Mit dem Frachter über Dänemark in die Eifel

Ließem · Die Eifel ist längst ihr Zuhause geworden. Rosemarie Nafziger ist als 14-Jährige mit ihrer Familie aus Westpreußen mit dem Frachtdampfer Lappland geflüchtet - und nach vielen Stationen in Ließem gelandet, wo ihr Mann herstammt. Dort macht sie noch heute Feuer auf ihrem Kohlenherd, der für sie zum Leben gehört.

 „Der macht so eine schöne Wärme“: Rosemarie Nafziger und ihr alter Kohlenherd. TV-Foto: Dagmar Schommer

„Der macht so eine schöne Wärme“: Rosemarie Nafziger und ihr alter Kohlenherd. TV-Foto: Dagmar Schommer

Ließem. Ein Bild aus den 50er Jahren, das sich in ihr Gedächnis eingebrannt hat, erzählt von Gemütlichkeit, Familie und Wärme. Es geht um einen Kohlenherd, den Rosemarie Nafziger noch heute befeuert. "Der stand aber nicht da, wo er heute steht. Wir hatten damals eine Wohnküche. Auf dem Herd standen die Töpfe mit Suppe, Kartoffeln und Gemüse. Die wurden hin- und hergerückt, je nachdem, was schon am Kochen war, was noch kochen sollte", erzählt die 82-jährige Frau. Um den Herd trocknete Wäsche.
Oma und Opa mit der Pfeife hätten gerne am Herd gesessen, am Tisch sie mit Mann sowie dessen Bruder und ihre Schwester, sieben Kinder drum herum. "Die Mutter meines Mannes machte sehr gute Suppen. Ich habe anfangs nicht gekocht, wir arbeiteten auf dem Feld", sagt Rosemarie Nafziger, die mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Landwirtschaft betrieben hatte. Ein gutes Dutzend Kühe, Schweine, Hühner, Feld und Garten.Töpfe werden mit Papier poliert


Es ist dieses Bild, das sie im Kopf hat, wenn sie an früher denkt. Ein Bild, wie es viele wohl noch in sich tragen. Nur ist bei Rosemarie Nafziger das Feuer nie ausgegangen. "Ich habe mal irgendwann einen Elektroherd bekommen. Im Sommer ist das besser. Das war ja früher eine Hitze zum Umkommen", sagt sie mit einem Lachen im Gesicht. Aber jetzt, so im Herbst, nutzt sie ihren Kohlenherd nicht nur zum Heizen, sondern da wird auch drauf gekocht. "Die Töpfe werden halt etwas schwarz, die muss man dann mit Papier abwischen", sagt die Frau, die einen weiten Weg hinter sich hat, bevor sie in der Eifel heimisch wurde.
Am 20. April 1945 - das Datum weiß sie genau - ist Rosemarie Nafziger als 14-jähriges Mädchen mit Eltern und Geschwistern "vor den Russen" aus ihrer Heimat in Westpreußen bei Danzig geflüchtet: "Wir hatten nur das Nötigste mit, lagen im Frachtraum wie die Heringe." Mehr als 7000 Menschen erreichten mit der Lappland Kopenhagen.
Rosemaries Familie, die der evangelischen Freikirche der Mennoniten angehört, konnte schließlich in einem landwirtschaftlichen Betrieb nahe Dürkheim arbeiten. Später bekamen sie eigenes Land bei Zweibrücken, das sie bewirtschaften konnten. Rosemarie hatte inzwischen eine landwirtschaftliche Lehre abgeschlossen, eine Landfrauenschule und eine Landwirtschaftsschule bei Olpe besucht. "Durch unsere Kirche wurde dann ein Kontakt zu meinem späteren Mann hergestellt, der ebenfalls Mennonit war, in Ließem einen Hof hatte - und kein katholisches Mädchen heiraten wollte. Und wir waren uns gleich sympathisch."
So kam Rosemarie Nafziger in die Eifel und heiratete am 20. April 1956. Vier Kinder folgten. Heute ist sie stolze Oma von elf Enkeln. In der Eifel fühlte sie sich gleich wohl. "Ich mag die Landschaft. Die ist richtig schön. Es wächst alles. Es muss nur besorgt werden", sagt Rosemarie, die als Erste im Ort Spargel angebaut hat: "Das kannte ich so von Zuhause. Einige haben das dann auch gemacht."
Die Menschen in Ließem hätten sie herzlich aufgenommen. Dass die Eifeler dickköpfig oder maulfaul sein sollen, kann sie nicht bestätigen: "Es gibt doch überall solche und solche." Ihren Herd aus den 60er Jahren - der erste steht inzwischen als Liebhaberstück bei ihrer Tochter - will sie nach einem bewegten und arbeitsreichen Leben gegen nichts eintauschen. "Der macht einfach eine schöne Wärme."
Liebe Leser, wenn Sie alte Haushaltsgeräte sammeln, ein Liebhaberstück besitzen, das sie schon Ihr ganzes Leben begleitet, und Sie uns Ihre Geschichte erzählen wollen: Schreiben Sie uns an eifel@volksfreund.de

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