Windräder führen zu atmosphärischen Spannungen

Trier · Windräder. Für den einen sind sie ein Zeichen des Aufbruchs in ein neues Energiezeitalter. Für den anderen hässliche Stahlgiganten, die die Landschaft verschandeln. Überall in der Region werden derzeit Flächen für Windparks ausgewiesen. Und fast überall prallen Gegner und Befürworter aufeinander.

Windräder führen zu atmosphärischen Spannungen
Foto: Julian Stratenschulte (g_pol1 )

Trier. So viele Hoffnungen sind mit der Windkraft verbunden. Es geht dabei nicht nur um den Wunsch nach sauberer, sicherer Energie, sondern auch um finanzielle Interessen. Dörfer, die sich sonst bei jedem Blümchen, das sie auf dem Dorfplatz pflanzen, bei jeder kaputten Kinderschaukel oder jedem zu füllenden Schlagloch fragen müssen, wie sie das finanzieren sollen, hoffen, dank der Windenergie wieder ein bisschen Handlungsspielraum zu bekommen. Kommunale Wälder und Weiden, über denen der Wind zügig weht, bieten Aussicht auf ein bisschen Wohlstand.
So mancher Dorfbewohner hingegen fürchtet die Aussicht auf fast 200 Meter hohe Stahlgiganten. Furcht gibt es auch vor Schattenwurf, den ungewissen gesundheitlichen Auswirkungen des Schalls, dem Wertverlust des Eigenheims oder der möglichen Naturzerstörung. Wo Windkraftflächen geplant werden - und das geschieht derzeit fast in allen Verbandsgemeinden der Region Trier -, gibt es nahezu unausweichlich Gegenwind.
Bürger sammeln Unterschriften (so wie kürzlich in Zemmer oder Neuerburg), sie wünschen sich Bürgerentscheide (wie in Heidenburg), Gemeinden klagen über die Pläne anderer Gemeinden (so wie aktuell in Paschel, VG Kell), Antiwindkraftgruppierungen werden in die Räte gewählt, die Diskussionen sind hitzig und nicht selten gibt es Streit. Wie der eskalieren kann, zeigte sich vor einigen Wochen in der Vulkaneifel: Ortsbürgermeister drohten an, sich nicht mehr an touristischen Projekten zu beteiligen, wenn der Verbandsgemeinderat Kelberg den vorgeschriebenen Abstand der Anlagen zu den Dörfern von 900 auf 1000 Meter erhöht. Die Wählergruppe "Sturm im Wald" warf den Ortschefs daraufhin Geldgier und Erpressung vor …
Nicht immer geht der Streit so weit. Doch debattiert wird überall. "Das fordert den Räten sehr viel ab", sagt Aloysius Söhngen (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm und Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes. Während andere der Landesregierung vorwerfen, Unfrieden gestiftet zu haben, als sie den Kommunen die Planungsverantwortung übertrug, findet Söhngen es trotz aller Diskussionen richtig, die Basis entscheiden zu lassen. Schließlich hätten die unmittelbar Betroffenen so die Gelegenheit, ein Wort mitzureden. Auch das Klimaschutzministerium in Mainz betont, dass die Bürger nur so beteiligt werden könnten.
Doch selbst, wenn sich alle einig sind, läuft noch lange nicht alles glatt. Bis sich ein Windrad dreht, gibt es jede Menge Hindernisse zu überwinden. Da gibt es Konflikte mit Betreibern von Wetterradarstationen wie in Neuheilenbach oder Probleme mit Flughäfen und Funkfeuern wie in Nattenheim. "Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Bundesbehörden ist aus unserer Sicht noch nicht optimal", sagt Felix Wächter, Pressesprecher der Juwi AG, eines Projektentwicklungsunternehmens, das in Rheinland-Pfalz aktuell 200 Energieprojekte betreut. Auch Mopsfledermäuse, Schwarzstörche und Rotmilane bedeuten oft das Ende eines Projekts. Aktuelles Beispiel: In Hermeskeil ist wegen des Artenschutzes fraglich, ob es Baugenehmigungen für alle geplanten Windparks geben wird.
Der Kreis Trier-Saarburg bemängelt, dass im Bereich des Artenschutzes Grundlagenerhebungen fehlen - zum Beispiel zur Mopsfledermaus -, was die Genehmigungsverfahren langwierig und teuer mache. Auch diverse andere Fragen sind nicht endgültig geklärt. Zum Beispiel jene, wo genau die Grenze der Kulturlandschaft Mosel verläuft, die für Windräder tabu ist. Eine Frage, die man sich in Riol stellt, wo oberhalb des Moseltals Windräder geplant sind.
Und schließlich gibt es neben den politischen Unwägbarkeiten - die Vergangenheit hat gezeigt, wie rasant sich die Rahmenbedingungen der Energiewende ändern können - noch ungelöste technische Fragen: Wie sieht das perfekte Stromnetz aus? Wie lässt sich die Energie günstig und effektiv speichern? Fragen, die man auch in der Region beantworten will.Supernetz geplant


