"Einkaufen in Luxemburg bleibt sehr attraktiv"

Trier · Luxemburg steht vor einem Strukturwandel und muss modernisiert werden. Wie das gehen soll, sagt Premierminister Xavier Bettel im TV-Interview. Die größte Herausforderung sei die Sanierung des Staatshaushaltes.

Eine hohe Staatsverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit. Das sind die Herausforderungen, vor denen Luxemburg steht. "Wir werden etwas dagegen unternehmen müssen", sagt Premierminister Xavier Bettel im TV-Interview. Das Gespräch führte unser Redakteur Bernd Wientjes.

Herr Bettel, Sie sind seit Dezember Premierminister. Was hat sich seitdem für Sie verändert?
Xavier Bettel: Es ist eine Ehre und auch eine große Herausforderung, an der Spitze der Regierung zu stehen. Wir haben ein sehr ehrgeiziges Regierungsprogramm als Grundlage für diese Legislaturperiode, und wir wollen und dürfen keine Zeit verlieren. Luxemburg hat strukturelle Probleme, es gilt, die Wirtschaft anzukurbeln, neue Tätigkeitsfelder zu betreten und das Land zu modernisieren. Das treibt mich auch persönlich an. Ich bin höchst motiviert und investiere meine ganze Energie in dieses Vorhaben.

Was haben Sie und Ihre liberal-sozialistisch-grüne Regierungsmannschaft schon erreicht? Was würden Sie als Erfolg bezeichnen?
Bettel: Wir sind nun fünf Monate im Amt und haben in der Zeit einen neuen Haushalt ausgearbeitet, wobei wir allein für das laufende Jahr über 231 Millionen Euro eingespart haben. Das ist bereits ein Erfolg. Ein weiterer Haushaltsentwurf wurde parallel ausgearbeitet - und es sollen weitere Einsparungen erfolgen. Dar-über hinaus haben wir einen Politikwechsel vollzogen. Es wird viel miteinander geredet - in den Ministerien, mit den Sozialpartnern, mit Interessengruppen und auch mit der Presse. Die Politik ist offener und nachvollziehbarer geworden.

Man hat den Eindruck, dass innerhalb der Regierung noch nicht so alles rund läuft. Stichworte: Personalquerelen im Finanzministerium, Diskussion über die Einführung einer Maut. Trügt der Eindruck?
Bettel: Ja, der Eindruck trügt. Es ist eine Konzentration auf einzelne Vorgänge und Personen, die mir unangemessen erscheint. Natürlich ist es nicht erfreulich, dass hohe Beamte das Finanzministerium verlassen, nachdem die politische Führung gewechselt hat. Allerdings kann man dem Minister in dieser Sache nichts vorwerfen. Herr Gramegna hat sein Ministerium in kürzester Zeit neu aufgestellt und zwar mit ausgezeichneten Personen auf Schlüsselposten. Andere kleinere Blitzlichtgewitter, wie eine angebliche Mautdiskussion oder Unklarheit bezüglich des Referendums über das Ausländerwahlrecht sind nicht vermeidbare Nebenerscheinungen einer politischen Diskussion. Wenn man möglichst transparent arbeitet und mit vielen Personen redet, riskiert man auch, dass das zu Unklarheiten führt. Das ist nicht wünschenswert, aber auch nicht sonderlich dramatisch.

Vor welchen besonderen Herausforderungen steht Luxemburg? Man hat den Eindruck, die Goldenen Zeiten, in denen Geld keine Rolle spielte, sind in Ihrem Land vorbei. Richtig?
Bettel: Ich würde nicht sagen, dass es je Zeiten gab, in denen Geld keine Rolle gespielt hat. Es ist aber richtig, dass wir eine Staatsverschuldung von über elf Milliarden Euro haben. Wenn wir nichts unternehmen, wird diese Verschuldung bis 2016 auf über 15 Milliarden Euro steigen. Dar-über hinaus liegt die Arbeitslosenrate stabil bei sieben Prozent. Das sind außergewöhnliche Zahlen für Luxemburg, und wir werden etwas dagegen unternehmen, weil wir etwas dagegen unternehmen müssen.

