Land und Kliniken kämpfen gegen gefährliche Keime

Trier · Sie heißen Krankenhauskeime, doch sie kommen nicht nur in Kliniken vor. Viele Menschen tragen gefährliche Keime unbemerkt in sich. Doch zu viele Antibiotika machen einige Keime resistent. Sie werden dann zur Gefahr.

 Weit verbreitete Keime (Details siehe Bericht auf dieser Seite ganz unten): MRSA (Foto oben und unten links) sowie ESBL (rechts) und VRE. Fotos: obs/3M Deutschland GmbH/rz

Weit verbreitete Keime (Details siehe Bericht auf dieser Seite ganz unten): MRSA (Foto oben und unten links) sowie ESBL (rechts) und VRE. Fotos: obs/3M Deutschland GmbH/rz

Trier. 1,8 Millionen Tagesdosen Antibiotikum sind im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz laut Techniker Krankenkasse verschrieben worden - gegenüber 2011 eine Steigerung um 8,3 Prozent. Viele Ärzte verschreiben die als Keimkiller entwickelte Medizin auch bei Virusinfektionen, etwa einer Grippe, wo das Medikament aber wirkungslos ist. Durch die zu häufige Gabe von Antibiotika werden die Keime, die sie bekämpfen sollen, resistent. Antibiotika wirken nicht mehr gegen sie. Und genau diese resistenten Keime werden zunehmend zum Problem.
Laut Recherchen von Die Zeit, Zeit online und dem Recherchebüro Correct!V sterben jährlich mehr Menschen an den resistenten Keimen als bislang bekannt. Aus Abrechnungsdaten deutscher Kliniken gehe hervor, dass bei Behandlungen von mehr als 30 000 später verstorbenen Patienten ein Krankenhauskeim nachgewiesen worden sei. Der Trierer Mikrobiologe Ernst Kühnen warnt aber davor, daraus den Schluss zu ziehen, dass alle diese Menschen wegen einer Keiminfektion gestorben seien oder sich im Krankenhaus mit den Keimen infiziert hätten. Viele der in Krankenhäusern behandelten Patienten seien ältere Menschen mit Vorerkrankungen und einem geschwächten Immunsystem etwa nach Operationen.
Eine Infektion mit Keimen, die es in jedem Krankenhaus gibt, könne bei solchen Patienten womöglich schlimmere Folgen haben als bei jüngeren, gesünderen Menschen. Kühnen hält die in den Recherchen genannten deutschlandweiten Diagnosen des Keims Methicillin-resistenter Staphyloccus aureus (MRSA) von über 136 000 für viel zu hoch. Nur etwa jeder 500. Patient sei positiv. In einem Krankenhaus mit 15 000 Patienten im Jahr seien das etwa 30 bis 50 Fälle. Bei über 12 000 Patienten in der Region sei in den vergangenen 19 Jahren MRSA nachgewiesen worden.
Auch das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium nennt weitaus niedrigere Zahlen von gemeldeten MRSA-Fällen als in den Medienberichten genannt werden. Im vergangenen Jahr seien 110 MRSA-Infektionen im Land gemeldet worden. Laut Ministerium sind acht Patienten an den Folgen einer solchen Infektion gestorben. In diesem Jahr hat es bislang 80 MRSA-Fälle gegeben - mit sieben Toten.
Viele Menschen trügen auch resistente Keime in sich, ohne dass sie daran erkranken, sagt Kühnen. Die Bakterien leben auf der Haut und in der Schleimhaut. Daher sei es falsch zu sagen, dass die Keime allein ein Problem der Kliniken seien. Sie seien vielmehr ein Problem des einzelnen Menschen. Es seien nur wenige Keime, die tatsächlich resistent seien, in 90 Prozent der Fälle wirke Antibiotikum. Es könne auch nicht ganz auf Antibiotika verzichtet werden, so der Mikrobiologe. Es bestehe kein Grund zur Panik vor Krankenhausbehandlungen, sagt Kühnen, der für die Hygiene in 17 Krankenhäusern unter anderem in der Region und in Luxemburg zuständig ist.
Im Trierer Mutterhaus gibt es seit zwei Jahren ein spezielles Programm für den rationelleren und gezielteren Einsatz von Antibiotika. Das Personal sei entsprechend geschult, sagt Oliver Kunitz, ärztlicher Geschäftsführer der Klinik. Risikopersonen, etwa Patienten, die schon mehrmals längere Zeit in Kliniken behandelt worden sind, oder ältere Menschen aus Pflegeheimen, die im Mutterhaus aufgenommen werden, würden vor der Behandlung auf mögliche resistente Keime getestet. Bei einem positiven Befund würden diese Patienten isoliert behandelt. Genauso verfährt auch das Trierer Brüderkrankenhaus. Insgesamt sieben hauptberufliche Hygieniker arbeiten dort. Durch diese Maßnahmen sei es gelungen, das Auftreten etwa von MRSA-Infektionen in den vergangenen Jahren um mehr als die Hälfte zu reduzieren, sagt Krankenhaussprecherin Anne Britten.
Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium bestätigt einen Rückgang der MRSA-Fälle im Land. Ein Grund dafür sei die seit 2012 geltende Landesverordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen. Andere gefährliche Keime breiten sich allerdings trotzdem weiter aus. Schuld daran sei, so das Ministerium, unter anderem die Antibiotikagabe in der Tiermast.Extra

Rheinland-Pfalz: MRSA-Diagnosen: 6343 (+ 6,9 Prozent) VRE-Diagnosen: 1423 (+ 39,5 Prozent) ESBL-Diagnosen: 7220 (+ 76,5 Prozent) MRE-Fälle: 5305 (+ 17,0 Prozent) Deutschland: MRSA-Diagnosen: 136 776 (+ 12,1 Prozent) VRE-Diagnosen: 33 122 (+ 40,1 Prozent) ESBL-Diagnosen: 118 624 (+ 56,5 Prozent) MRE-Fälle: 120 816 (+ 20,8 0 Prozent) Zahl der Diagnosen 2013, in Klammern Veränderung gegenüber 2010

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