Patientin kämpft für Aufklärung über Krankheit

Trier/Schweich · An Corinna Hansen-Krewers Armen und Beinen häuft sich krankhaft verändertes Fettgewebe. Die 30-Jährige leidet an Lipödem. Mit einer aufsehenerregenden Kampagne kämpft die Fotografin dafür, dass das Thema bekannter wird und Krankenkassen die schmerzlindernde Operation bezahlen.

Trier/Schweich. Hosen und Pullover verstecken in der Regel, was andere Menschen nicht sehen sollen: dicke, manchmal wulstige Arme und Beine. Neun Frauen haben vor der Kamera der nebenberuflichen Fotografin und selbst betroffenen Corinna Hansen-Krewer einige Hüllen fallen lassen. Was auf den ersten Blick wie Fettleibigkeit aussieht, ist keine.Fast nur Frauen betroffen

"Das Lipödem ist eine chronisch fortschreitende Krankheit, von der fast ausschließlich Frauen betroffen sind", sagt Hansen-Krewer. Dabei häuft sich Fettgewebe an Beinen und Oberschenkeln, oft auch an den Armen.Die Wahl-Schweicherin leidet seit zehn Jahren an der Krankheit, die Schmerzen verursacht und das Leben stark einschränkt. "Essen Sie doch einfach weniger! Machen Sie Sport", hat die Lipödem-Patientin schon oft gehört. Doch was laut Hansen-Krewer selbst Ärzte oft nicht wissen: Diäten oder Sport können die Fettvermehrung nicht beeinflussen.Nach der Diagnose folgt häufig eine Tortur für Körper und Seele. Betroffene schildern immer das Gleiche: Sie entwickeln Komplexe wegen der immer dicker werdenden Beine und Arme. Der Therapieplan bestimmt oft den Tagesablauf. Denn der Körper muss regelmäßig in Fluss gebracht, die Stauung von Wasser im Lymphsystem muss behoben werden. Um überhaupt Kompressionstrumpfhosen, Armstulpen oder Handschuhe anfertigen zu können, müssen Beine und Arme so lange bandagiert werden, bis die Hilfsmittel hergestellt sind. Das Problem: Bis etwa die Strumpfhose passt, vergeht Hansen-Krewer zufolge oft viel Zeit - und häufig fängt das Prozedere dann wieder von vorne an.Lymphdrainage als Therapie

Kompressionen, Lymphdrainagen und Bewegungstherapien lindern nur die Beschwerden. Die 30-Jährige ging einen Schritt weiter. Sie hat sich operieren lassen. Der Leidensdruck der jungen Mutter war so riesig, dass sie sich bei Verwandten Geld geliehen hat, um die sogenannte Liposuktion machen zu lassen. Dabei werden während des chirurgischen Eingriffs mit Hilfe von Kanülen Fettzellen unter der Haut weggesaugt.Die Krankenkasse hat eine Kostenübernahme bislang abgelehnt, dagegen hat Hansen-Krewer Klage eingereicht. Das Sozialgericht Trier wird darüber entscheiden.Parallel kämpft die Schweicherin mit Hilfe ihrer Kamera und anderer Betroffener. Ihrem Aufruf, sich halbnackt ablichten zu lassen, sind neun Frauen gefolgt. Auch sie selbst hat sich fotografieren lassen. "Ich möchte, dass sich im Gesundheitssystem endlich etwas verändert und keine Frau mehr so schrecklich für ihre schmerzlindernde Operation kämpfen muss und sich von Ärzten, Physiotherapeuten und Krankenkassen erniedrigen lassen muss", erklärt sie die Kampagne, die zurzeit auf ihrer Seite im sozialen Netzwerk Facebook zu sehen ist (siehe Extra).Krankheit bekommt Gesicht

Mit dem Fotoprojekt will Hansen-Krewer der Krankheit ein Gesicht geben. Mit ihrem Kampf ist sie übrigens nicht alleine. Es ist ein bundesweites Thema, der Leidensdruck vieler Betroffener wurde erkannt.Im Mai dieses Jahres hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA, siehe Hintergrund) das Beratungsverfahren zur operativen Behandlung des Lipödems mittels Fettabsaugung eingeleitet und damit einen Antrag der bundesweiten Patientenvertretung angenommen. Nun prüft der Ausschuss das spezielle Operationsverfahren auf Nutzen und Risiken. GBA-Pressesprecher Kai Fortelka sagte auf TV-Anfrage: "Schätzungsweise in einem Jahr ist mit einer rechtsverbindlichen Entscheidung zu rechnen." Vorher wird das Trierer Sozialgericht noch im Fall Hansen-Krewer ein Urteil sprechen.Extra

Models und Nutzer schreiben auf der Facebook-Seite von Corinna Hansen-Krewer. Model Manuela (45): "Eine Entfernung des schmerzhaften Fetts könnte mir mein Leben sehr erleichtern. Ich will nicht aussehen wie ein Model, sondern einfach wieder normale Arme und Beine haben, die nicht schmerzen." Sonja Rieken-Diekmann kommentiert die Fotos der Patientin Andrea (49): "Respekt für so viel Mut." Model Nicole (36): "Seit der Diagnose lebe ich jeden Tag noch bewusster. Ich kämpfe für das Recht auf Behandlung." Miriam Praus kommentiert das Foto von Jessica (28): "Ich bekomme nicht mal Lymphdrainage und sehe viel schlimmer aus." Der Fernsehsender OK54 zeigt derzeit den Film "Diagnose Lipödem". kat Alle Bilder der Kampagne: soul-feelings.de Extra

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens. kat Quelle: G-BA

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort