Startgeld für Fünftklässler

Speicher/Zemmer/Waldrach · Eine ungewöhnliche Aktion am Schulzentrum Speicher, das auch von Kindern aus dem Raum Zemmer besucht wird, stößt nicht überall auf Gegenliebe. Der TV hat nachgefragt, was Behörden und umliegende Schulen von der 500-Euro-Prämie halten, die dort für Fünftklässler bezahlt wird.

Speicher/Zemmer/Waldrach. Melden Eltern ihr Kind am Speicherer Schulzentrum an, bekommen sie 500 Euro auf die Hand. Das verspricht eine im Land einzigartige Aktion. Ein unmoralisches Angebot? "Ich weiß nicht, was daran unmoralisch sein soll", sagt der Leiter des Speicherer Schulzentrums, Jürgen Weber. "Es ist doch Tradition, Schüler und Eltern beim Kauf der Materialien zu unterstützen."
Wolfgang Reiland, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Trier-Land und Mitglied des Zweckverbands, sagt dazu: "Ich kann das aus Sicht von Speicher verstehen, aber ich würde es für Trier-Land nicht übernehmen. Bei 160 Kindern, die jährlich im Schnitt unsere Grundschulen verlassen und auswärtige Schulen besuchen, müssten wir rund 80 000 Euro Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Das müssten unsere Ortsgemeinden über die Umlage finanzieren."

Das steckt hinter der Kopfprämie: Klar ist, die Einrichtung braucht mehr Kinder. Mindestens 51 müssen es bis Ende Februar sein. Dann hat der Standort eine Chance, als Realschule plus zu überleben. Bei 500 Euro pro Kopf und 51 Anmeldungen müsste der Schulzweckverband 25 500 Euro auszahlen. "Selbst wenn es 100 Kinder wären, würden wir das gern tun", sagt Rudolf Becker, Bürgermeister der VG Speicher. Zusammen mit den Juniorpartnern VG Trier-Land und Wittlich-Land bildet die VG Speicher den Schulzweckverband, der die Kosten übernimmt. Das Geld kommt aus dem Rücklagentopf der VG Speicher und wird als freiwillige Einlage gezahlt. An Bedingungen ist das Begrüßungsgeld nicht geknüpft. Es wird allerdings erst gezahlt, wenn die Realschule plus zustande kommt. Derzeit gibt es 21 Anmeldungen.

Das sagen die Offiziellen: Christoph Holkenbrink, Bürgermeister der VG Wittlich-Land und Mitglied des Zweckverbands: "Wenn das die Speicherer wollen, dann müssen die das bezahlen."
Joachim Streit, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm: "Wenn die Stadt Trier Neubürgern Geld zahlt, kann Speicher das schon lange."
Eveline Dziendziol, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier: "Da wird ein Weg beschritten, der in die falsche Richtung geht. Die Auswahl der Schule sollte nicht nach finanziellen Aspekten erfolgen."
Michael Ludwig, Bürgerinitiative IGS Speicher: "Wir befürworten die Aktion. Sie könnte die Anmeldezahlen erhöhen."

Das sagen andere Schulen: Rosemarie Bölinger, Clara-Viebig-Realschule plus, Wittlich: "Es ist verständlich, dass man für seinen Standort eintritt und alles tut. Die Wahl der Mittel ist eine andere Frage."
Torben Wendland, Realschule plus, Bitburg: "Für uns kommt das finanziell nicht infrage. Wir geben kein Geld, damit Eltern ihr Kind bei uns anmelden. Aber ich kann die Aktion verstehen."

Peter Riedel, Realschule plus Salmtal: "Die Speicherer Werbeaktion hat keine nennenswerten Auswirkungen auf unsere Schule. Wir haben sogar Anmeldungen von zwei Speicherer Kindern."
Claus von Bronewski, Grund- und Realschule plus, Irrel: "Ich wünsche mir, dass die Schule ihre Anmeldezahlen bekommt."
Jürgen Nisius, Stefan-Andres-Realschule plus, Schweich: "Die Aktion schadet uns nicht. Ob sie der richtige Weg ist, möchte ich nicht beurteilen."
Was halten Sie von dieser Rettungsaktion? Schreiben Sie uns an eifel-echo@volksfreund.de
Extra

Mit geringen Anmeldezahlen kämpft auch die Realschule plus in Waldrach. Für das Schuljahr 2011/12 meldeten sich 27 Schüler an, 2012/13 waren es 36. Diese Zahlen nach dem Beispiel der Schule in Speicher per Anmeldeprämie zu steigern, lehnt der Kreis Trier-Saarburg als Schulträger ab. "Ein solches Vorgehen kommt für uns nicht infrage", sagt Sprecherin Martina Bosch. In der Aktion spiegele sich ein Grundproblem aller kleinen Realschulen, erläutert Bosch. Denn laut Landesschulgesetz brauchen Realschulen plus mindestens drei Parallelklassen (sprich mehr als 50 Schüler pro Klassenstufe). Die Schule in Waldrach ist nur zweizügig. Was mit ihr und etwa 40 weiteren zu kleinen Realschulen in Rheinland-Pfalz langfristig passiert, soll eine Arbeitsgruppe des Landes klären. "Ergebnisse gibt es bisher nicht", sagt Bosch. "Alle hängen in der Luft, das führt auch zu Aktionen wie in Speicher." "Unsittlich" nennt Bernhard Busch, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Ruwer, den Speicherer Versuch "Prämien ausloben, um Schüler einzufangen". In der VG Ruwer gebe es dazu weder Haushaltsmittel noch "einen politischen Willen". Busch glaubt zudem, dass Eltern bei ihrer Entscheidung nicht auf Prämien, sondern auf "pädagogische Arbeit und Erreichbarkeit" setzen. cweb

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