Hilfssheriffs gegen Einbrecher? Scharfe Kritik an Trierer Polizei

Trier · Mit ihrem Appell an die Bürger, Verdächtige zu fotografieren und Verdächtiges zu notieren, ist die Trierer Polizei offenbar übers Ziel hinausgeschossen. Datenschützer und Strafrechtler stufen den Aufruf als bedenklich ein. Am Donnerstagabend ist die Polizei zurückgerudert.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Diese Erfahrung macht derzeit die Trie rer Polizei. Um den in der Region umherziehenden Einbrecherbanden beizukommen, setzt Polizeipräsident Lothar Schömann auch auf die Mithilfe der Bevölkerung. Das ist noch nichts Ungewöhnliches. Außergewöhnlich ist allerdings, dass die Bürger dabei quasi zu Hilfssheriffs gemacht werden. So sollen sie etwa verdächtige Wahrnehmungen fotografieren oder filmen.

Darüber hinaus bittet die Polizei um konkrete Personenbeschreibungen, Informationen über möglicherweise mitgehörte Gespräche und sonstige Beobachtungen. Das Material könne bei jeder Polizeidienststelle abgegeben oder direkt an die Trierer Kripo gemailt werden.
Den rheinland-pfälzischen Datenschützern geht das zu weit. Zwar sei es legitim, die Polizei über verdächtige Handlungen zu informieren, sagt der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte Klaus Globig. Aber ungeschulte Zeitgenossen könnten nicht ohne Weiteres verdächtiges Verhalten von einem bloß ungewöhnlichen Verhalten unterscheiden. Die Gefahr sei groß, dass "wenig nützliche Daten unter Eingriff in die Rechte Unbeteiligter" gesammelt würden. Kritik kommt auch vom Trierer Strafrechtsprofessor Hans-Heiner Kühne. Die Aufforderung der Trie?rer Polizei sei missverständlich und schief, sagte Kühne unserer Zeitung.

Zustimmung kommt hingegen von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er begrüße den Aufruf und habe keine rechtlichen Bedenken, sagt GdP-Landeschef Ernst Scharbach. Schließlich könne die Polizei nicht überall sein.
Gestern Abend ruderte die Trie?rer Polizei teilweise zurück, sprach von einem "missverständlichen polizeilichen Aufruf" und präzisierte, wann sich jemand verdächtig verhält. Den Hilfspolizisten-Vorwurf wies ein Polizeisprecher zurück: "Wir möchten aufmerksame Bürger, die für die Polizei potenzielle Zeugen sind."

Kommentar Kontra
Jörg Pistorius

Auch Nachbarn müssen zittern

Es gibt sie bereits - die allzeit aufmerksamen Menschen, die ihre Umgebung ständig nach Ereignissen und Verhaltensweisen absuchen, die ihnen verdächtig vorkommen. Sie dürfen sich jetzt bestätigt sehen und weiterhin der Illusion hingeben, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit leisten. Mehr noch: Ihr Beispiel soll Schule machen. Jeder soll seine Nachbarschaft genau unter die Lupe nehmen, Szenen fotografieren, Gespräche belauschen und Verdächtiges melden. So will es die Polizei.
Falls dieser komplette Unsinn die Einbrecherbande tatsächlich hinter Gitter bringen sollte, dann allenfalls aufgrund von purem Zufall. Der Appell der Polizei ist nichts anderes als eine Aufforderung, massiv und öffentlich sanktioniert in die Privatsphäre der Nachbarn einzugreifen. Die Flut an Fotos und Videos von völlig harmlosen Vorgängen, die jetzt zu erwarten ist, wird die Ermittler mehr behindern als unterstützen. Denn die zweifellos zahlreichen motivierten privaten Hilfssheriffs haben eigene Kriterien für die Entscheidung, was um sie herum verdächtig ist. Mit der Sichtweise eines professionellen und ausgebildeten Ermittlers haben diese Kriterien nur leider nichts gemeinsam.
j.pistorius@volksfreund.de

Kommentar Pro
Rolf Seydewitz

Nur Kriminelle müssen bangen

Die Statistik lügt nicht: 95 Prozent der registrierten Kriminalität wird der Polizei nur durch die Mitwirkung von Bürgern bekannt. Heißt: Die Strafverfolger sind schon heute auf aufmerksame und wachsame Bürger angewiesen, wenn sie ihren Job gut machen wollen. Fakt ist auch: Die Polizei kann nicht überall sein - schon gar nicht in einer ländlichen Region wie der unseren. Da schadet es nicht, wenn auch Otto Normalverbraucher mal ein wachsames Auge auf das richtet, was um ihn herum geschieht. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Polizei über verdächtige Personen oder Vorgänge informiert wird. Je genauer die Infos sind, desto mehr können die Beamten später damit anfangen. Warum sollte der Bürger also nicht im Smartphone-Zeitalter auch mal rasch auf den Kameraauslöser drücken, wenn ihm etwas verdächtig vorkommt? Wer sich nichts zuschulden kommen lässt und ein reines Gewissen hat, wird auch damit leben können, dass mal ein Foto von ihm auf dem Schreibtisch der Polizei landet. Im umgekehrten Fall können womöglich etlichen Kriminellen das Handwerk gelegt und weitere Straftaten verhindert werden. Allein das rechtfertigt das Trierer Modell.
r.seydewitz@volksfreund.de

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