Speicher exportiert Mitfahrerbänke

Speicher/Auw · Spangdahlem möchte eine und Auw auch: Die Mitfahrerbank aus Speicher wird zum Exportschlager. Das Netzwerk für Mobilität in der Verbandsgemeinde Speicher plant, bis zum Frühling acht weitere Bänke aufzustellen, um das Netzwerk für Anhalter auszuweiten.

Speicher/Auw. Seit August steht die türkisfarbene Mitfahrerbank vor dem Rathaus in Speicher (der TV berichtete). Wer draufsitzt, der signalisiert, dass er gerne mitgenommen werden möchte. Anhand umklappbarer Schilder lässt sich das gewünschte Ziel wie "Bahnhof" oder "Bitburg" auswählen.
"Mittlerweile nutzen viele Landbewohner das Angebot, nehmen Platz und warten, bis jemand anhält und sie mitnimmt", sagt Ursula Berrens, Erfinderin der Mitfahrerbank und Mitglied im Netzwerk für Mobilität in der Verbandsgemeinde (VG) Speicher. Ein Problem sei nur, dass man auf diese Weise nicht mehr zurückkomme, so Berrens, da am Bahnhof oder in Bitburg keine Mitfahrerbank stünde. Deshalb plant das Netzwerk für Mobilität in der VG Speicher, eine Gruppe engagierter Bürger, acht weitere Bänke aufzustellen. Damit wird aus der singulären Mitfahrerbank in Speicher ein kleines Netzwerk aus Anhalter-Stationen in der VG Speicher.
Zum jüngsten Planungstreffen der Gruppe reisten sogar Ortsbürgermeister aus anderen Eifelgemeinden wie Auw, Hosten und Spangdahlem an. Sie möchten ebenfalls Mitfahrerbänke in ihren Gemeinden platzieren. Neben drei weiteren Mitfahrerbänken am Bahnhof, in der Preister Straße sowie in der Kapellenstraße in Speicher plant die Gruppe, fünf weitere Orte der VG in das Anhalter-Netzwerk einzubinden. "Unser Ziel ist es, den schwachen öffentlichen Nahverkehr in der VG Speicher zu kompensieren", erklärt Berrens. "Vielleicht gelingt es uns damit auch, das Leben in den Dörfern wiederzubeleben - das ist meine Vision", sagt Berrens. So könne man als Mitfahrer beispielsweise ein Fest im Nachbarort besuchen, dort ein Bier oder einen Viez trinken, ohne seinen Führerschein zu riskieren. "Ich will jedenfalls Dampf machen, damit es weitergeht", sagt Berrens. Im Frühjahr soll auch in Auw, Beilingen, Hosten, Preist und Spangdahlem eine Mitfahrerbank aufgestellt werden. Damit wächst das Netz an Anhalterstationen in der VG Speicher auf insgesamt neun Mitfahrerbänke.
"Hosten ist zuallererst dran", so Berrens. Dort sei der öffentliche Nahverkehr am katastrophalsten. Denn es führe nur ein Bus pro Tag. "Auch am Speicherer Bahnhof würde ich am liebsten sofort eine Bank aufstellen lassen", erklärt Berrens. Denn der Fußweg vom Speicherer Bahnhof zurück in die Stadt sei mehr als zwei Kilometer lang. Zudem seien dabei 180 Höhenmeter zu bewältigen, was sehr anstrengend sei.
Da zur Installation der Bänke mit den Zielschildern jedoch Betonierarbeiten notwendig sind, müssen die Arbeiten aufs Frühjahr verschoben werden, wenn der Frost vorüber ist. Derweil beschäftigen sich die Mitglieder des Netzwerks für Mobilität in der VG Speicher mit der Gestaltung der Anhalter-Stationen. Sie holen Angebote für Bänke ein, wählen Modelle aus und suchen weitere Mitstreiter, die ihnen zum Beispiel beim Anstreichen der Bänke helfen. Denn der türkisfarbene Anstrich der Mitfahrerbänke soll als Markenzeichen beibehalten werden und zur Wiedererkennung beitragen.
Den größten Teil der Kosten für die acht weiteren Bänke zahlt das Netzwerk für Mobilität in der VG Speicher mit dem Preisgeld, das die Gruppe mit ihrer Idee der "Mitfahrerbank" beim Orange Social Design Award gewonnen hat (der TV berichtete).
Zudem sponsert der Förderverein für Senioren in der VG Speicher zwei Bänke. Um die 500 Euro kostet eine Anhalter-Station. Als weitere Standorte diskutiert die Gruppe bereits Herforst, Philippsheim und Orenhofen.Meinung

Spannendes Experiment
Das Netzwerk für Mobilität kann das Trampen nicht zum zweiten Mal erfinden. Denn Anhalter gibt es, seit es rollende Karren gibt - also vermutlich seit dem 4. Jahrtausend vor Christus. Trotzdem kann man die Idee der Mitfahrerbank als originell bezeichnen, denn die Speicherer stellen damit ein spannendes soziales Experiment auf die Beine. Per Anhalter fahren schürt bei vielen Menschen Ängste und hat allgemein mittlerweile ein Aktenzeichen-XY-Image. Doch Fakt ist, dass viele Landbewohner, um von A nach B zu kommen, auf das Entgegenkommen von Verwandten, Bekannten und Nachbarn angewiesen sind. Die türkisfarbene Mitfahrerbank verkörpert dieses Problem der mangelhaften Mobilität auf dem Land, das die Lebensqualität vieler Menschen stark einschränkt. Die Anhalter-Station fordert nun auch fremde Verkehrsteilnehmer dazu auf, den immobilen Menschen auf dem Land zu helfen, sich sozial zu engagieren und an der Lösung dieses Problems zu beteiligen. Vielleicht gelingt es dem Netzwerk für Mobilität, dass per Anhalter fahren - zumindest in der VG Speicher - wieder zur Mode wird. Trotzdem bleibt es ein Wagnis mit Restrisiko. Aber wem der Tramper oder Fahrer nicht passt, kann zumindest nach seiner Einschätzung auf den ersten Blick auch Neinsagen. eifel@volksfreund.de

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