeler Bahnbrücke schon zuvor durch amerikanische Bombenangriffe schwer beschädigt worden. Aber die Alliierten wollten sicherstellen, dass die deutsche Wehrmacht über Trier keinen Nachschub mehr per Eisenbahn erhalten konnte. Die Amerikaner bombardierten Trier daher am 24. Dezember 1944 erneut. "Weil der Bahnhof allerdings noch unter dicken Rauchschwaden lag, konnten sie ihr Ziel nicht genau identifizieren. Etliche Bomben fielen daher auf Trier-Ost", berichtet Welter. (woc)

Evakuierungsplan

Als Service für unsere Leser drucken wir heute erneut den Evakuierungsplan ab. In folgenden Straßen müssen Anwohner bis 21 Uhr ihre Häuser verlassen: Agritiusstraße, Am Deimelberg, An der Schellenmauer, Bahnhofsplatz, Bahnhofstraße, Balduinstraße, Bergstraße(Hausnr. 1 bis 10 und 63 bis 77), Bismarckstraße, Brühlstraße (nur Hausnr. 34), Christophstraße (bis Hausnr. 13), Deworastraße, Domänenstraße (nur Hausnr. 1), Dominikanerstraße, Fabrikstraße, Gartenfeldstraße, Göbenstraße, Güterstraße, In der Reichsabtei, Kochstraße, Kreuzweg, Kürenzer Straße, Kurfürstenstraße (ab Hausnr. 25 und ab Nr. 38), Leanderstraße, Maximineracht, Maximinstraße (Hausnr. 17 bis 20), Moltkestraße, Ostallee (bis Hausnr. 39), Predigerstraße, Roonstraße, Sachsenstraße, Schönbornstraße, Schöndorferstraße, Sichelstraße (bis Hausnr. 15), Steingröverweg, Thebäerstraße (bis Hausnr. 45 und bis Nr. 34), Theodor-Heuss-Allee (ab Hausnr. 9), Windstraße (ab Hausnr. 17 und ab Nr. 16), Zum Schloßpark (nur die Hausnr. 3, 4, 6, 7 und 8).

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