Die Lebensretter im Hintergrund

Wittlich · 25 Apotheken gibt es im Landkreis Bernkastel-Wittlich, sechs davon in Wittlich. Plus eine im Verbundkrankenhaus Wittlich. Elf Personen arbeiten in der Krankenhausapotheke. Noch nie haben sie einem Patienten ein Medikament verkauft. Und doch zahllosen das Leben gerettet. Ein Rundgang durch die Klinikapotheke.

Wittlich. Treppauf, treppab führt der Weg zur Krankenhausapotheke im Verbundkrankenhaus Wittlich. Hinter der schweren Sicherheitstür steht ein großer Tresen. Hier stellen die Mitarbeiter die Bestellungen für die Stationen und Reha-Kliniken zusammen, die sie beliefern. "Richten" heißt das.
Denise Mentges ist pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA, siehe Extra). Sie kommt mit einem Arm voll Medikamentenpackungen zum Tresen und stellt sie nach Bestellungsliste sortiert ab. Das hilft beim Kontrollieren. "Wir prüfen hier alles drei Mal, damit keine Fehler passieren", erläutert Pharmazierat Rainer Dick. An den weißen Wändern hängen hier und da Tabellen mit Wirkstoffen und deren Anwendungsgebieten.
1000 Präparate


Hinter dem Tresen erstrecken sich drei Regalreihen. Hier lagern Medikamente für etwa zwei Wochen: über 1000 verschiedene Präparate. "Öffentliche Apotheken haben über 10 000 vorrätig", lacht Dick. Das liegt aber nur daran, dass dort Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff von verschiedenen Herstellern vorrätig sein müssen. Denn die Krankenkassen haben Verträge mit den Herstellern, die den Apothekern vorschreiben, welches Präparat sie einem Kunden, der bei einer bestimmten Krankenkasse versichert ist, verkaufen dürfen. Weil die Klinikapotheke Sonderkonditionen bei den Pharma-Herstellern erhält, darf sie keine Medikamente an die Patienten verkaufen.
Außer dem Summen der Klimaanlage und der Neonröhren hört man nicht viel. Kein Piepsen elektronischer Geräte. Was an Salben und Tinkturen hergestellt wird, geschieht von Hand im Labor. In zwei Räumen reihen sich in den Wandschränken Fläschchen an Fläschchen verschiedener Inhalts- und Wirkstoffe aneinander. Die 22-jährige Denise Mentges ist fasziniert "von Chemie und von dem, was im Körper passiert". Außerdem komme noch viel Biologie dazu.
Zwei Flure weiter, abseits der Apothekenräume, befindet sich das Zytostatika-Labor. Hier bereiten die PTA Chemo-Anwendungen für jeden Krebspatienten einzeln vor. Durch eine Schleuse betreten Nadine Christ und Nina Jacobi den Raum, in dem Unterdruck herrscht, damit keiner der gefährlichen Stoffe zurück in die Schleuse gelangt. Zuvor haben sie bereits die Schutzkleidung angelegt.
Als "Marsmännchen" bezeichnen sie sich in ihren bodenlangen blauen Kitteln, Haarnetz, Mundschutz und dem doppelten Paar Handschuhe. Der Umgang mit den Stoffen, die den Krebs bekämpfen sollen, aber auch selbst krebserregend sein können, erfordert höchste Sorgfalt.
Die Arbeit der Apotheker ist aber oftmals theoretischer. Wenn die Ärzte Fragen zu Neben- und Wechselwirkungen, zu Dosierungen und Darreichungsformen der Medikamente haben, dann beginnt für die Apotheker die Recherche. Internet und mehrere Regalmeter Fachliteratur helfen dabei.
Und dann gibt es noch die Fälle, auf die niemand vorbereitet ist. Oft passiert es nachts: ein Medikament muss her, das nicht vorrätig ist. "Das ist im ersten Moment ein Adrenalinstoß", fasst Rainer Dick das Gefühl zusammen, das bei solchen Anfragen eintritt. Schließlich geht es um ein Menschenleben. Aber dann ist ein kühler Kopf gefragt und die Recherchen laufen an: Wo bekomme ich das Medikament her?
Dick erinnert sich an einen solchen Fall, das Medikament soll aus Heidelberg geliefert werden. Termin: Freitagmittag. Doch um zwölf Uhr ist nichts da. Nach einem Telefonmarathon stellt sich heraus: Der Fahrer steht im Stau: Bei Willig in Nordrhein-Westfalen.
Erneut muss das Medikament aus Heidelberg angefordert werden. Eine Taxifahrerin macht sich auf den Weg. Unterwegs meldet sie sich. Sie führe gerade mit 160 Sachen an einer Baustelle vorbei. Erlaubt seien nur 80 Stundenkilometer. Sie hat Angst um ihren Führerschein. Dann darf Dick ihr eine Bescheinigung ausstellen, dass die Tempoüberschreitung medizinisch notwendig war. "Ein Menschenleben geht vor", sagt er. Heute kann er über diesen Tag lachen, denn es hat geklappt: Um halb fünf erreicht das Medikament Klinik und Patientin.Extra

In der Krankenhausapotheke des Verbundkrankenhauses Wittlich arbeiten elf Personen. Drei Apotheker, sechs pharmazeutisch-technische Assistenten, eine pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin (früher Apothekenhelferin). Pharmazierat Rainer Dick leitet die Abteilung. Von hier aus werden die Stationen der Verbundkrankenhäuser in Wittlich und Bernkastel, sowie fünf Reha-Kliniken in Bernkastel-Kues beliefert. Das Studium zum Apotheker dauert vier Jahre. Vor der Approbation müssen sie zudem noch ein praktisches Jahr in einer Apotheke ableisten. Ihre Hauptaufgaben sind Beratung, Medikamentenausgabe und Dokumentation. Die Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin dauert zwei Jahre. Außerdem ist ein halbes Jahr Arbeit in einer Apotheke nötig. Sie können Arzneimittel prüfen und herstellen. Pharmazeutisch-kaufmännische Assistenten haben eine dreijährige Berufsausbildung durchlaufen. Sie übernehmen logistische Aufgaben. cli

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