Schwarz-Gelb in Hessen abgewählt - Linke Mehrheit - FDP raus

Wiesbaden · Schwarz-Gelb neben dem Bund auch in Hessen am Ende: Die CDU wird stärkste Partei, ihre Koalitionspartner FDP erlebt allerdings ein Debakel. Rot-Grün schafft den Machtwechsel allerdings nur mit der Linken.

 Diese beiden Poliktiker hoffen in Hessen auf den Sieg: Volker Bouffier (rechts) und Thorsten Schäfer-Gümbel. Foto: Boris Roessler

Diese beiden Poliktiker hoffen in Hessen auf den Sieg: Volker Bouffier (rechts) und Thorsten Schäfer-Gümbel. Foto: Boris Roessler

Schwarz-Gelb abgewählt, Rot-Rot-Grün möglich, aber wenig wahrscheinlich: Nach der Landtagswahl steht Hessen vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die CDU wird ersten Hochrechnungen zufolge stärkste Partei, die bisher mitregierende FDP erlebt jedoch ein Debakel und fliegt aus dem Parlament. Die SPD, die 2009 in ihrer einstigen Hochburg auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis abgesackt war, legt kräftig zu. Für einen Machtwechsel braucht Rot-Grün nach den ersten Zahlen jedoch die Linken.

SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel hatte Rot-Rot-Grün im Vorfeld „politisch“ ausgeschlossen, „formal“ jedoch nicht und sich somit ein Hintertürchen offengelassen. CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier verlangte von seinem Widersacher im Wahlkampf vergeblich ein „Ehrenwort“, nicht mit der Linken zu koalieren. Rechnerisch möglich ist auch eine große Koalition.

Den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF zufolge kam die CDU auf 38,9 bis 39,5 Prozent und legte damit etwa 2 Punkte zu (2009: 37,2). Die FDP brach nach ihrem Spitzenergebnis 2009 (16,2) um mehr als 11 Punkte auf 4,8 Prozent ein - das ist das zweitschlechteste Ergebnis der Liberalen in Hessen in der Nachkriegsgeschichte. Die SPD verbesserte sich um rund 7 Punkte auf 30,9 bis 31,3 Prozent (2009: 23,7). Die Grünen lagen mit 10,4 Prozent rund 3 Punkte unter ihrem damaligen Rekordergebnis (13,7). Die Linke erreicht 5,4 bis 6 Prozent (2009: 5,4). Die erstmals angetretene eurokritische AfD scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde.

Die Sitzverteilung sieht demnach so aus: CDU 50 (2009: 46 Mandate), SPD 39 bis 40 (29), Grüne 13 (17), Linke 7 bis 8 (6). Der Wiesbadener Landtag umfasst regulär 110 Sitze, es kann aber Überhang- und Ausgleichsmandate geben.

CDU-Fraktionschef Christean Wagner sieht im Ausgang der Wahl einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung. Die Union sei eindeutig stärkste Kraft im Land, „das ist ein klarer Auftrag für Volker Bouffier.“ Einen Auftrag für Rot-Grün gebe es nicht. Auch die SPD sieht sich als Wahlsieger. „Mit der hessischen SPD muss gerechnet werden in den nächsten Wochen“, sagte SPD-Generalsekretär Michael Roth. FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn sprach von einem „sehr bitteren Abend für die FDP sowohl in Hessen als auch im Bund“. „Die hessische FDP wird es weiter geben“, betonte er.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Mathias Wagner, zeigte sich enttäuscht: „Wir hätten gern mehr zu einem Regierungswechsel beigetragen.“ Die Linke zeigte sich erleichtert, wieder im Landtag zu sein.

Schäfer-Gümbel (43) galt nach dem Debakel um die gescheiterte Regierungsbildung seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti 2008 zunächst eher als Notnagel denn als Hoffnungsträger. Er reifte jedoch zu einem selbstbewussten Fraktionschef, der die zerstrittenen Parteiflügel nach dem tiefen Fall einte und die SPD nun zu einem Comeback führte.

Ypsilanti war 2008 mit dem Versuch gescheitert, sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Vier Abweichler ließen die Wahl damals platzen. Daraufhin stürzte die Partei bei der vorgezogenen Landtagswahl 2009 in ihrer einstigen Hochburg auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis ab.

Bouffier (61) - viele Jahre Innenminister in Hessen - war 2010 als Nachfolger Roland Kochs zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Der CDU-Bundesvize legte sich im eher müden Wahlkampf, in dem er auf die gute wirtschaftliche Lage Hessens und die Popularität von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte, klar auf ein schwarz-gelbes Bündnis fest. Kurz vor der Wahl leistete er sich eine Stolperer, als er eine Koalition mit der AfD zunächst nicht ausschloss - und dann doch.

Nach einer ersten Analyse der Forschungsgruppe Wahlen ist das Wahlergebnis in Hessen auch auf die schwache Leistungsbilanz der schwarz-gelben Landesregierung zurückzuführen. „Daneben ist auch ein relativ schwacher CDU-Spitzenkandidat sowie ein gegenüber 2009 deutlich gestärkter SPD-Spitzenkandidat maßgeblich für das Ergebnis verantwortlich“, berichteten die Wahlforscher am Sonntagabend.

Zu einer Wahlpanne kam es in Kassel: Im Wahlbezirk 4 kreuzten 300 Wähler Wahlscheine für den Bezirk 3 an, wie Hans-Jochem Weikert von der Stadtverwaltung bestätigte. Damit sind laut Wahlgesetz die Erststimmen ungültig, die Zweitstimmen aber zählen. „Dies könnte die Wahl entscheiden“, sagte Weikert dem Hessischen Rundfunk.

Wahlberechtigt waren 4,4 Millionen Hessen. Der alte Landtag wird auf jeden Fall noch bis Mitte Januar 2014 im Amt bleiben. Erst dann endet die Legislaturperiode.

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