Wenn die Straße zur Rennstrecke wird

Prüm · Auf den Straßen im Dienstbezirk der Polizeiinspektion Prüm sind 2013 fast doppelt so viele Menschen gestorben wie im Jahr davor. Hauptursache für viele Unfälle mit Verletzten oder Toten: zu hohe Geschwindigkeit.

 Kontrolle ist besser: Mit Hilfe von Radargeräten will die Polizei der Raserei entgegenwirken.TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Kontrolle ist besser: Mit Hilfe von Radargeräten will die Polizei der Raserei entgegenwirken.TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Prüm. "Die Geschwindigkeit bleibt Thema Nummer Eins bei uns", sagt Christoph Cremer, Chef der Polizeiinspektion Prüm. "Es ist zum Teil erschreckend, was da gefahren wird."
Die Beamten der Prümer Inspektion sind zuständig für die Verbandsgemeinden Arzfeld, Obere Kyll und Prüm sowie für den A 60-Abschnitt zwischen der Ausfahrt Waxweiler und der Grenze zu Belgien. Von den insgesamt 1427 verzeichneten Unfällen auf den Straßen im Dienstbezirk seien 195 auf überhöhtes Tempo der Autofahrer zurückzuführen, sagt Cremer. Vor allem auf der Bundesstraße 51 zwischen Prüm und Stadtkyll werde immer wieder hemmungslos gerast, wie die Beamten bei ihren Kontrollen feststellen: "Geschwindigkeiten weit jenseits der 150 sind da gängig. Und da drücke ich mich noch vorsichtig aus."Fahranfänger weiter gefährdet


Junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren bleiben besonders gefährdet: Sie waren an 351 Unfällen beteiligt, ein starker Anstieg gegenüber 2012 (262, siehe Extra).
Zu hohes Tempo: Das war auch die Hauptursache für die Unfälle, bei denen die meisten Menschen zu Schaden kamen. Es gab 104 Verletzte infolge zu schnellen Fahrens, von 195 verletzten Verkehrsteilnehmern insgesamt.
Sieben Menschen kamen ums Leben - genau genommen sogar acht (2012 waren es vier). Aber der tödliche Sturz einer jungen Frau beim Raderlebnistag im September gehe nicht in die Statistik ein, sagt Cremer, weil - deutsche Bürokratie - an diesem Tag die Straße für den Verkehr gesperrt war. Also zählt das Unglück nicht als Verkehrsunfall.
Sieben Tote gegenüber vier im Vorjahr - eine Steigerung um 75 Prozent. "Das ist immer sehr schlimm", sagt Cremer. "Aber da hat man wenig Einfluss drauf." Betrachte man aber die Ursachen, spiele ebenfalls wieder das Tempo eine Rolle: Fünf Menschen starben, weil zu schnell gefahren wurde.
Auch auf der A 60 - und zwar dort, wo sie nur Autobahn heißt, ohne eine zu sein - kamen wieder Menschen ums Leben: Ein LKW und ein Privatwagen gerieten auf die Gegenfahrbahn und stießen mit anderen Autos zusammen, auf dem nicht ausgebauten Abschnitt zwischen Prüm und Belgien. "Tempolimit, durchgezogene Linie - das ist alles da", sagt Cremer. Nur hielten sich eben viele Fahrer nicht daran. Wäre die Strecke vierspurig ausgebaut und mit einer Mittelplanke versehen, hätten diese Unfälle glimpflicher ausgehen können, sagt er. Aber der Ausbau steht weiterhin nicht im Plan der Bundesregierung.
Wo vielleicht keine Menschen zu Schaden kamen, waren es dann vor allem Tiere: Nach wie vor verzeichnet die Polizei in den waldreichen Gebieten ihres Bezirks viele Wildunfälle: 567 waren es voriges Jahr (2012: 597). "Prüm heißt nicht umsonst Waldstadt", sagt Cremer. "Und das Wild hält sich nun mal nicht an unsere Vorschriften. Es gibt Tage, da komme ich morgens zum Dienst, und es sind schon fünf, sechs Wildunfälle passiert."
Trotz der vielen schweren und tödlichen Ereignisse: Einen bestimmten Unfallschwerpunkt gibt es nicht. "Das verteilt sich im gesamten Dienstbezirk", sagt Christoph Cremer.
Ein solcher Schwerpunkt, die Auffahrt zur B 51 bei Olzheim, wurde vor Jahren durch eine neue Verkehrsführung und einen längeren Beschleunigungsstreifen entschärft. Seitdem ging dort die Zahl der Unfälle zurück.
Die Beamten werden nun noch schärfer gegen Raser vorgehen: Die Kontrollen wolle man verstärken, auch mit einem neuen Verfahren, bei dem man mehrere Spuren überwachen könne. An die Vernunft zu appellieren, sagt Cremer, "das funktioniert beim einen oder anderen. Aber bei der großen Masse hilft das wenig. Was bleibt, sind Sanktionen - es geht an den Geldbeutel."Meinung

Das Wild und die Wilden
Das Wild, sagt der Prümer Inspektionsleiter Christoph Cremer, halte sich nicht an menschliche Verkehrsvorschriften - daher die vielen Unfälle mit Fuchs und Hase, Wildschwein, Dachs und Reh. Die Statistik der Prümer Polizei zeigt leider: In fast 200 Fällen sind die Regeln auch dem Zweibeiner hinterm Steuer egal. Er rast weiter. Und das wird sich wohl ohne verschärfte Kontrollen nicht bessern lassen - übrigens auch auf der zwischen Prüm und belgischer Grenze nur behaupteten "Autobahn" A 60. Denn auch wenn der Ausbau dort wohl in diesem Jahrzehnt nicht mehr erfolgen wird: Die Straße ist nicht verantwortlich für die Unfälle. fp.linden@volksfreund.deExtra

Im abgelaufenen Jahr passierten im Dienstbezirk der Inspektion Prüm 1427 Verkehrsunfälle, das sind 23 mehr als 2012. In beiden vergangenen Jahren aber stieg die Zahl der Unfälle - nach dem bisherigen Tiefstand 2011 (1384). Die meisten ereigneten sich auf freier Strecke (827), innerhalb geschlossener Ortschaften waren es 521 - 61 mehr als 2012. Auf der A 60 waren es 78 Unfälle. Sieben Menschen starben, 195 wurden verletzt, 63 von ihnen schwer. Auffällig ist die überhöhte Geschwindigkeit als Ursache bei 195 Unfällen. Die Zahl der Unfallfahrer, die unter Alkohol oder anderen Drogen standen, ging leicht zurück, von 38 auf 34. Während junge Erwachsene an 351 Unfällen beteiligt waren, liegt die Zahl der verunglückten Verkehrsteilnehmer ab 65 Jahren deutlich darunter: Menschen aus dieser Altersgruppe waren an 162 Unfällen beteiligt. Zu den Risikogruppen gehören nach wie vor auch die Motorradfahrer: 40 verunglückten, zwei kamen ums Leben. Fazit der Polizei: Mehr als die Hälfte der verletzten oder getöteten Verkehrsteilnehmer ist auf Unfälle infolge überhöhter Geschwindigkeit zurückzuführen. Also werde man mehr kontrollieren. Junge Menschen sollen vor allem durch vorbeugende Initiativen, durch Information und Schulungen, auf die Gefahren im Verkehr hingewiesen werden. fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort