Teilweise eingleisig, steil und ohne Strom

Trier/Gerolstein · Unrealistisch und viel zu teuer. So beurteilen unabhängige Experten einen Ausbau der Eifelstrecke, um dort mehr Güterzüge rollen zu lassen. Das Land hält offiziell dennoch diese Option offen. Die Maßnahme ist zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet.

 Wird ab Montag vorerst nicht mehr befahren: die Eisenbahnbrücke in St. Thomas. Ursache sind Bauarbeiten auf der Eifelstrecke. Tv-Foto: Rudolf Höser

Wird ab Montag vorerst nicht mehr befahren: die Eisenbahnbrücke in St. Thomas. Ursache sind Bauarbeiten auf der Eifelstrecke. Tv-Foto: Rudolf Höser

Bernd Heinrichsmayer, Betriebsleiter der Hunsrückbahn, lebt in Trier. Mit Interesse verfolgt er auch deshalb derzeit die Diskussionen in den Ortsbeiräten der Stadt, die sich mit der Reaktivierung der Bahn-Westtrasse befassen. Geprägt sind diese von der Sorge, dass die neue Regionalbahn nach Luxemburg, die dort ab Dezember 2018 im Halbstundentakt fahren soll, auch mehr lauten Güterzugverkehr zur Folge haben könnte.

"Wie da diskutiert wird, ist erschreckend", sagt Heinrichsmeyer. "Da werden mit Wissensfragmenten und falschen Argumentationsketten Ratsenscheidungen getroffen." Die Angst vor deutlich mehr Güterzügen auf der Eifelstrecke für unbegründet und stellt eine Rechnung auf: "Die 170 Kilometer lange Strecke von Trier-Ehrang nach Köln-Eifeltor zu elektrifizieren kostet einen mittleren neunstelligen Betrag. Aber das bringt noch nichts, denn die eingleisigen Abschnitte müssten wieder zweigleisig werden. Da kommt dann mindest der gleiche Betrag oben drauf, eher deutlich mehr, da Brücken und Tunnel wieder hergerichtet oder neu gebaut werden müssten."

Inklusive der notwendigen Erneuerung von Signaltechnik, Nebengleisen und Bahnübergängen addiert sich nach Schätzung von Bernd Heinrichsmeyer die notwendige Gesamtinvestitionssumme bis zu einem Milliardenbetrag. Und selbst dann wäre die Strecke nach seiner Meinung noch in Teilen so steil, dass moderne Elektrozüge höchstens die Hälfte bis zwei Drittel von dem transportieren könnten, was über die flache Rheinschiene möglich sei. "Welcher Eisenbahnverkehrsunternehmer würde dorthin planmäßig Züge schicken?" Seine Einschätzungen entsprechen weitgehend denen von Jürgen Berg. Das Ortsbeiratsmitglied aus Trier-Ehrang hat beruflich ebenfalls mit Bahnprojekten zu tun.

Die Landesregierung kommentiert solche Zahlen offiziell nicht. Zwar gilt auch unter Experten in Regierungskreisen ein umfassender Ausbau der Eifelstrecke als schwer umsetzbar. Da es aber erklärter politischer Wille ist, die Menschen in der Rheinebene vom Verkehrslärm zu entlasten, hat das Land den Ausbau aller möglichen Entlastungsstrecken sowie eine komplett neue Ersatzstrecke beim Bund als Projekte angemeldet. Joachim Winkler, Sprecher des Verkehrsministeriums: "Das Land setzt zur Entlastung der Rheinstrecke vom Güterverkehr auf den Bau einer alternativen Güterzugstrecke. Als Alternative kommen die Strecken Köln-Gerolstein-Trier, Köln-Siegen-Gießen-Frankfurt sowie Hagen-Siegen-Gießen in8frage. Den Ausbau der ersten beiden Projekte hat die Landesregierung ebenfalls zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet."

70 Güterzüge rollen derzeit nach Angaben der Deutschen Bahn täglich auf der linken Seite des Rheines. 180 Güterzüge sind es auf der anderen Seite des Flusses. "Wir planen derzeit keine Verlagerung auf die Eifelstrecke", sagt eine Sprecherin der für das Schienennetz verantwortlichen DB Netz AG.

Jutta Blatzheim-Rögler, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, verweist auf den von allen Fraktionen befürworteten Entschließlungsantrag zur Entlastung der Rheinschiene aus dem Jahr 2012. "Die Strecke in der Eifel muss nicht komplett zweigleisig sein, um zumindest eine Entlastung des Rheintales vom Güterverkehr hinzubekommen", ist sie überzeugt. Sie freue sich aber vor allem darüber, dass im Rahmen des Rheinland-Pfalz-Taktes 2015 mehr Personenzüge durch die Eifel fahren und die Weststrecke in Trier reaktiviert würden.

Zu der hat auch Hunsrückbahn-Betriebsleiter Bernd Heinrichsmeyer eine dezidierte Meinung: "Diese Strecke war nie stillgelegt, und das war auch nie geplant. Da könnten schon heute Güterzüge rund um die Uhr fahren, wenn ein Bedarf da wäre. Wenn man glaubt, durch die Verhinderung einer Regionalbahn verhindere man Güterverkehr, dann ist man einfach naiv."

