Kleine Nadelstiche gegen das Vergessen: Regionale Gruppen engagieren sich

Trier/Wittlich · Mit Unterschriftenaktionen, Bittbriefen und Hilfsgütertransporten helfen auch Gruppen in der Region Menschen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden. Zwei davon sind die IGFM-Gruppe Wittlich und die Trierer Gruppe von Amnesty International.

Azza Suleiman ist eine der Frauen, die im Dezember 2011 in Kairo an einer Protestaktion gegen die ägyptische Regierung teilnahmen. Sie wurde von Soldaten brutal zusammengeschlagen, erlitt einen Schädelbruch. Bis heute hat sie keine Unterstützung für medizinische Rehabilitation erhalten. Einer der Fälle, auf die die Amnesty International-Gruppe in Trier aufmerksam macht. Das Arbeitsspektrum reicht vom Einsatz für politische Gefangene über Aktionen gegen Zwangsprostitution bis hin zu Kampagnen gegen häusliche Gewalt.Mit Briefen gegen das Vergessen wenden sich die Aktiven an Regierungen, fordern die Freilassung politischer Gefangener, bitten um Hafterleichterungen, medizinische Hilfe oder um ein faires Verfahren. Karin Dahlmann weiß aus Erfahrung, dass diese kleinen Nadelstiche durchaus ihre Wirkung zeigen: "Es ist nicht der einzelne Brief, aber die Masse macht es eben", sagt die 52-Jährige, die seit 1990 Sprecherin der Trierer Amnesty-Gruppe ist. Wie ein Strohhalm: Gesteuert werden solche Aktionen von der deutschen Amnesty-Sektion und dem Internationalen Sekretariat in London. Oft ist nur eine Unterschrift und eine Briefmarke notwendig. "Wenn die Leute merken, Amnesty setzt sich für mich ein, ist das wie ein Strohhalm. Sie wissen: Ich bin nicht völlig vergessen", sagt Karin Dahlmann.
Die Trierer Amnesty-Gruppe besteht aus zwölf Aktiven, darunter neun Studierende. Karin Dahlmann wäre froh, wenn sich noch weitere Berufstätige oder Rentner der Gruppe anschlössen. Dann wäre noch mehr möglich, etwa auch wieder mehr Menschenrechtsarbeit an Schulen. Doch jetzt schon ist der Einsatz der Trie8rer Gruppe beachtlich: Er reicht von Ständen in der Stadt und an der Uni, über Aktionen in Kinos bis hin zu einer Menschenrechts-Rallye, bei der Kinder etwas über Menschen- und Kinderrechte lernen. Briefmarathon: Zum Tag der Menschenrechte beginnt ein Briefmarathon unter dem Motto "Dein Brief kann Leben retten". Außerdem macht die Trierer Gruppe mit Kerzen und vorgefertigten Briefen in einigen Gaststätten auf das Schicksal Verfolgter aufmerksam - etwa auf den chinesischen Rechtsanwalt Gao Zhisheng .
Für den Anwalt setzt sich auch die Wittlicher Arbeitsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) ein. Wie bei Amnesty International heißt es auch bei den IGFM-Aktiven um die Wittlicherin Katrin Bornmüller: Briefe schreiben und aufmerksam machen auf die Menschen, denen grundlegende Rechte verwehrt und die weggesperrt werden. Schwerpunkt verfolgte Christen: Ein Schwerpunkt ist die Hilfe für verfolgte Christen in etlichen Ländern. So kümmern sich die Wittlicher um die wegen "Beleidigung des Islam" in Pakistan zum Tode verurteilte Asia Bibi . Sie hatte Wasser für muslimische Feldarbeiterinnen geschöpft, die das Wasser aber ablehnten, weil das Gefäß durch die Berührung der Christin "unrein" sei. Aufgebrachte Muslime wollten sie dazu zwingen, ihrem Glauben abzuschwören. Als sie sich weigerte, wurde sie misshandelt und später wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Am 15. Dezember spricht die iranische Pastorin Mahin Mousapour in Wittlich über die Christenverfolgung im Iran. Dort setzt sich die IGFM auch für die Freilassung von Rechtsanwälten und Journalisten ein. Ihre vielfältigen persönlichen und politischen Kontakte nutzt Katrin Bornmüller, die auch im Wittlicher Stadtrat sitzt, für konkrete Hilfe. So setzt sie sich dafür ein, dass die Familie eines syrischen Arztes ein Visum für Deutschland bekommt. Hilfstransporte für die Bedürftigen: Doch Katrin Bornmüller und die 60 Helfer der Wittlicher Gruppe sind in der Region vor allem für eines bekannt, nämlich Hilfstransporte. Sage und schreibe 350 Sattelschlepper mit Hilfsgütern haben sie in den letzten 22 Jahren nach Litauen, Lettland, Rumänien, Kroatien und Bosnien auf den Weg gebracht - für Bedürftige und Dissidenten, die heute mit 100 Euro Renten auskommen müssen. "Die Opfer der damaligen Regime sind auch heute noch Opfer. Davon kann kein Mensch leben", erklärt die 72-Jährige, die seit 2005 auch Bundesvorsitzende der IGFM ist. Sie schlägt sich mit EU-Ausfuhrerklärungen ebenso herum wie mit sturen albanischen Zöllnern. Jeder Transport kostet rund 2000 Euro. Im IGFM-Lager in der Wittlicher Rommelsbachstraße (geöffnet mittwochs von 14 bis 18 Uhr) wird alles gesammelt, von Schuhen über Pflegebetten bis zu Lebensmitteln und Medizin. In diesem Jahr gehen noch zwei Transporte nach Rumänien und Lettland.

Meine Hilfe zählt


Mit dem Meine-Hilfe-zählt-Projekt Hilfe für Christen in Homs/Syrien (Projekt-Nr. 10745) unterstützt die IGFM-Gruppe Wittlich Christen in Syrien, die ohne eigenes Zutun in die Mühle des Bürgerkriegs geraten sind. Im zerstörten Homs bietet ein von Jesuiten betriebenes Landwirtschaftsprojekt obdachlos Gewordenen die nötigste Hilfe an. Für 250 Menschen ist dies die letzte Hoffnung. Spenden können Sie per Banküberweisung an "Meine Hilfe zählt". Konto 220012 bei der Sparkasse Trier (BLZ 58550130) oder Konto 191919 bei der Volksbank Trier (BLZ 58560103). Im Verwendungszweck bitte nicht vergessen, die Projektnummer 10745 anzugeben. Direkte Online-Spenden sind auch unter volksfreund.de/meinehilfe möglich.
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