Letzte Gewissheit nach 70 Jahren

Pelm · Lassen sich nach 70 Jahren noch Einzelheiten über den Absturz eines amerikanischen Jagdbombers und den bis dahin anonymen Piloten ermitteln? Wolfgang Merkelbach aus Pelm ist das gelungen. In akribischer Recherche klärte er das Schicksal des damals 22-jährigen David William Johnston aus Ohio, der am 20. September 1944 an der "Hustley" ums Leben kam.

Pelm. Mit einer Bemerkung in einem Brief, den ein Gerolsteiner Junge seinem Bruder am Tag nach dem Absturz an die Ostfront geschickt hatte, beginnt für den pensionierten Sonderschullehrer Wolfgang Merkelbach (75) im Herbst 2013 eine ungewöhnliche, von Zufällen geprägte, Zeiten und Länder überbrückende Recherche. Im Brief steht, dass "über dem Maschinenschuppen ein Feindflieger zerschellt" sei. Merkelbach liest ihn im Rahmen von Recherchen seiner Ehefrau Thea für deren fünften Pelmer Chronikband. Der Kreis schließt sich mit einem Foto vom 27. Mai 2014, auf dem die über 90-jährige Jeanne Carter-Blackstone erstmals am Grab ihres ehemaligen Verlobten David William ("Bill") Johnston auf dem Friedhof in Youngstown (Ohio) zu sehen ist.
Die Geschichte: In Frankreich war seinerzeit die amerikanische Staffel mit zwölf "Thunderbolts" gestartet, hatte einen Aufklärungseinsatz im Raum Bonn, Wissen, Düsseldorf absolviert, auf dem Rückflug kurz nach 16 Uhr in Gerolstein die Bahnanlagen angegriffen und dabei den Forstangestellten Matthias Drückes (45) tödlich getroffen. Johnston hatte als Gruppenführer den Lokschuppen ins Visier genommen, das Flugzeug aber nicht mehr hochziehen können, Baumwipfel gestreift und war am Hustleyfelsen zerschellt.
"Mit ziemlicher Sicherheit war es ein Flugfehler", erklärt Wolfgang Merkelbach, der mehr als ein Dutzend Augenzeugen befragte. Er glaubt, dass Johnston sich an dem Tag möglicherweise "noch etwas beweisen wollte"; denn am nächsten Tag sollte er nach Hause fliegen - zu Vater und Geschwistern und zu seiner Verlobten. Von seinem auch von Kindern und Jugendlichen beobachteten spektakulären Absturz und seinem Tod erfahren sie am 12. Oktober. Zu diesem Zeitpunkt liegt Johnstons Leichnam bereits seit drei Wochen in einer Nische des Hustleyfelsen, verscharrt auf Anordnung von SS-Soldaten mit den von Zeitzeugen überlieferten Worten: "Den sollen die Füchse fressen." Bis die sterblichen Überreste von Bill Johnston im August 1953 auf dem Friedhof seiner Heimatstadt Youngstown beigesetzt werden, spielt sich nach Merkelbachs Recherchen eine "beinharte Knochengroteske" ab - mit der Absturzstelle an der Hustley und dem Gerolsteiner Friedhof als Schauplätzen, einem unehrlichen örtlichen Totengräber und einem klug reagierenden Schrottsammler aus Rockeskyll in den Hauptrollen und einem englisch-amerikanischen Knochentausch als Schlussakt.
Erst aufgrund der Recherchen von Wolfgang Merkelbach findet der Grabbesuch der früheren Verlobten von Bill Johnston im Mai 2014 statt. Jeanne Carter-Blackstone wird begleitet von ihrem jüngsten Sohn Jay, einem Rechtsanwalt, der befreundet ist mit einem Mitarbeiter des Gerichts in Youngstown. Und auf dessen Schreibtisch war Merkelbachs Anfrage gelandet. "Eine ungewöhnliche Geschichte mit unglaublichen Zufällen", resümiert der Hobbyhistoriker aus Pelm.Extra

Unter dem Titel "Den sollen die Füchse fressen ...!" hatten Wolfgang und Thea Merkelbach mit einer Bildpräsentation von Marion Janitschke aus Pelm und einer Ausstellung von Fundstücken von Johann Meyer aus Berndorf am 25. September 2014 im Rathaus Gerolstein einen Vortragsabend gestaltet. Er fand im Rahmen des Programms der Volkshochschule Gerolstein statt. Insgesamt 80 Zuhörer verfolgten die spannend aufbereitete Geschichte vom Absturz des amerikanischen Jägers und der Bergung der sterblichen Überreste des Piloten. Auch der Bericht über den Kontakt mit dem Sohn der Verlobten des Piloten wurde aufmerksam aufgenommen. An der Zeitzeugenbefragung in Pelm und Gerolstein und der Suche nach Wrackteilen an der Absturzstelle bei Pelm/Gerolstein war Wolfgang Merkelbach von Rainer Nowotny aus Gerolstein unterstützt worden. bb

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