So wird in der Eifel bei Prüm und Bitburg mit Spannungsreglern experimentiert, die von erneuerbaren Energien verursachte Schwankungen im Netz ausgleichen sollen. Außerdem ist an der Mosel ein Pumpspeicherkraftwerk geplant, das die von Windrädern erzeugte Energie speichern könnte. Allerdings liegt das Millionenprojekt derzeit aus finanziellen Gründen auf Eis. Und dann ist da noch das geplante, 140 Millionen Euro teure "Regionale Verbundsystem Westeifel". Ein Supernetz für Trinkwasser, Biogas, Internet und Strom, das die Region Trier mit den Ballungszentren in Nordrhein-Westfalen verbindet und die in der Eifel erzeugte Energie dorthin transportieren kann, wo sie gebraucht wird.
Trotz aller Hindernisse vollzieht sich die Energiewende in der Region Trier mit hohem Tempo. Während landesweit erst 23 Prozent des benötigten Stroms regenerativ erzeugt werden, so sind es im ehemaligen Regierungsbezirk rings um die Römerstadt schon fast 70 Prozent. Damit liegt die Region Trier landesweit an der Spitze - und zwar mit Abstand (gefolgt von der Region Mittelrhein-Westerwald mit nur 25 Prozent). 1,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid können so jährlich gespart werden.
Absoluter Spitzenreiter ist der Eifelkreis Bitburg-Prüm, der mit 134 Prozent rechnerisch schon zum Energieexporteur geworden ist. Zudem stellt die Region nach Angaben der regionalen Planungsgemeinschaft bereits 20 Prozent der vor Ort benötigten Heizenergie selbst her. Die Hoffnung auf saubere Energie und auch jene auf neue Einnahmen hat sich in Eifel und Hunsrück vielerorts also bereits erfüllt.Extra

Windkraft: Nach Angaben des Klimaschutzministeriums drehten sich Ende 2014 in Rheinland-Pfalz 1470 Windräder mit einer Gesamtleistung von 2730 Megawatt, davon 300 im Wald. Beim Zubau lag das Land 2014 bundesweit auf Platz vier. Etwa die Hälfte der fast 1000 weiteren in Rheinland-Pfalz geplanten Anlagen soll im Wald entstehen. In der Region drehen sich 445 Windräder (Eifelkreis Bitburg-Prüm: 251, Vulkaneifel: 92, Trier-Saarburg: 73, Bernkastel-Wittlich: 29). 21 weitere sind regionweit genehmigt, 133 beantragt und 102 weitere sind geplant (Stand 2014). Die höchste bestehende Anlage in der Region Trier misst 179 Meter. Die durchschnittliche Höhe liegt bei 116 Metern. Bioenergie: Laut Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord gab es 2014 in der Region Trier 95 Biogas- und Biomassefeuerungsanlagen. Neun weitere waren genehmigt, sechs weitere geplant. Bei den Biogasanlagen stagniert der Zubau. Solarenergie: 14 493 Fotovolta ikanlagen sind regionweit am Netz, bei rund 50 davon handelt es sich um großflächige Freilandanlagen. In ganz Rheinland-Pfalz speisen 85 500 Fotovoltaikanlagen 1,8 Gigawatt Strom in die Netze ein. Wasser: Rings um Trier sind 25 größere Wasserkraftwerke am Netz (216 Megawatt installierte Leistung). Geothermie: Da die Region sich dazu geologisch nicht eignet, gibt es hier keine Geothermiekraftwerke, die Strom erzeugen. Allerdings hat die Bedeutung von Erdwärmesonden stark zugenommen: Nach Einschätzung der Baubehörden soll laut Antrag inzwischen jeder zweite Neubau mit Hilfe von Erdwärme geheizt werden. kahExtra

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So viel des vor Ort benötigten Stroms erzeugen die Kommunen der Region mithilfe von Wind, Sonne, Wasser oder Biogas: Stadt Trier: 17 Prozent, Kreis Bernkastel-Wittlich: 50 Prozent, Kreis Vulkaneifel: 53 Prozent, Kreis Trier-Saarburg: 94 Prozent, Eifelkreis Bitburg-Prüm: 134 Prozent. Der Landesschnitt liegt bei 23 Prozent. So viel des vor Ort benötigten Stroms erzeugen die Regionen des Landes: Trier: 68 Prozent, Mittelrhein-Westerwald: 25 Prozent, Rheinhessen-Nahe: 16 Prozent, Rhein-Neckar: 15 Prozent, Westpfalz: 5 Prozent. kah

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