Abschied aus dem Reichstag

Trier/Berlin · Bis zur Bundestagswahl sind es zwar noch zwölf Wochen. Doch für viele Abgeordnete ist die Zeit des Abschiednehmens gekommen. Heute ist die letzte reguläre Sitzung des Bundestags. Kurz vor der Wahl trifft sich das Plenum dann noch einmal zu einer Sondersitzung.

Trier/Berlin. Wer wissen möchte, wie der gewöhnliche Arbeitstag eines Bundestagsabgeordneten aussieht, muss nur auf dessen Internetseite nachschauen. "Ein Dienstag in Berlin", heißt es beispielsweise beim Trierer SPD-Parlamentarier Manfred Nink, der Neugierigen einen Blick in seinen Kalender gewährt. "Es ist kein fiktiver Tag", erläutert Nink, "sondern ein Dienstag, wie er sich wirklich ereignet hat." So ähnlich wie Manfred Nink halten es auch die meisten anderen Bundestagsabgeordneten. Der Arzfelder CDU-Mann Patrick Schnieder etwa listet auf seiner Internetseite unter der Rubrik Terminübersicht immer die komplette aktuelle Woche auf, Wochenende inklusive.
Angesichts der Menge an Terminen und der Uhrzeiten werden wohl nur wenige die Politiker um ihren Job beneiden, den sie natürlich aus freien Stücken gewählt haben. Wahrscheinlich ist dies der Hauptgrund, warum die Herren Schnieder, Nink und all die anderen ihre Kalender bereitwillig vorzeigen. Das Vorurteil vom faulen und nur auf den eigenen Vorteil bedachten Politiker ist da nur schwer aufrechtzuerhalten.
Für Manfred Nink und den Liberalen Edmund Geisen hat der Terminstress allerdings bald ein Ende. Mit dieser Legislaturperiode scheiden die beiden Politiker mit Anfang 60 aus dem Bundestag aus: der Sozialdemokrat nach vier, der FDPler nach acht Jahren. Zuvor saßen beide allerdings schon als Abgeordnete im Mainzer Landtag.
Nink und Geisen scheiden freiwillig aus, so wie über 100 andere Bundestagsabgeordnete auch (siehe Extra), darunter so bekannte Namen wie Franz Müntefering, Heidemarie Wieczorek-Zeul (beide SPD) oder Michael Glos (CSU).
"Einerseits freue ich mich sehr, endlich mehr Zeit für Familie und Hobbys zu haben", sagt Geisen, "andererseits werde ich mich nicht ohne Tränen von meinen Kollegen und Mitarbeitern verabschieden." Die acht Jahre an der Spree seien die Krönung seines Berufslebens gewesen, resümiert der Eifeler Liberale. "Niemals zuvor habe ich so viele herausragende Erfahrungen gemacht und solche staatstragenden Entscheidungen mitberaten und mitgetroffen."
Zu seinen Erfolgen zählt der Dauner FDP-Mann seine parlamentarischen Initiativen zum Thema Welternährung, Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft und Zukunft der ländlichen Räume. Geisens politischer Kontrahent Nink ist besonders stolz darauf, mit dazu beigetragen zu haben, die Wasserprivatisierungspläne der Europäischen Union zu verhindern. Und er sei frustriert darüber, "dass in der Medienberichterstattung leider die Kanzlerin gelobt wird, obwohl die Bundesregierung die Brüsseler Pläne stets befürwortet hat".
Der 63-jährige Trierer Sozialdemokrat sagt, dass für ihn die Zeit in Berlin erst zu Ende ist, wenn die Wahlperiode beendet ist. "Für mich ist es selbstverständlich, dass ich bis zum letzten Tag Ansprechpartner für die Probleme und Anliegen der Menschen in der Region bin."
Für Manfred Nink und Edmund Geisen ist absehbar, dass die politischen Termine in ihren Kalendern von Woche zu Woche weniger werden. Bei einem Großteil ihrer Kollegen dagegen wird sich die parlamentarische Sommerpause kaum bemerkbar machen. Wer bei der Bundestagswahl wiedergewählt werden will, muss in der Ferienzeit daheim im Wahlkreis die Werbetrommel rühren.Extra

Bundestag ade! Von den 620 Abgeordneten scheiden über 120 Parlamentarier mit Ablauf der Legislaturperiode freiwillig aus dem Deutschen Bundestag aus. Überproportional viele Politiker - mehr als 30 - treten bei den Liberalen nicht mehr an. Bei den Grünen gehen nur fünf von 68 Abgeordneten nicht mehr an den Start. CDU: 38 von 237 scheiden aus, SPD: 33 von 146; Linke: 12 von 75. sey

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