Cochem hat Übung: Bombe II entschärft

Cochem · Alles gut gelaufen: Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr haben Kampfmittelräumer am Sonntag eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich entschärft, die als Blindgänger am Kaiser-Wilhelm-Tunnel niedergegangen war und nun bei Bauarbeiten entdeckt wurde. Zur Sicherheit musste die Stadt geräumt werden. Cochem war für Stunden fast menschenleer, bis die Entschärfer Entwarnung gaben.

Die Chronologie des Ausnahmeszustands:

8.25 Uhr: Niemand kommt mehr hinein: Alle Zufahrtsstraßen nach Cochem sind gesperrt. Bis 9 Uhr sollen auch die Menschen, die sich noch in Cochem aufhalten, den Bannkreis mit Radius von einem Kilometer um den Fundort der Bombe verlassen haben.
8.50 Uhr: Bei der Polizei Cochem und am Feuerwehrgerätehaus machen sich die Kontrollteams bereit. Sie werden Straße für Straße überprüfen, ob die Stadt wirklich menschenleer ist. Dazu hat die Polizei den Bannkreis auf einem Luftbild in 30 Sektoren aufgeteilt. Erst wenn alle 30 roten Markierungen grün überklebt sind, wenn jeder einzelne Sektor als evakuiert gemeldet ist, dürfen die Entschärfer beginnen.
9.30 Uhr: Im Spitzweggässchen 24, oberhalb des Marktplatzes in Sektor 26 gelegen, klingelt Feuerwehrmann Björn Schürmann Sturm. Niemand meldet sich. Trotzdem verharren Schürmann und sein Team noch ein paar Minuten vor dem Haus. Sie lassen den Blick an der Fassade hochgleiten, schauen genau durchs Fenster. Bewegt sich irgendwo etwas? Ja, aber es sind nur Schildkröten. Im dritten Stock eines Gebäudes in der Oberbachstraße ist ein Fenster leicht geöffnet, wie viele Menschen es zum Schlafen mögen. "Doch wenn sich einer unterm Tisch versteckt, hat er im Notfall Pech", sagt Polizistin Anica Roth. "Wir können nicht jede Tür aufbrechen."
9.55 Uhr: Die Glocken der evangelischen Kirche Cochem läuten, rufen wie jeden Sonntag zum Gottesdienst. Doch heute wird niemand kommen. Still ist es aber auch nicht, als die Glocken verklungen sind: Vögel zwitschern in der ausgestorbenen Stadt, und alle fünf Minuten rollt ein Kleinbus durch die engen Gassen: Die Senioren des Altenheims St. Hedwig werden jeweils zu zweit für die Evakuierungszeit ins Cochemer Krankenhaus gebracht. 10.25 Uhr: Ein Frachter zieht auf der Mosel an Cochem vorbei - der letzte. Dann ist Cochem für den Schiffsverkehr gesperrt.
11 Uhr: Horst Lenz, Leiter des Kampfmittelräumdienstes Rheinland-Pfalz, ist mit fünf Kollegen eingetroffen. Er beginnt, sein Werkzeug parat zu machen.
11.10 Uhr: Die Kontrollteams der Altstadt packen auf dem Marktplatz Kaffee, Wurst und Brötchen aus. Doch zu früh gefreut: In zwei Wohnungen halten sich noch Menschen auf. Eine Familie hatte die Evakuierung vergessen, eine andere muss von der Notwendigkeit der Räumung erst überzeugt werden.
11.30 Uhr: "Es sieht aus, als ob die Entschärfung möglich ist", schätzt Horst Lenz die Lage ein. Aber: "Gelacht wird immer später." Einer der Zünder ist durch den Aufprall aus mehreren 1000 Meterh Höhe deformiert, das verkompliziert die Arbeit.
12 Uhr: Es rollen keine Züge mehr durch Cochem, die Lokführer dürfen Pause machen. Nur zwei Wanderer, ein Hubschrauber hat sie auf dem Conder Berg entdeckt, bewegen sich noch Richtung Stadt und müssen "eingefangen" werden.
12.15 Uhr: Der Bannkreis ist bis auf die Kampfmittelräumer menschenleer. Die Entschärfung beginnt. Per Sandstrahler wird die Bombe zunächst gesäubert. Dann steigt Horst Lenz mit einem Kollegen in den Schacht hinab - dorthin, wo den Technikern niemand mehr zuschaut. "Wir wollen keine Nachahmer auf den Plan rufen", erklärt Lenz, der weiß, wie gefährlich die Identifikation der Munition ist.
12.55 Uhr: Die Entschärfung ist geglückt, Heck- und Kopfzünder sind ausgebaut. Ein Bagger rollt an, hebt das Zehnzentnerstück an Seilen aus der Grube, und verlädt es auf einen Lkw.
13.10 Uhr: Die Polizei hebt die Sperrung Cochems auf. Es gibt Suppe für rund 400 Helfer. Obwohl Polizeisprecher Norbert Puth "Sonderlagen" mag, kann er erst jetzt wieder etwas essen. Vorher war er zu angespannt.
15.30 Uhr: Nach und nach kehren die Cochemer zurück. Viele haben die erzwungene Räumung für einen Tagesausflug genutzt. Darum halten Raumschutzteams der Polizei noch Wache, bis die meisten Wohnungen wieder belebt sind.

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