Wie wollen Sie diesen Herausforderungen begegnen?
Bettel: Wir werden den Haushalt sanieren, verschiedene Ausgaben überdenken, andere sozial gerechter gestalten und Einsparungen vornehmen, wo es notwendig und sinnvoll ist. Gleichzeitig wird Luxemburg aber auch weiterhin investieren, um unsere Zukunft abzusichern. Forschung und In-frarstruktur sind Bereiche, in denen die Investitionen weiter hochgehalten werden.

Sie planen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Auch hier bei uns haben viele Menschen Angst, dass in Luxemburg alles teurer wird, vor allem Sprit und Zigaretten ...
Bettel: Luxemburg wird weiterhin das Land mit der niedrigsten Mehrwertsteuer innerhalb der europäischen Union bleiben. Hinzu kommt, dass zwei Drittel der Produkte, die Sie im Supermarkt kaufen können, überhaupt nicht von der Erhöhung betroffen sind. Der vergünstigte Steuersatz auf Lebensmittel oder auf verschiedene Bekleidungswaren zum Beispiel bleibt unverändert. Sie werden sehen, dass Einkaufen in Luxemburg weiterhin sehr attraktiv bleibt.

Es führt also kein Weg an der Mehrwertsteuererhöhung vorbei?
Bettel: Es führt leider kein Weg daran vorbei. Wir werden einen Steuerausfall von geschätzten 800 Millionen Euro haben, weil die Einnahmen im elektronischen Handel aufgrund einer neuen europäischen Gesetzgebung wegfallen werden - dies muss zumindest zum Teil kompensiert werden.

Ihr Land gilt noch immer als Steuerparadies. Ein französischer Politiker wollte Luxemburg aus der EU werfen. Bleibt es dabei, dass im kommenden Jahr das Bankgeheimnis fällt?
Bettel: Luxemburg ist kein Steuerparadies, und ich kann nicht akzeptieren, dass man ein Land und seine Bevölkerung auf einen vermeintlichen Vorteil in Steuerfragen reduziert. Luxemburg hat in den letzten Jahren schrittweise das Bankgeheimnis abgeschafft, und am 1. Januar 2015 wird man in der Tat eine weitere wichtige Etappe hinter sich lassen. Der Bankensektor in Luxemburg ist bereit für eine neue Politik der Transparenz. Bereits seit einigen Jahren hat der Finanzplatz Luxemburg sich gewandelt, so dass wir heute europäischer Spitzenreiter sind, was beispielsweise die Investmentfonds betrifft. Darüber hinaus ist der Versicherungssektor stetig gewachsen, wir sind beispielsweise dabei, die Rechtslage anzupassen, um attraktiver für Fonds nach islamischem Recht zu werden.

Fürchten Sie nicht, dass durch den Wegfall des Bankgeheimnisses Arbeitsplätze bei Banken verloren gehen werden?
Bettel: Es wird wohl so sein, dass Arbeitsplätze in verschiedenen Bereichen wegfallen. Jedoch kann man auch damit rechnen, dass andere Bereiche sich weiterentwickeln und wachsen. Es ist übrigens auch so, dass die Zahl der Banken in Luxemburg nach einem Rückgang jetzt wieder steigt.

Stichwort Beschäftigung. Wie wird sich der Arbeitsmarkt in Luxemburg in den nächsten Jahren entwickeln? Bleibt Luxemburg weiter Jobmotor der Großregion?
Bettel: Das ist unser erklärtes Ziel, und wir sind auch darauf angewiesen. Unser Sozialsystem ist darauf aufgebaut, dass die Zahl der Erwerbstätigen hoch ist - und dazu gehören auch die zahlreichen Grenzgänger, die in Luxemburg arbeiten. Es gilt jedoch die Wirtschaft des Landes weiter zu diversifizieren. Wir brauchen beispielsweise unbedingt mehr Arbeitsplätze für Menschen mit keiner oder mit wenig Qualifikation. Auch deshalb wurde der Logistiksektor beispielsweise als Zukunftsbereich definiert. Und es wird viel Geld in Infrastruktur investiert.

