Im katholischen Luxemburg gibt's die Pille danach rezeptfrei

Die "Pille danach": Den einen ist sie ein ganz normales Verhütungsmittel, den anderen eine Notfall-Hilfe, wieder anderen ein Tötungs-Instrument. Wie immer bei Glaubens-Fragen wird es schwierig, wenn es um die Auswirkungen im Einzelfall geht.

"Die Pille danach? Kein Problem". Die freundliche junge Frau in der Wasserbilliger Apotheke schaut etwas überrascht. Es werden wohl eher selten Männer sein, die nach diesem Medikament fragen. Rezept? Kein Thema. Im grundkatholischen Luxemburg sind Präparate zur nachträglichen Empfängnisverhütung rezeptfrei - wie fast überall in Europa, und wie es auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Ob deshalb in die erste Apotheke jenseits der Grenze öfter Kundschaft aus der Trierer Ecke kommt? "Wir fragen nicht, woher jemand kommt", sagt die Apothekerin diskret. Um mit einem Lächeln hinzuzufügen: "Der Sprache nach könnte es aber schon so sein".Auf die heftige Debatte in Deutschland blickt man aus der Warte der Nachbarn eher verständnislos. Im Land der Dichter und Denker sind bislang alle Initiativen gescheitert, die Rezeptpflicht zumindest für jene Präparate aufzuheben, deren Wirksamkeit vor dem Eisprung einsetzt. Ansonsten hätte es die wütenden öffentlichen Diskussionen über die von einem katholischen Krankenhaus verweigerte Ausstellung des Rezepts für eine vergewaltigte Frau in Köln gar nicht geben müssen.
Die katholische Kirche ist nicht nur rigoros gegen Abtreibung, sie lehnt auch medizinische Methoden der Empfängnisverhütung ab. Daraus ergab sich logischerweise, dass in katholischen Krankenhäusern keine "Pille danach" verordnet wurde. Doch der fatale Fall in Köln sorgte für einen solchen Druck, dass die Bischöfe einlenkten: Im Fall einer Gewalttat solle es möglich sein, jene "Pille danach" zu verordnen, die empfängnisverhütend wirkt - nicht aber ein Präparat, das möglicherweise eine abtreibende Wirkung entfaltet.Mit diesem Beschluss erschlugen die Bischöfe die öffentliche Debatte. Aber das Problem lagert nun in den Kliniken. Denn über die Wirkweise der Pille "streiten die Gelehrten", wie es Pressesprecher Heribert Frieling von der Marienhaus-Unternehmensgruppe anschaulich beschreibt.
Der katholische Krankenhauskonzern, der die meisten Spitäler in der Region Trier betreibt, vertraut "in dieser echten Extrem-Situation" (Frieling) auf die Gewissensentscheidung des Arztes, die vom Krankenhaus "dann auch nicht angezweifelt werden darf".
Für Ute Keiber-Schon von Pro Familia in Trier ist das ein "Riesen-Fortschritt" gegenüber früheren Kirchen-Positionen. Aber dennoch verweist sie auf die Unsicherheit, die sich daraus ergibt, wenn eine Frau sich im Notfall nicht darauf verlassen kann, dass sie eine Verschreibung bekommt. Wer etwa am Samstagabend darauf verwiesen würde, sich das Medikament am Montag bei einem praktischen Arzt verschreiben zu lassen, müsse ein wesentlich erhöhtes Schwangerschafts-Risiko in Kauf nehmen.
Klare Linie im Mutterhaus
Vielleicht hat man sich deshalb beim Trierer Mutterhaus in einem offenbar nicht ganz leichten Prozess auf eine klarere Linie verständigt. Dort würden, so heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem TV, Vergewaltigungsopfer "umfassend von Arzt, Seelsorger, Psychologen und Sozialdienst versorgt", dann könne eine Verschreibung von empfängnisverhütenden, aber nicht abtreibenden Präparaten erfolgen. Als solche sind nach Ansicht des Berufsverbandes der Frauenärzte, auf die sich das Mutterhaus beruft, beide Arzneimittel einzustufen, die derzeit als "Pille danach" in Deutschland zugelassen sind.
In einem Punkt hat sich freilich nichts geändert: Geht es nicht um eine Gewalttat, sondern etwa um einen "Unfall" wie ein geplatztes Kondom oder eine vergessene Pille, dann werden in katholischen Krankenhäusern auch weiterhin keine Rezepte ausgestellt. Aber genau das ist, wie Pro Familia betont, der weitaus häufigere Fall. Um bei eventuellen "Verhütungspannen" gewappnet zu sein, empfehlen die Aufklärungs-Experten, die Möglichkeiten des benachbarten Luxemburg zu nutzen und sich die "Pille danach" quasi als Notvorrat ins heimische Arzneimittelschränkchen zu legen. Immerhin, versichert Ute Keiber-Schon, sei das Präparat vier Jahre lang wirksam.

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