Mit Sachverstand und Schneidbrenner

Trier · Unliebsamen Besuch zur Nachtzeit hatten von Ende 2012 bis Anfang 2014 zahlreiche Bankfilialen in der Region. Etwa im Quartalsabstand brachen Unbekannte in die Räume ein und räumten die Geldautomaten leer. Einer der mutmaßlichen Täter muss sich seit Montag vor dem Landgericht Trier verantworten. Sein möglicher Komplize ist tot.

Trier. Wie das Mitglied einer professionellen "Panzerknackerbande" wirkt der schmächtige Angeklagte G. nicht, der da auf der Anklagebank der Dritten Großen Strafkammer sitzt. Der in Dreieich bei Frankfurt geborene und aufgewachsene Kroate hatte bis Mitte 30 ein unauffälliges Leben geführt, war dann aber durch Geldnot auf die schiefe Bahn geraten.
Es ist keiner, der Geldautomaten in die Luft sprengt oder mit vorgespannten Autos aus der Wand reißt, um an den Inhalt zu kommen. Schnell stellt sich heraus, dass der 39-Jährige viel Ahnung von Technik hat. Er ist gelernter KFZ-Mechaniker mit Zusatzkenntnissen in Elektrotechnik, Feinmechanik und Kältetechnik. Dieses Fachwissen soll er laut Anklageschrift von Staatsanwalt Arnold Schomer über ein Jahr lang gezielt eingesetzt haben, um Bankautomaten zu knacken. Fünfmal seien G. und der Komplize M. dabei erfolgreich gewesen - in weiteren vier Fällen hätten sie den Versuch abgebrochen. Tatobjekte seien stets dörfliche Bankfilialen in den Kreisen Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich und Bitburg-Prüm gewesen.
Der erste Coup soll auch der einträglichste gewesen sein: Beim Einbruch in eine Bankfiliale in Thomm (Verbandsgemeinde Ruwer) soll das Duo gleich 116 000 Euro Bargeld erbeutet haben. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurde die Arbeitsweise jeweils den örtlichen Gegebenheiten angepasst, aber das Grundmuster blieb gleich: Möglichst leiser Einstieg durch Fenster oder über Dächer in die Bankräume. In einigen Fällen setzte man zuvor sogar gekonnt die "lästige" Straßenbeleuchtung außer Gefecht.
Am Tatort galt die erste Aufmerksamkeit der Alarmanlage, die geschickt stillgelegt werden musste - und schwarzer Lack aus der Sprühdose machte die Überwachungskameras blind. Nun musste noch die Verbindung vom Geldautomaten zum Rechnernetz der Bank gekappt werden, dann war der Weg frei für den "robusteren Teil" der Aktion: Mit hydraulischem Schneidwerkzeug und Schneidbrenner wurde der Automat zerlegt, bis er den Inhalt freigab.
Der reine Sachschaden lag regelmäßig im vierstelligen Bereich - einmal aber auch bei rund 30 000 Euro. Rund 70 000 Euro soll das Duo am 6. Februar beim letzten Einbruch in die Sparkassenfiliale Pluwig erbeutet haben. Doch diesmal währte die Freude nicht lange - noch in der Nacht klickten die Handschellen.
Angesichts der zahlreichen Einzeltaten ist beim Prozessauftakt am Montag ein langwieriges Verfahren zu erwarten. Doch auf Vorschlag vom Vorsitzenden Richter Armin Hardt einigen sich Staatsanwalt Schomer, Verteidiger Miroslav Lucic aus Frankfurt und das Gericht auf folgende Absprache: Das Verfahren wird auf den letzten Tatkomplex in Pluwig beschränkt - alle andern Fälle werden eingestellt. Der Angeklagte ist bereit, über die Tat von Pluwig ein volles Geständnis abzulegen. Im Gegenzug erhält er die Garantie, zu nicht mehr als sechs Jahren Haft verurteilt zu werden. f.k.

Die Verhandlung wird am Mittwoch, 6. August, 9 Uhr, fortgesetzt.
Extra

Selbstmord des Komplizen: Ursprünglich hätten zwei Tatverdächtige vor der Dritten Großen Kammer des Landgerichts stehen müssen: Der Angeklagte G. und sein Komplize M. Doch M. hat sich am 6. April 2014, genau zwei Monate nach seiner Festnahme, in der Trierer Untersuchungshaft das Leben genommen. Dazu Verteidiger Miroslav Lucic auf Frage des TV: "Niemand kennt den Grund. Er hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen." f.k.

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