Rechnungen manipuliert? - Mediziner muss sich vorm Wittlicher Amtsgericht verantworten

Wittlich · Betrug in sieben Fällen wird einem ehemaligen leitenden Arzt eines Krankenhauses in der Region vorgeworfen. Deswegen muss sich der heute 70-Jährige derzeit vor dem Wittlicher Amtsgericht verantworten. Ein Urteil wird frühestens kommende Woche verkündet - noch gibt es einige Unklarheiten.

Wittlich. Sichtlich verblüfft nimmt Strafrichter Hermann-Josef Weber im Sitzungssaal des Wittlicher Amtsgerichts die abschließenden Worte des Angeklagten zur Kenntnis. "Es war sehr angenehm mit Ihnen", bedankt dieser sich am Ende des Verhandlungstags. Genauso ungewöhnlich wie der Dank des Angeklagten in Richtung des Richters ist auch die Person des Angeklagten selbst: ein ehemals leitender Arzt eines Krankenhauses in der Region, 70 Jahre alt.

Die Anklage: Wegen des Vorwurfs des Betrugs steht der Mann vor Gericht. Er soll zwischen 2008 und 2010 fingierte Zahnarztrechnungen von ihm, seiner Frau und seiner jüngsten Tochter bei der Beihilfe (siehe Hintergrund) eingereicht haben: In vier Fällen sollen Beträge, die darin ausgewiesen waren, nicht mit dem übereingestimmt haben, was der Angeklagte tatsächlich an die Praxis überwiesen hatte. Lediglich 70 Prozent des jeweils eingereichten Rechnungsbetrags soll er gezahlt haben. Die Abrechnungsstelle der Beihilfe dagegen berechnete ihre Rückzahlungen der Behandlungskosten an den Angeklagten anhand der ihr vorliegenden Rechnungen.
In drei weiteren Fällen sollen Rechnungen zurückdatiert worden sein: laut Anklage auf einen Zeitpunkt, an dem der Arzt noch Beihilfe bezogen hatte und damit die Zahnarztkosten noch von dieser erstattet bekam. In einem Fall soll auf diese Weise ein Schaden von knapp 3000 Euro entstanden sein, in den sechs weiteren vorgeworfenen Fällen geht es um Beträge im zwei- sowie niedrigen dreistelligen Bereich.
Ursprünglich sollte das Verfahren gegen den 70-Jährigen per Strafbefehl mit der Verhängung einer Geldstrafe beendet werden. Dagegen allerdings legte er Einspruch ein, so dass er sich vor dem Strafrichter verantworten muss. Zur Sache äußert sich der Angeklagte vor dem Wittlicher Amtsgericht jedoch nicht.

Die Hauptzeugen: Zwei Zahnärzte hatten ebenfalls Strafbefehle wegen Beihilfe zum Betrug erhalten - und die darin verhängten Geldstrafen akzeptiert. Die Sache ist damit für sie rechtskräftig. Dennoch tragen sie vor dem Wittlicher Amtsgericht nur bedingt zur Aufklärung bei. Die eine Zeugin beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Sie ist ebenfalls eine Tochter des Angeklagten. Der andere - der Praxisinhaber - gibt sich zunächst ahnungslos: Weder habe er den Angeklagten behandelt, noch Absprachen bezüglich der Rechnung mit ihm getroffen, noch habe er von solchen Absprachen gewusst. "Für mich wäre es bemerkenswert, wenn Sie einen Strafbefehl von 9000 Euro akzeptieren würden, ohne etwas von der Sache gewusst zu haben", zweifelt Strafrichter Weber am Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Auch Staatsanwalt Dr. Nannen warnt den Zeugen eindringlich vor einer Falschaussage.
Dieser aber windet sich weiter, will weder seine Partnerin noch den Angeklagten belasten. "Er ist der Vater einer Kollegin, die mein absolutes Vertrauen genießt", betont der Zahnarzt, "aber sie hat diese Dinge mit ihrem Vater ausgemacht, die Termine, die Behandlung." Plausibel erklären, warum er weiter mit der Kollegin arbeite, obwohl sie ihn bei der Buchführung - zumindest nach seiner Darstellung - hintergangen hatte, kann er nicht.

Die Ermittlungen: Bei einer Durchsuchung der Praxis und des Hauses des Zahnarztes hatte die Polizei die Behandlungsdaten bezüglich des Angeklagten, seiner Ehefrau und der jüngsten Tochter, die danach gestellten Rechnungen und die auf den Kontoauszügen dazu getätigten Überweisungssummen sichergestellt. Auf einigen Rechnungen standen Vermerke wie "Nur 70 Prozent" und "Restforderungsverzicht".
Verteidiger Dr. Thomas Roggenfelder bemängelt Ermittlungslücken: "Es gibt Fälle in der Akte, zu denen es keine Rechnungen gibt, also auch keine Belege." Zudem sei nicht ermittelt worden, ob sein Mandant wirklich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr 2010 seine Beihilfeberechtigung verloren habe: Nur dann hätte schließlich eine Rückdatierung der Rechnungen, wie in der Anklage in drei Fällen vorgeworfen, für seinen Mandanten überhaupt einen Sinn gehabt. "Das lässt sich gegebenenfalls nachermitteln", befindet auch Strafrichter Weber.
Er vertagt den Prozess auf kommenden Mittwoch, 1. April. Dann sollen weitere Zeugen gehört werden. "Ich komme gerne wieder", sagt der Angeklagte zum Abschied.Extra

Beihilfen sind Kostenbeteiligungen des Dienstherrn an Aufwendungen etwa in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen. Sie sind Bestandteil der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten. Mit der Beihilfe wird ein Teil der im Einzelfall entstehenden Krankheitskosten übernommen. Aufwendungen sind beihilfefähig, wenn sie notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. neb

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