Glaube im Alltag

Die Wochen des Advents sind jedes Jahr eine besondere Zeit mit vielen unterschiedlichen Facetten. In Erwartung der Heiligen Nacht ist eine davon die Sehnsucht nach mehr Stille, mehr Schweigen - vielleicht in einem dunklen Raum, vor einer brennenden Kerze .

.. Ich nehme mir Zeit dafür, nehme Platz und komme zur Ruhe. Spüre, wie ich sitze, mich einpendle in mein inneres Gleichgewicht. Aufrecht sitze ich - ein aufrechter Mensch bin ich. Ich entspanne meine Stirn, die Augen, Wangen, den Mund - und spüre, wie mein Gesicht gelöst wird. Lockere auch den Nacken, Schultern, Arme ... den ganzen Rumpf. Bemerke meine Atmung, wie sie unaufhörlich ein- und ausgeht. Alle Anspannung lasse ich los, allen Druck und allen Eigenwillen. Ich brauche nichts darzustellen, nichts zu erreichen oder zu leisten. Was war, ist vergangen. Was kommen wird, ist noch nicht. Alles darf jetzt so sein, wie es ist - meine Verfassung, die Gedanken, Gefühle, Menschen, Geräusche, Bilder ... Es genügt, einfach da zu sein, aber wach und offen. Nichts sonst, nur da sein in der Gegenwart. "Achte auf das feine unaufhörliche Geräusch. Es ist die Stille. Horche auf das, was man hört, wenn man nichts mehr vernimmt." (P. Valery) Entgegenwarten dem, der schon auf mich wartet. Da sein in Gottes Gegenwart. Ihm meine Aufmerksamkeit hinhalten. So wie ich mein Gesicht zur Sonne wende, so verweile ich vor seinem Blick. "Und das Wort ist Fleisch - Gottes Sohn ist Mensch - geworden und hat unter uns gewohnt ...!" Dieses Wort der heiligen Schrift begleitet mich in seiner Unglaublichkeit lange und immer wieder - der große, ferne, unbegreifliche Gott - ganz klein, ganz nah und begreifbar. Welch ein mutiger aber auch überraschender Plan, der hinter solcher Liebe steckt! Ganz leise ist bisweilen die Stimme des Herzens und man muss lange lauschen, um zu hören, was sie einem sagen will. So öffne ich mich für das Geheimnis des Lebens, das in meiner Tiefe anwesend ist. Und für das Geheimnis der Menschwerdung Gottes damals in der ersten Heiligen Nacht. Heute in mir? In jedem Menschen guten Willens! Ja, das tiefe Schweigen kommt vor dem lauten Jubelgesang. Ein zweites derartiges Heilsereignis gibt es kaum auf diesem Globus! Wer zur Krippe geht oder eine aufbaut, sollte sein Herz weit öffnen und anbetend innehalten. Ingeborg Bachmann dichtete: "O großes Tauen! Erwart dir viel!" Und dann erst mach dich wieder auf den Weg ... Michael Schlüter Pastoralreferent Dekanat Vulkaneifel

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