Vor 75 Jahren im Konzentrationslager ermordet: Gestapo verhaftet 26-Jährigen Wittlicher wegen des Abhörens ausländischer Nachrichten

Wittlich · Wegen des "Abhörens ausländischer Nachrichten" wurde der 26-jährige Karl Schröder am 20. September 1939 verhaftet. Vermutlich hatten Kollegen aus dem Finanzamt ihn denunziert. Am 18. April 1940 - also fast auf den Tag genau vor 75 Jahren- wurde der Wittlicher im Konzentrationslager Sachenhausen in Oranienburg/Brandenburg ermordet.

 Im Alter von 27 Jahren starb der Wittlicher Karl Schröder im KZ Sachsenhausen. Foto: privat

Im Alter von 27 Jahren starb der Wittlicher Karl Schröder im KZ Sachsenhausen. Foto: privat

Wittlich. Karl Schröder wurde am 20. Januar 1913 in Wittlich geboren. Er lebte mit seinen Eltern und fünf Geschwistern in der Sporgrabensiedlung. Beschäftigt war er beim Finanzamt Wittlich. Sein Vater war der bei den Stadtwerken angestellte Elektriker Nikolaus Schröder, geboren 1888 in Wittlich, seine Mutter die in Traben-Trarbach 1889 geborene Luise Beitzel.

Vermutlich wurde Karl Schröder aus der Kollegenschaft denunziert und daraufhin aufgrund der "Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen" verhaftet. Sie war erst kurz zuvor, am 1. September 1939, dem Beginn des von Hitler angezettelten Zweiten Weltkrieges, in Kraft getreten und führte aus: "Im modernen Krieg kämpft der Gegner nicht nur mit militärischen Waffen, sondern auch mit Mitteln, die das Volk seelisch beeinflussen und zermürben sollen. Eines dieser Mittel ist der Rundfunk. Jedes Wort, das der Gegner herübersendet, ist selbstverständlich gelogen und dazu bestimmt, dem deutschen Volke Schaden zuzufügen."Haftbefehl vom Amtsgericht


Das absichtliche Abhören ausländischer Sender war nach Paragraph 1 der Verordnung verboten. Zuwiderhandlungen konnten mit Zuchthaus bestraft werden, in leichteren Fällen mit Gefängnis. Wer nach Paragraph 2 Nachrichten ausländischer Sender, die geeignet waren, die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden, vorsätzlich verbreitete, konnte mit Zuchthaus, in besonders schweren Fällen mit dem Tode bestraft werden. Verstöße gegen die Rundfunk-Verordnung konnten nur auf Antrag der Gestapo verfolgt werden. Damit die Gestapo von dem Abhören Kenntnis erhielt, musste eine Anzeige vorliegen. Meist geschah dies durch gezielte Denunziationen, überwiegend aus dem unmittelbaren Nachbars-, Bekannten- und Verwandtenkreis wie hier im Fall Schröder auch.

Der Haftbefehl gegen Karl Schröder wurde am 23. September 1939 vom Amtsgericht Wittlich ausgestellt. Er kam zunächst in Untersuchungshaft ins Wittlicher Gefängnis, anschließend in die Haftanstalt Trier. Aus dieser Zeit haben sich mehrere Briefe von ihm an seine Familie erhalten. Darin geht es häufig um Dinge des täglichen Bedarfs und einige Kleinigkeiten, um die er bittet, sie beim nächsten Besuch mitzubringen oder ihm zuzusenden.

Ein großes Anliegen ist es ihm, frei zu kommen, um dann in der Wehrmacht zu dienen. "Ich möchte trotz der Anzeige, die gegen mich vorliegt, doch beweisen, dass ich Deutscher bin und als solcher helfen will, das Vaterland zu beschützen", schreibt er verzweifelt am 26. November 1939. Am 2. Dezember wiederholt er seinen Wunsch, zum Heer einberufen zu werden: "Hoffentlich darf ich recht bald den grauen Soldatenrock anziehen."

Am 24. Dezember, dem Heiligen Abend, wird es nach seiner Einschätzung das letzte Mal sein, dass er aus Trier schreibt, denn wahrscheinlich werde er am 3. oder 4. Januar nach "Buchenwalde bei Berlin" verlegt. Inzwischen war jedoch das Strafverfahren gegen Karl Schröder mit Beschluss vom 22. Dezember 1939 eingestellt worden, der Angeklagte vom Amtsgericht Trier freigesprochen, der Haftbefehl aufgehoben. Doch schon beim Verlassen des Gerichtsgebäudes wurde Schröder von der Gestapo erneut verhaftet. Dies erfolgte wohl deshalb, weil die Wittlicher NSDAP-Ortsgruppenleitung gegenüber der Gestapo Schröder als unzuverlässig einstufte. Die Mitglieder der Familie Schröder waren damals wohl als Sozialdemokraten und Antifaschisten sowie als judenfreundlich bekannt, wie aus einem Zeugnis der SPD Wittlich aus der Zeit nach dem Krieg hervorgeht. Grund genug für die Gestapo für die erneute Einkerkerung.

Weiter in Haft, teilte Schröder im nächsten Brief mit, er wisse nicht, ob und wann er von Trier wegkomme. "Hoffentlich wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis ich wieder bei Euch sein darf", ist seine letzte Botschaft aus dem Trierer Gefängnis am 7. Januar 1940. Vier Wochen später erreicht die Familie ein Brief aus dem KZ Sachsenhausen/Oranienburg. Sein letztes Lebenszeichen, ein Brief vom 3. März aus dem KZ, enthielt die Bemerkung: "Gesund bin zwar, aber zu Hause möchte ich doch lieber sein." Alle Verbindungen brachen seitdem ab.Im KZ erschlagen

 „Bin noch gesund und munter“ heißt es weiter in dem Brief, den Schröder im Februar 1940 seiner Familie schrieb. Foto: privat

„Bin noch gesund und munter“ heißt es weiter in dem Brief, den Schröder im Februar 1940 seiner Familie schrieb. Foto: privat

Foto: (m_wil )

Am 19. April 1940 erhielten die Eltern Schröder ein Telegramm aus Oranienburg: "Sohn Karl an Zellgewebeentzündung verstorben. Kommandant." Im Totenbuch des KZ Sachsenhausen ist der 18.April 1940 als Todesdatum von Karl Schröder vermerkt. Sein Vater konnte ihn vor der Einäscherung nur noch an einem besonderen Merkmal identifizieren. Nach Aussage von Mithäftlingen wurde Karl Schröder erschlagen, was den stark entstellten Zustand der Leiche erklären dürfte. Diese durfte entgegen dem Wunsch des Vaters nicht nach Wittlich überführt werden, lediglich die Aschenurne wurde der Familie überlassen. Grundlos, wie Millionen andere auch, wurde Karl Schröder im Alter von 27 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet.

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