Entscheidung in letzter Sekunde - Flüchtlingsfamilie in Prüm: Vater muss fort, während Sohn auf Operation wartet

Prüm · Eine Flüchtlingsfamilie aus dem Kosovo, untergebracht in Prüm, sollte heute ins bayerische Amberg umgesiedelt werden. Allerdings wartet der kleine Sohn Amar auf eine Operation, die ihm sein Augenlicht zurückgeben soll. Und die wäre nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich, wenn er die Region verlassen muss. Seit gestern weiß die Familie: Mutter und Kinder dürfen bleiben, der Vater aber muss nach Bayern.

 Familie Maksuti - vorn Vater Muhamed mit Amar - und ihre beiden Helfer aus Olzheim, Rainer (hinten) und Annette Schwalen. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Familie Maksuti - vorn Vater Muhamed mit Amar - und ihre beiden Helfer aus Olzheim, Rainer (hinten) und Annette Schwalen. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

"Das Kindchen kann sich nicht wehren", sagt Annette Schwalen. Das Kindchen ist der kleine Amar Maksuti. Der Junge wurde im Januar 2014 geboren, nach nur sechs Monaten Schwangerschaft. Amar ist blind und gehörlos.
Die 70-jährige Olzheimer Bürgerin kümmert sich zusammen mit ihrem Mann Rainer (72) seit Monaten um Flüchtlinge, die in der Region landen, sammelt Sach- und Geldspenden. Auch für die Familie Maksuti - und sie weiß jetzt keinen anderen Rat mehr, als von Amnesty International über Pro Asyl bis zu Behörden und Medien alles einzuschalten, was Hoffnung versprechen könnte in diesem besonders schwierigen und traurigen Fall: Zusammen mit seinen Eltern Merita und Muhamed und vier Geschwistern lebt der kleine Junge derzeit in der Prümer Stadtwaldsiedlung.
Und könnte bald zumindest einen Teil seiner Sehkraft erhalten, eine Operation in der Mainzer Augenklinik vor zwei Wochen verspricht Besserung, eine weitere ist für Mittwoch, 27. Mai, angesetzt. Später sollen ihm Transplantate in den Ohren auch das Hören ermöglichen.
Aber die Familie sollte nun laut behördlicher Anweisung die Abteistadt verlassen und ins bayerische Amberg übersiedeln. Und von dort wäre eine Reise nach Mainz nur unter deutlich größerem Aufwand möglich.
Warum Amberg? Die Frage ist schnell geklärt: Die Kosovaren hätten im Februar, so die Auskunft der Pressestelle des Eifelkreises Bitburg-Prüm nach TV-Anfrage, von der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende erhalten, dann seien sie dem Eifelkreis Bitburg-Prüm "zur Durchführung des Asylverfahrens zugewiesen" worden.Die erste Adresse gilt weiter


Bei der Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Trier am 5. Mai aber sei festgestellt worden, "dass es sich bei dem Vater Muhamed Maksuti um einen Folgeantragsteller handelt".
Das heißt: Der heute 45-jährige Maksuti war bereits Ende der 1990er Jahre einmal bei der Ausländerbehörde in Amberg gemeldet - sozusagen seine erste Adresse in Deutschland. Und die gilt weiterhin. Deshalb sei am Montag dieser Woche "die Verteilungsentscheidung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier storniert" worden. Konsequenz: Die Familie muss Prüm verlassen, der Asyl-Folgeantrag sei beim Bundesamt in der Außenstelle Zirndorf zu stellen.
Immerhin gibt es eine halbwegs gute Nachricht: Nach Absprache mit der Ausländerbehörde Amberg sei "die Weiterbehandlung des Kindes in der Uniklinik Mainz gewährleistet".
Das aber ist Annette Schwalen noch zu wenig, denn es will ihr einfach nicht in den Kopf: "Ein Kindchen, das blind ist, und Behörden, die Nein sagen. Sind die Heiligen da oben alle am schlafen, dass sie sich nicht kümmern?"
Die Olzheimerin kümmert sich jedenfalls weiter. Kurz darauf sagt man auch ihr: In Trier und der Eifel ist niemand zuständig. Die Entscheidung treffe die Außenstelle des Bundesamts in Zirndorf. Anruf dort: Nein, sagt eine sehr freundliche Riana König: Zwar stimme es, dass Muhamed Maksuti den Folgeantrag tatsächlich in Zirndorf stellen müsse. