"Bahnkunden werden nicht klatschen"

Berlin · Mit markigen Worten gegen die Deutsche Bahn brachte sich GdL-Chef Klaus Weselsky gestern schon ein paar Stunden vor Beginn des Mega-Lokführerstreiks in Kampfstimmung. Auf einer Pressekonferenz in Berlin ließ er keinerlei Kompromissbereitschaft in dem nun schon seit rund zehn Monaten andauernden Tarifkonflikt erkennen. Die Politik reagiert zunehmend gereizt.

Berlin. Seit gestern läuft der bereits achte Streik in der aktuellen Tarifauseinandersetzung zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft GdL. Und ihr Vorsitzender, Klaus Weselsky, ist fest entschlossen, die Sache wie angekündigt durchzuziehen. Bis zum Sonntag sollen bundesweit kaum noch Personen- und Güterzüge rollen - so lange wie noch nie in dem derzeitigen Konflikt.
Eine Lösung ist nicht in Sicht. Auch den Vorschlag des Deutschen Beamtenbundes (dbb), Dachverband der GdL, einen unabhängigen Schlichter einzuschalten, schlug Weselsky gestern in den Wind. "Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten", sagte er. Klaus Dauderstädt, dbb-Chef, hatte sich dafür stark gemacht, "auf einen unabhängigen Dritten zurückzugreifen", falls der laufende Streik nicht zu einem Ergebnis führe. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützte diese Idee: Dies sei ein möglicher und gangbarer Weg, meinte die Regierungschefin.
Derweil machte Weselsky die Bahn für die Eskalation der Lage verantwortlich. Deren Verhandlungsführung sei eine "Schmierenkomödie", denn die Bahn tue alles, "um kein Ergebnis zu erzielen", so der GdL-Chef. Das Unternehmen hatte angeboten, die Löhne vom 1. Juli an um 3,2 Prozent und zwölf Monate später um weitere 1,5 Prozent zu erhöhen. Zudem sollte es eine Einmalzahlung von insgesamt 1000 Euro geben. Die GdL will insgesamt fünf Prozent mehr Geld und eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde auf 38 Wochenstunden.
Kern der Auseinandersetzung ist jedoch die GdL-Forderung, auch für andere Bahn-Berufsgruppen, wie etwa die Lok rangierführer, zu verhandeln, die bislang von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) tariflich vertreten wurden. Die Bahn verhandelt mit beiden Seiten, strebt aber ein möglichst deckungsgleiches Tarifwerk an.
Nach Angaben Weselskys sind 30 Prozent der Lokrangierführer in der GdL organisiert. Selbst wenn es nur "einer" sei, habe die GdL das Recht, für ihn einen Tarifvertrag abzuschließen, meinte Weselsky. Für derlei Fälle gab es in der Vergangenheit ein Kooperationsabkommen zwischen GdL und EVG, das jedoch im Juni 2014 ersatzlos auslief. Seitdem herrscht praktisch Funkstille zwischen beiden Organisationen.
Führenden Bundespolitikern sind diese verhärteten Fronten zunehmend ein Gräuel. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mahnte: "Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht." Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte "Verständnis dafür, dass viele Bürger über das Ausmaß des Streiks verärgert sind". Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sorgt man sich indes um die wirtschaftlichen Folgen: Die Konsequenz seien "leere Lager, unterbrochene Wertschöpfungsketten und Produktionsausfälle", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführungsmitglied Dieter Schweer. Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft könnte sich der volkswirtschaftliche Schaden auf 50 Millionen Euro pro Streiktag summieren.
Weselsky stellte sich gestern auf stürmische Streiktage ein: "Wir wissen, dass die Bahnkunden nicht vor Begeisterung am Bahnsteig stehen und klatschen."

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