Er unterstützt damit die Haltung der Trierer Stadtverwaltung, die intensiv für den vom Land mit 19 Millionen Euro finanzierten Ausbau der Weststrecke wirbt. Verkehrsdezernentin Simone Kaes-Torchiani fasst dies deutlich in Worte: "Die herumwabernden Meinungen und Behauptungen, die Reaktivierung der Trierer Bahn-Weststrecke würde zu mehr Güterverkehr und damit einer größeren Lärmbelastung der Anwohner führen, ist völliger Unsinn." Eher werde das Gegenteil der Fall sein: Die Nutzung der Gleise durch Personenzüge werde die Zeitfenster für Güterverkehr dort deutlich einschränken.

Diese Einschätzung wird auch vonseiten der Bahn geteilt: "Je mehr Personenzüge fahren, desto weniger Güterzüge können unterwegs sein", so ein Pressesprecher. Verkehrsdezernentin Kaes-Torchiani rechnet für die Menschen im Westen Triers trotz regelmäßigen Bahnverkehrs ab 2018 mit weniger Lärm, "weil Personenzüge um ein Vielfaches leiser sind als Güterzüge".

Moderne Technik soll zudem dafür sorgen, dass die Lärmbelastung für alle Anwohner von Bahnstrecken abnimmt. Denn die Deutsche Bahn hat sich dazu verpflichtet, die Lärmbelastung durch alle Züge bis zum Jahr 2020 zu halbieren.Extra: Resolution

Die Angst vor mehr Lärm durch Güterverkehr beschäftigt auch die Menschen in der Eifel. Nach der Ankündigung von Bund und Land, das Rheintal zu entlasten, wächst der Widerstand gegen eine mögliche Verlagerung auf die Eifelstrecke. Der Ortsbeirat Bitburg-Erdorf hat unter Federführung von Ortsvorsteher Werner Becker bereits im Sommer 2013 eine Resolution gegen den Ausbau der Eifelstrecke verabschiedet. "An dieser Meinung hat sich auch ein halbes Jahr später nichts geändert", sagt Becker im Gespräch mit dem TV. Bereits jetzt sei Erdorf durch die Bundesstraße 257 stark mit Verkehr belastet. Zusätzlicher Güterverkehr würden noch mehr wartende Autos vor dem Bahnübergang bedeuten. Mehr Lärm und mehr Abgase würden die Lebensqualität der Erdorfer und anderer Kylltalgemeinden erheblich beeinträchtigen.

Die Stadt Bitburg hat die Initiative zur Kenntnis genommen. Vonseiten der Kreisverwaltung wird zwar Verständnis für die Sorgen der Menschen signalisiert. Da der Eifelkreis allerdings seit Jahren für einen Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke kämpft, kommen von dort keine Signale, die dieses Ziel infrage stellen könnte.
Erdorfs Ortsvorsteher Werner Becker will nicht missverstanden werden: "Wir sind nicht gegen die Aufwertung der Eifelstrecke. Wir sind gegen mehr Güterverkehr." Andere Gemeinden hätten sich bislang nicht der Resolution angeschlossen. r.n.
Extra: DB Netz AG

Die DB Netz AG, Sitz in Frankfurt am Main, ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG. Sie betreibt 87,5 Prozent des deutschen Schienennetzes.

Die wichtigsten Zahlen:
Mitarbeiter: 35.250
Betriebslänge: 33.319 Kilometer
Gleise: 61.260 Kilometer
Eisenbahnbrücken: 24.937
Bahnübergänge: 14.062
Tunnel: 692
Stellwerke: 3392 r.n.
Meinung

Weichen gestellt

Rainer Neubert

Züge machen Lärm. Ohne Zweifel. Kein Wunder also, wenn Anlieger einer Bahnstrecke dagegen protestieren, wenn neben ihren Häusern mehr Züge über die Gleise rollen. Dennoch dürfen Panikmache und unsachliche Argumente nicht dazu führen, dass ein sinnvolles Projekt wie die Aktivierung der Weststrecke in Trier für eine attraktive Regionalbahnverbindung nach Luxemburg scheitert.

134.000 Autos fahren derzeit in Trier und im Kreis Trier-Saarburg. 295.000 sind es im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirkes. Tägliche Staus, Lärm und Ärger sind an der Tagesordnung. Nach Schätzungen des Bundes steigt der motorisierte Individualverkehr bis zum Jahr 2025 um 16 Prozent. Das wären alleine in Trier und Trier-Saarburg mehr als 21.000 Autos zusätzlich. Eine Horrorvorstellung für Menschen in der Stadt und für alle, die hierher kommen, um zu arbeiten oder einzukaufen. Je mehr Pendler und Reisende die Regionalbahn nutzen, desto geringer werden Lärm, Abgase und Chaos auf den Straßen.

Die Angst vor mehr Güterverkehr ist berechtigt. Aber jeder Personenzug mehr verhindert mehr Güterzüge. Und die Eifelstrecke? Auch wenn das Land deren Ausbau als eine von drei Optionen nennt, um das Rheintal zu entlasten. Es ist kaum zu erwarten, dass der Bund Hunderte Millionen Euro investiert, um eine Güterzugstrecke aktivieren, die dann noch immer zu steil ist, um dort lange und schwere Züge fahren zu lassen.

Als die französische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg das zweite Gleis im Südteil der Eifelstrecke abbauen ließ, hat sie tatsächlich die Weichen für die Zukunft gestellt: Die Zahl der Güterzüge wird hier begrenzt bleiben.

r.neubert@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort