"Er hat ihre Labilität ausgenutzt"

Einvernehmlicher Geschlechtsverkehr oder Vergewaltigung? Ob der 24-Jährige die 13-Jährige vergewaltigte, oder ob ihr Beischlaf einvernehmlich war, wollte das Amtsgericht Wittlich zum Schutze des Opfers nicht genauer aufklären. Es verurteilte den 24-jährigen Trierer wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten.

Wittlich. Das Verfahren am Amtsgericht Wittlich schrammte hart am Ausschluss der Öffentlichkeit vorbei. Denn gestern Vormittag musste sich im Prozess eine 14-jährige Triererin grob zu sexuellen Erlebnissen einer Nacht im April 2013 äußern. In dieser Nacht lag die damals 13-Jährige mit einem ehemals 24-jährigen Trierer im Bett bei Bekannten des Mannes im Landkreis Bernkastel-Wittlich.
Von zu Hause weggelaufen, flüchtete sie an diesem Abend zu den Bekannten ihres älteren Freunds, den sie über Facebook kennengelernt hatte und den sie vor ihren Eltern zu verheimlichen suchte. "Er hat die Labilität und die familiären Probleme des Mädchens mit dem Ziel ausgenutzt, die 13-Jährige ins Bett zu bekommen", sagte Richter Josef Thul. Das gelang auch, weil Bekannte des Angeklagten den beiden ein Zimmer zur Verfügung stellten - in der Annahme, das Mädchen sei 16 Jahre alt.
Die 13-Jährige stellte sich am späten Abend selbst als 16-Jährige Freundin des Angeklagten vor, bevor sie es sich mit dem vorbestraften Trierer auf der Gästecouch des Hauses gemütlich machte. Was dann geschah, konnte und wollte das Amtsgericht Wittlich am Dienstagvormittag nicht genauer klären.
Das heute 14-jährige Mädchen sagte im Zeugenstand aus, der Angeklagte, in den sie damals verliebt gewesen sei, habe sie gegen ihren Willen vergewaltigt. Er habe sie an den Handgelenken festgehalten und sich mit all seinem Gewicht auf sie gelegt. Sie habe nicht genügend Kraft gehabt, sich körperlich gegen den älteren Mann durchzusetzen. Nach Hilfe zu schreien, sei ihr, obwohl andere Menschen im Haus waren, zu peinlich gewesen.
Die Bekannte des Angeklagten lag - nur durch eine dünne Wand getrennt - direkt im Zimmer nebenan und schaute Fernsehen, wie sie als Zeugin vor Gericht aussagte. Sie habe über eine längere Zeit Töne aus dem Gästezimmer vernommen, die nach ihrer Einschätzung von einem einvernehmlichen Geschlechtsakt der beiden Personen im Zimmer neben ihr kündeten.
Wegen dieser widersprüchlichen Aussagen schlug Richter Josef Thul den Verhandlungsparteien einen Deal vor, der es dem Mädchen ersparen soll, sich noch weiter - auch durch Mithilfe psychologischer Gutachter - mit diesen Erlebnissen auseinandersetzen zu müssen.
Der sexuelle Verkehr des Erwachsenen mit der 13-Jährigen sei als schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes sowieso mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und drei Jahren verbunden. Der Tatbestand der Vergewaltigung, den das Gericht fallen ließ, habe nur ein unweit höheres Strafmaß von drei bis vier Jahren, sagte Thul.
Eine weitere Aufklärung mit anstrengenden Beweisaufnahmen hätten für das Mädchen eine hohe psychische Belastung zur Folge. Diese stünde jedoch in keinem Verhältnis zu der nur geringfügig höheren Strafe, die der Angeklagte gegebenenfalls zu erwarten hätte.
Der 25-Jährige wurde wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann mit der 13-Jährigen Sex - mit oder ohne Gewalteinwirkung - hatte.
Thul: "Wir wissen, dass Kinder, die so etwas erlebt haben, abrutschen und Schwierigkeiten bekommen - wie wir jetzt in diesem Fall sehen. Deshalb sagt der Gesetzgeber: ‚Sex mit Kindern unter 14 Jahren ist ein Tabu.\'"
Verteidiger Winfried Schabio sagte, der Angeklagte werde Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe sei dem 25-Jährigen insbesondere deshalb zu hoch, weil das Mädchen aus Sicht des Angeklagten an den Vorfällen dieser Nacht nicht unbeteiligt gewesen sei.

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