Die Reifen sind raus, Kühlschränke sollen folgen

Gerolstein · Es tut sich was: Die Stadt Gerolstein hat die rund 15 000 Altreifen, die seit 15 Jahren in der ehemaligen Drahtwarenfabrik lagerten, entsorgen lassen. Außerdem hat sie dem Mieter, der in der Industriebrache Hunderte alte Kühlschränke und sonstigen Elektroschrott lagert, zum Jahresende gekündigt.

Gerolstein. "Das Gebiet ist eines der letzten Filetstücke in Gerolstein. Das mussten wir kaufen." Mit diesen Worten rechtfertigte der ehemalige Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz (CDU) den Kauf der Drahtwarenfabrik bei der Zwangsversteigerung im Sommer 2009 für 45 000 Euro. Passiert ist seither nichts mehr.
Bis vor kurzem: Da hat der neue Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz (CDU) sich des Dauerproblems angenommen und erste Schritte für eine Folgenutzung des 7187 Quadratmeter großen Areals zwischen Lindenstraße und Auberg eingeleitet. Denn bevor dort eine andere Nutzung möglich ist, müssen gleich mehrere Probleme beseitigt werden.

Müllentsorgung: Auf dem Areal lagerten seit dem Jahr 2000 Altreifen - zuletzt waren es nach Angaben der Gerolsteiner Bauabteilung noch rund 15 000 Stück. "Auf Drängen der Fraktionen und Bitten aus der Bevölkerung haben wir uns die Sache nochmals angesehen - und sind tätig geworden: Ich habe einen Unternehmer beauftragt, die Altreifen abzutransportieren und zu entsorgen. Das ist geschehen", sagt Bongartz. Nicht zuletzt wegen der potenziellen Gefahr bei einem Brand habe er es als "unbedingt notwendig" erachtet, endlich zu handeln. Und letztlich sei die Entsorgung günstiger gewesen als gedacht: 16 300 Euro. "Wir sind stets von 1,50 Euro pro Reifen ausgegangen", sagt Bongartz.
Die Stadt hatte mit dem Kauf des Areals auch die Altreifen übernommen. Die hatte ein ehemaliger Mieter dort eingelagert. Nachdem er insolvent wurde, blieb die Eigentümerin darauf sitzen. Die meldete wenig später auch Insolvenz an.
Ein noch immer bestehendes Problem sind die Hunderte alter Kühlschränke und Berge von Elektroschrott, die der letzte verbliebene Mieter in einem anderen Teil des Gebäudekomplexes sowie unter freiem Himmel lagert. Er verkauft die Geräte in den Osten oder schlachtet sie nach wertvollen Metallen aus. Doch damit soll bald Schluss sein. So will es zumindest die Stadt. "Wir haben dem Mieter gekündigt und ihm die Frist gesetzt, bis zum Jahrsende alles zu räumen", sagt Guido Müller von der Bauabteilung im Rathaus. Wer die Berge von alten Kühlschränken, Elektroherden und sonstigem Elektroschrott aber sieht, kann kaum glauben, dass es mit der fristgerechten Räumung auch klappt. Zumal der Mieter, als sich der TV mit Rathausmitarbeiter Müller auf dem Areal umschaut, nur einen Helfer und ein kleines Lieferfahrzeug hat. Und er selbst sagt: "Ich habe noch keine Halle, wo ich die Sachen hinbringen kann."
Im September 2009, also vor mehr als fünf Jahren, hatte der damalige Stadtbürgermeister Schwartz noch gesagt: "Es ist vertraglich mit den jetzigen Mietern fixiert, dass die Entsorgung bis Ende September abgeschlossen sein muss." Und: "Es ist sichergestellt, dass das die Stadt nichts kostet und dass sie nicht auf den Sachen sitzen bleibt."

Gebäudezustand: "Das Bürogebäude ist noch das Beste, aber eigentlich sind alle Gebäudeteile abrissreif, zumal eine Sanierung wohl auch jeglichen Kostenrahmen sprengen würde." Zu dieser Einschätzung kommt die Bauabteilung im Rathaus nach einer Begehung. "Es gibt auch keine Denkmalschutz-Auflage", sagt Rathausmitarbeiter Guido Müller. Im Stadtetat für 2015 ist für einen Abriss aber kein Geld vorgesehen.

Bodenverseuchung: Auf dem Areal der Drahtwarenfabrik wurde auch eine Verzinnerei betrieben. Die ist die Ursache dafür, dass große Teile des Bodens verseucht sind. Ein 2003 erstelltes und 2007 aktualisiertes Gutachten der Ingenieurgesellschaft Fugro aus Konz kommt zu dem Schluss, dass sich etwa 2800 Tonnen mit Mineralöl sowie weitere 400 Tonnen mit Schwermetallen verseuchter Boden in dem Bereich befinden.
Die Beseitigung der Altlasten inklusive Entsorgung und Bodentausch kostet laut Schätzung von 2007 rund 336 000 Euro. Eine Größenordnung, die Alfred Weinandy von der zuständigen Trie-rer Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord damals als "vernünftig" bezeichnet hatte. Er hatte zudem betont: "Es geht keine akute Gefahr vom Areal aus." Denn die Verunreinigungen befänden sich entweder unter versiegelten Flächen oder aber in einer Bodenzone, die nicht mit dem Grundwasser in Berührung komme. Eine Sanierung werde daher erst erforderlich, wenn Versiegelungen aufgebrochen würden.

Künftige Nutzung: "Das Areal soll für eine Wohnbebauung zur Verfügung gestellt werden", sagt Stadtbürgermeister Bongartz. Denn erstens habe es eine gute Lage und zweitens würde so eine Baulücke geschlossen.
Zuvor müssten aber die Gebäude abgerissen, der Boden - wo nötig - ausgetauscht und der Peschenbach saniert werden. Das hat die Stadt ohnehin vor. Der Bach fließt in Rohren unter dem Gelände durch. Künftig soll er wieder freigelegt werden. Auf die Frage, wie das Areal Wohngebeit werden könne, sagte Bongartz: "Wir lassen abreißen und das Areal sanieren und renaturieren, und dann verkaufen wir es entweder an einen Investoren, oder wir vermarkten es selbst."Extra

Die Drahtwarenfabrik Christian Oos, die um 1880 eröffnet wurde, nahm als erste Fabrik in Gerolstein die Produktion auf - noch vor dem Sprudelbetrieb. Die meisten Gebäude stammen aber aus den Jahren 1900 bis 1920. In der Fabrik wurden Haushaltsgeräte aus Draht sowie die berühmten Nerother Mausefallen industriell angefertigt. Viele Menschen bezogen von dort aber auch nur den Draht, um die Gerätschaften in Heimarbeit herzustellen. Die fertigen Stücke lieferten sie dann wieder in der Fabrik ab, die sich anschließend um die Vermarktung kümmerte. Seit mehr als zehn Jahren wird in dem Betrieb nicht mehr gearbeitet. In Hochzeiten waren dort bis zu 200 Menschen beschäftigt. mh

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