Sie und Ihr Kabinett treffen heute die rheinland-pfälzischen Kollegen. Wie beurteilen Sie über solche Treffen hinaus die Zusammenarbeit mit Rheinland-Pfalz?
Bettel: Die Zusammenarbeit in der Großregion insgesamt bewerte ich als sehr freundschaftlich und auch zukunftsweisend. Ich habe Ministerpräsidentin Malu Dreyer und auch deren saarländische Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer relativ kurz nach meinem Amtsantritt treffen dürfen, und ich kann Ihnen sagen, dass die Chemie stimmt. Wir verstehen uns sehr gut und sind auch überzeugt, dass noch viel unausgeschöpftes Potenzial in der Großregion liegt.

Welche Potenziale sind das?
Bettel: Der Tourismusbereich ist absolut ausbaufähig, und wir sollten zusammen daran arbeiten, die Region noch besser nach außen zu verkaufen. So müssten wir es beispielsweise schaffen, dass die zahlreichen asiatischen Besucher, die nach Trier kommen, auch einen Tag in der Region bleiben und übernachten. Man hat die Möglichkeit, an einem Tag die älteste Stadt Deutschlands zu besuchen und abends in der schönsten Stadt Europas zu übernachten (lacht).

Ein großes Problem sind die Verkehrsverbindungen zwischen Deutschland und Luxemburg. Wie wollen Sie diese in den nächsten Jahren lösen?
Bettel: Es gibt tatsächlich Probleme, was die Verkehrsverbindungen in der Region betrifft. Im Zugverkehr gab es in den letzten Jahren förmlich eine Rückentwicklung, und das ist nicht gut für die Region. Wir werden hier zusammen agieren müssen, und das ist auch ein zentraler Punkt in den Gesprächen, die ich mit Frau Dreyer führe. Sie wissen, dass Luxemburg sich nicht verweigert, wenn es darum geht, sogar in Deutschland selbst in den Schienenverkehr zu investieren. Der Ausbau der Strecke Igel-Trier wird mit Luxemburger Beteiligung realisiert.

Was ist für Sie wichtiger: Gute Beziehungen zu Malu Dreyer oder zu Angela Merkel?
Bettel: Das ist für mich gleichermaßen wichtig. Ich habe Frau Dreyer kennenlernen dürfen, bevor ich meinen Antrittsbesuch in Berlin bei Angela Merkel hatte. Die Gespräche waren beide Male sehr angenehm und produktiv.

Ihr Vorgänger ging regelmäßig mit seinem Hund in Trier zum Tierarzt und wurde dort auch regelmäßig beim Samstagseinkauf gesehen. Wie halten Sie es? Sieht man Sie auch mitunter mal diesseits der Grenze zum Einkaufen oder zu privaten Besuchen?
Bettel: Ich habe keinen Hund, und für das Wochenendprogramm ist mein Lebenspartner zuständig - wenn ich denn nicht beruflich unterwegs sein muss. Aber ja natürlich, Trier ist eine wunderschöne Stadt mit einem reichen kulturellen Angebot, und ich werde bestimmt auch das eine oder andere Mal zu privaten Besuchen in Trier sein. wieZur Person: Xavier Bettel

Xavier Bettel (41) ist seit 4. Dezember 2013 Premierminister von Luxemburg. Zuvor war der Liberale Anwalt und Abgeordneter, bevor er Bürgermeister der Stadt Luxemburg wurde. Bettel bekennt sich zu seiner Homosexualität und lebt mit seinem Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Er ist Chef einer Regierungskoalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen. Wegen der Parteifarben wird das Dreier-Bündnis auch Gambia-Koalition genannt. Es löste die schwarz-rote Regierung ab, die von Jean-Claude Juncker geleitet wurde. Obwohl dessen CSV bei den vorgezogenen Wahlen als Sieger hervorging, reichte es nicht für eine Alleinregierung. Juncker musste die Regierungsbank räumen. wie

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