"Der Opa hat mich angefasst"

Trier/Bitburg · Das Landgericht Trier hat einen 52-jährigen Mann aus dem Raum Bitburg zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Angeklagte hat zugegeben, seine damals fünfjährige Enkelin in deren Kinderzimmer mindestens vier Mal sexuell missbraucht zu haben.

Trier/Bitburg. Halb auf seinem Stuhl versunken sitzt der 52-jährige Angeklagte am Montag vor der Ersten Großen Jugendkammer. Sein Kopf ist gesenkt, dennoch blickt er nach oben, was tiefe Falten auf seiner Stirn verursacht. Als Staatsanwalt Stephane Parent die Anklageschrift vorliest, gleitet der Blick des Angeklagten immer wieder auf den Boden.
Zwischen Juli 2004 und Juli 2005 soll der Angeklagte aus dem Raum Bitburg acht Mal in das Kinderzimmer seiner damals fünfjährigen Enkelin gegangen sein, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Zum Geschlechtsverkehr sei es allerdings nicht gekommen - aus anatomischen Gründen, wie Staatsanwalt Parent ausführt.
Die Anklage lautet auf versuchten sexuellen Missbrauch an Kindern, in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch an Kindern und schwerem sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen. Die Enkelin lebte zur Tatzeit im Haushalt des Angeklagten und dessen Ehefrau. "Ihre Mutter hat lieber Partys gefeiert, als sich um ihr Kind zu kümmern", sagt der Angeklagte. Das Familiengericht reagierte seinerzeit und übergab das Sorgerecht des damals fünf Monate alten Säuglings an die Großmutter. Ein fataler Schritt: "Das Kind ist vom Regen in die Traufe gekommen", sagt Richter Albrecht Keimburg. Wie der Angeklagte gesteht, ist er mindestens vier Mal in das Kinderzimmer gegangen, um sich an seiner Enkelin zu vergehen.
"Das ist nur die Spitze des Eisbergs", befürchtet Richter Keimburg. Ursprünglich war der 52-Jährige wegen acht Fällen angeklagt. Weil sich das heute 14-jährige Opfer aber nur noch an vier Fälle erinnern konnte, wurde das Verfahren wegen der übrigen mutmaßlichen Fälle eingestellt. Dass es überhaupt zur Anklage gekommen ist, ist dem Mut und der Neugier des heute 14-jährigen Mädchens zu verdanken. Sie hatte ihren leiblichen Vater gesucht, zu dem sie zuvor keinen Kontakt hatte. Auf Facebook wurde sie schließlich fündig und schickte ihm eine Nachricht. Später öffnete sie sich ihm gegenüber und erzählte von den Geschehnissen: "Der Opa hat mich angefasst", hatte das Mädchen ihrem Vater geschrieben - woraufhin dieser Anzeige erstattete.
Richter Keimburg versucht die familiären Hintergründe des Angeklagten aufzudecken. Der 52-Jährige ist Analphabet, besuchte eine Förderschule und hielt sich über die Jahre mit Hilfsarbeiten über Wasser. Sexualität sei in seinem Elternhaus ein absolutes Tabuthema gewesen.
Die psychiatrische Gutachterin Dr. Sylvia Leupold schließt eine pädophile Neigung des Angeklagten aus. Der sexuelle Missbrauch seiner Enkelin sei als sexuelle Ersatzhandlung einzustufen. Der Angeklagte war zur Tatzeit stark alkoholabhängig und hatte kurz zuvor seinen Job verloren. Wegen der Alkoholkrankheit entfernte sich seine Frau von ihm, er verbrachte die Nächte zunehmend auf der Couch. Sex hatte er über mehrere Jahre nicht.
Unter Berücksichtigung dieser Gründe und der Vermutung, dass der Angeklagte es als verurteilter Sexualstraftäter "sicher nicht leicht in der JVA haben wird", verurteilt Richter Keimburg ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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