Muss jeder Bürger dem Staat ein Jahr dienen?

Trier · Die Wehrpflicht ist gerade ausgesetzt, da will sie der Eifeler CDU-Landespolitiker Michael Billen auch schon wieder einführen. Mehr noch: Billen fordert eine generelle Dienstpflicht - für junge Männer und Frauen. Die Begeisterung über die Initiative des Christdemokraten hält sich in Grenzen.

Trier. Gut möglich, dass die jüngsten Beschlüsse seiner Partei den Kaschenbacher CDU-Landtagsabgeordneten Michael Billen beflügelt haben. Seit dem vergangenen Wochenende sind jetzt auch die Christdemokraten für einen Mindestlohn "light", den weite Teile der Partei lange Zeit vehement abgelehnt haben. Billen hat den Mindestlohn schon vor Jahren gefordert, "weil er Menschen davor schützt, ausgebeutet zu werden". Nun hat sich der 56-jährige Eifeler ein neues Thema auf die Fahnen geschrieben, für das er in der CDU um Mehrheiten werben will - zunächst auf Kreis-, dann auf Bezirks- und später auch auf Landes- und Bundesebene. Dabei dürfte der Widerstand allerdings etwas heftiger werden als beim Mindestlohn. Billen will nämlich nicht nur die Wehrpflicht wieder einführen, sondern künftig auch jene zu einem zwölfmonatigen "Staatsbürgerjahr" heranziehen, die in der Vergangenheit davon befreit waren: Frauen.
Kommentar von Klöckner


"Die Demokratie ist nicht zum Nulltarif zu bekommen", sagt Billen zur Begründung, "die Jugend soll erfahren, was es heißt, einer Gesellschaft auch etwas zu geben."
"Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn sich Kreisverbände Gedanken machen und Vorschläge unterbreiten", kommentiert CDU-Landeschefin Julia Klöckner den Vorschlag ihres Eifeler Parteifreunds und fügt hinzu: "In der SPD wird\'s ja meist von oben vorgegeben, bei uns ist das zum Glück anders." Das klingt allerdings auch nicht so, als stünde das Thema Staatsbürgerjahr bei Klöckner hoch im Kurs.
Deutlicher wird die Mainzer Familienministerin Irene Alt (Grüne). "Ein solches soziales Pflichtjahr ist weder zielführend noch verfassungsrechtlich durchführbar", sagt Alt. Zudem sei es nicht praktikabel: Für die jährlich betroffenen 800 000 jungen Frauen und Männer gebe es kaum ausreichend Einsatzmöglichkeiten.
Auch der Leiter der Arbeitsstelle Soziale Lerndienste beim Bistum Trier, Peter Nilles, hält nichts von einer generellen Dienstpflicht. Das Problem des fehlenden Fachpersonals in vielen sozialen und karitativen Einrichtungen lasse sich auf diese Weise nicht lösen. Stattdessen sollten die Hauptamtlichen besser bezahlt werden und die Jobs mehr Anerkennung erfahren, fordert Nilles.
Die Frage ist auch, ob eine generelle Dienstpflicht überhaupt Sinn macht. Denn nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten scheint sich der Anfang Juli gestartete Bundesfreiwilligendienst inzwischen gut zu entwickeln. "Die Zahlen steigen", heißt es sowohl beim Bistum Trier als auch beim rheinland-pfälzischen Roten Kreuz, das noch kurz vor dem Startschuss händeringend nach Interessenten gesucht hatte. Die Arbeiterwohlfahrt vermeldet sogar deutlich mehr Interessenten als freie Plätze.
Inzwischen scheint das von der Bundesregierung anvisierte Ziel von 35 000 Freiwilligen bis Ende 2012 keinesfalls utopisch zu sein. Derzeit sind bundesweit 22 000 "Bufdis" im Einsatz, die genauen regionalen Zahlen sind nicht bekannt.
Auch bei der Einberufung freiwilliger Wehrdienstleistender scheint das Soll erreicht. Seit Juli hätten sich bereits über 7000 Männer und Frauen für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr entschieden, vermeldete unlängst das Verteidigungsministerium. Minister Thomas de Mazière plant für die Zukunft mit zwischen 5000 und 15 000 freiwillig Wehrdienstleistenden und 170 000 Berufs- und Zeitsoldaten.
Zahlenkolonnen, die den Eifeler CDU-Landtagsabgeordneten Michael Billen nur wenig beeindrucken. Seine Meinung: "Die Wehrpflicht ist besser als eine Freiwilligenarmee, wo wir nicht genug Soldaten bekommen und nicht die richtigen."
Ob die Initiative des Bitburg-Prümer Parteivorsitzenden Chancen hat, wird sich schon Anfang nächsten Jahres zeigen. Dann befasst sich der CDU-Kreisparteitag mit dem Thema generelle Dienstpflicht. Billen ist gewohnt optimistisch. Schon beim Thema Mindestlohn hätten "die Parteioberen schließlich eingesehen, dass die da unten nicht alles mit sich machen lassen".Extra

Der Bundesfreiwilligendienst dauert mindestens sechs und höchstens 24 Monate. Er steht Frauen und Männern ab 16 Jahren offen, eine Altershöchstgrenze gibt es nicht. Die Freiwilligen erhalten ein Taschengeld von maximal 330 Euro, hinzu kommen Unterkunft, Verpflegung und Sozialversicherungsbeiträge. Die vorhandenen Zivildienststellen wurden automatisch in BFD-Stellen umgewandelt. Der freiwillige Wehrdienst für Frauen und Männer dauert mindestens zwölf und höchstens 23 Monate. Der monatliche Sold liegt zwischen 778 und 1100 Euro; hinzu kommen Sachleistungen wie Unterkunft und Verpflegung. sey

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