Für jedes Tor ein Glockenschlag

Speicher · Ein Pfarrer hat sich während der Fußball-Weltmeisterschaft über Tore der deutschen Nationalmannschaft gefreut und die Kirchenglocken geläutet. So geschehen in Speicher während des Achtelfinalspiels gegen Algerien. Das Bistum soll Pfarrer Leo Koch dafür gerügt haben. Der Geistliche und das Bistum dementieren.

 In diesem Kirchturm hängt die Glocke, mit der der Speicherer Pfarrer während der Fußball-Weltmeisterschaft geläutet hat. Das Bistum soll ihn dafür gerügt haben. Das wird von offizieller Seite jedoch dementiert.

In diesem Kirchturm hängt die Glocke, mit der der Speicherer Pfarrer während der Fußball-Weltmeisterschaft geläutet hat. Das Bistum soll ihn dafür gerügt haben. Das wird von offizieller Seite jedoch dementiert.

Foto: Sebastian Klipp

Es ist Montag, 22 Uhr in Speicher: 10.572 Kilometer weiter weg, im brasilianischen Porto Alegre, wird das WM-Achtelfinale Deutschland - Algerien angepfiffen. In Speicher haben sich zu dieser Zeit mehrere Hundert Fans zum Public-Viewing auf dem Marktplatz versammelt. Das Spiel beginnt schleppend und auch nach 90 Minuten sind keine Tore gefallen. Es gibt Verlängerung.
Kurz nach Wiederanpfiff passiert es: Thomas Müller spielt den Ball von links flach an den Fünfmeterraum. Dort drückt Schürrle den Ball mit der Hacke über die Torlinie. In Speicher bricht grenzenloser Jubel aus, die Kirchenglocken läuten. In der 120. Minute erhöht Mesut Özil auf 2:0. Wieder grenzenloser Jubel, wieder läuten die Glocken.

In den Spielen danach blieben die Glocken stumm. Einen Grund zum Läuten hätte es gegeben, neun Gründe sogar: gegen Frankreich - 1:0, Brasilien - 7:1, Argentinien - 1:0. Die deutsche Mannschaft trifft wie am Fließband und wird am Ende Weltmeister. Doch warum schwiegen die Glocken?
Zwei Wochen nach dem WM-Finale erreicht den TV ein Leserbrief. Ein Bürger aus Speicher will erfahren haben, dass das Bistum den Speicherer Pfarrer, Leo Koch, dafür gerügt hat. Die Begründung: Die Nachtruhe sei einzuhalten. Die beiden Treffer der deutschen Mannschaft sind tatsächlich relativ spät gefallen. Beim 1:0 war es gegen Algerien bereits nach Mitternacht. Das 2:0 fiel erst gegen 0.30 Uhr. Beim Bistum Trier will man von dem Vorfall gar nichts gewusst haben. Bistumssprecherin Judith Rupp widerspricht auf eine TV-Anfrage: "Weder liegt uns eine Beschwerde wegen des Läutens aus Anlass der Fußball-WM vor, noch gibt es vonseiten des Bistums ein Verbot in diese Richtung."
Nur postitive Rückmeldungen
Auch der Pfarrer selbst äußert sich: "Der Bischof hat gewiss Besseres zu tun, als dafür eine Rüge auszusprechen." Er habe aus der Bevölkerung nur positive Rückmeldungen bekommen. Für "Freud und Leid" seien die Glocken schließlich da.
Nach der Anfrage an das Bistum gerät die Recherche ins Stocken. Der TV erfährt aus kirchennahen Kreisen, dass das Bistum in dieser Angelegenheit ein Redeverbot erteilt haben soll, und dass sich dies bereits in Speicher rumgesprochen habe. Auch dem widerspricht Bistumssprecherin Rupp: "Es hat kein Gespräch mit Pfarrer Koch deswegen gegeben und auch Redeverbote haben wir nicht erteilt." Der Pfarrer bestätigt, dass nach der ersten TV-Anfrage Gespräche zwischen ihm und dem Bistum stattgefunden haben.
Auf einzelne Nachfragen reagiert der Geistliche abweisend, mit dem Hinweis, dass das Bistum bereits Auskunft erteilt habe. In Speicher hüllt man sich seitdem jedenfalls in Schweigen, ganz ähnlich wie die Kirchenglocken.
Wenn auch bei Ihnen die Glocken zu ungewöhnlichen Uhrzeiten während der Fußball-WM geläutet haben, schreiben Sie uns:
echo@volksfreund.de
Meinung: Lasst die Posse im Theater

Mein Gott, da freut sich ein Pfarrer und lässt die Glocken läuten. Außer der Reihe, während eines Fußballspiels. Den Leuten in Speicher hat's gefallen; zu Recht. Da ist doch nichts dabei! Wenn sich ein Geistlicher mal mit den Menschen freut, steht das der Kirche am Ende doch auch gut zu Gesicht. Ein Pfarrer ist schließlich auch nur ein Mensch und ein großer Fußballfan. Wenn nebenan auf dem Marktplatz sowieso Hunderte Fans vor der Großleinwand jubeln und im Autokorso hupend durch die Straßen ziehen, kann sich doch am Läuten niemand stören. Die Geheimniskrämerei ist letztlich nur noch als Posse zu bezeichnen, in dem der Pfarrer unfreiwillig zum Protagonisten wird. Schade, dass die Glocken letztlich schwiegen. Der 7:1-Sieg über Brasilien hätte sich sicher klasse angehört.
s.klipp@volksfreund.de

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