Die alte Tante SPD spürt neue Lust am Nachwuchs

Mainz/Trier · Der demografische Wandel mit einer älter werdenden und schrumpfenden Bevölkerung trifft auch die Parteien. Sie suchen intensiv nach Möglichkeiten, verstärkt junge Menschen für die politische Arbeit zu begeistern.

Mainz/Trier. Ein Abend in der Woche läuft für altgediente Sozialdemokraten seit Jahrzehnten nach dem gleichen Muster ab: Sie treffen sich meist in einer Gaststätte zur Sitzung des Ortsvereins, beraten Themen für die nächste Sitzung des Gemeinde- oder Stadtrates, diskutieren über die Landes- und Bundespolitik oder planen Wahlkampfaktionen. Anziehend für die an Handy und Internet gewöhnte junge Generation wirken solche Zusammenkünfte wohl eher nicht.
Diese Erkenntnis ist nicht der einzige, aber ein maßgeblicher Grund für alle Parteien, über ihre Strukturen nachzudenken. In der SPD läuft die Debatte seit Dezember 2009, als der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel Vorschläge für eine Reform auf den Tisch legte, - und richtig intensiv seit diesem Sommer. Es gilt, die politische Arbeit neu zu organisieren, als Partei attraktiver zu werden und das gewonnene Interesse in Wahlstimmen umzumünzen.
Federführend begleitet in Rheinland-Pfalz Generalsekretär Alexander Schweitzer die Debatte. Seit seinem Amtsantritt am 19. Mai ist er nach eigenem Bekunden schon 9000 Kilometer gefahren und hat Ortsvereine besucht. Kürzlich war er erstmals in der Region im Kreisverband Trier-Saarburg. Termine in Trier, Bitburg-Prüm, Bernkastel-Wittlich und im Vulkaneifelkreis sind geplant. "Zu uns kommt er Mitte Oktober", verrät Astrid Schmitt, Landtagsabgeordnete aus Daun.
Bei Schweitzers Besuchen spielt zwar auch die jüngste Landtagswahl vom 27. März eine Rolle, bei der die SPD zehn Prozent einbüßte, aber in erster Linie geht es um die Parteireform. Der Zwei-Meter-Mann rennt offene Türen ein, man freut sich, dass "die da oben in Mainz" wieder Interesse an der Basis zeigen. Kritisch reflektiert Schweitzer, der Diskussionsmuskel sei "eingeschlafen" gewesen - infolge der Regierungszwänge in fünfjähriger SPD-Alleinherrschaft von 2006 bis 2011.
Nun erwacht die alte Tante SPD zu neuem Leben. Die Partei stellt sich vom Ortsverein über regionale Gliederungen wie Kreisverbände und Unterbezirke bis hin zum Landes- und Bundesverband neu auf. In Rheinland-Pfalz fällt nach Schweitzers Einschätzung vieles leichter, "denn hier haben wir schon vieles gemacht". Als Beispiel nennt der SPD-General, dass es ein gutes Management mit Sympathisantenkreisen gebe.
Ein Hauptanliegen der Parteireform ist die Öffnung für Nichtmitglieder. "Flexibel sein, Hauptsache, Menschen können sich einbringen", formuliert Schweitzer. "Man muss auch andere Angebote schaffen", bestätigt Katarina Barley, Kreisvorsitzende Trier-Saarburg und Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Parteireform im Land. Das bedeutet für sie aber nicht, dass Ortsvereine aufgegeben werden. "Ich versuche, jeden am Leben zu erhalten."
Auf offene Ohren stößt laut Barley, dass den Ortsvereinen Verwaltungsarbeit abgenommen werden soll. Kassenberichte sollen zum Beispiel regional zusammengefasst werden. Impulse für eine bessere Öffentlichkeits- oder Ratsarbeit durch landesweit zwölf Weiterbildungsbeauftragte kämen auch gut an. Für die Idee von Parteichef Gabriel, einen aus Mitgliedsbeiträgen gespeisten Innovationsfonds zu gründen, um interessante Aktionen und Kampagnen zu finanzieren, könnten sich die SPD-Mitglieder ebenfalls erwärmen.
Mit großem Interesse verfolgen die Sozialdemokraten vor Ort natürlich die Diskussion um den nächsten Kanzlerkandidaten. Diesen auch von Nichtmitgliedern wählen zu lassen, wie es Parteichef Gabriel vorgeschlagen hat, können sich die Wenigsten vorstellen. "Das würde den Wert der Mitgliedschaft entwerten", sagen Barley und Schweitzer.
Gerade erst hat Gabriel, der neben dem ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Anwärter gilt, klargestellt, er werde von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch machen. Aber erst im Frühjahr 2013, ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl. Bis dahin wird die Parteireform längst unter Dach und Fach gebracht sein.

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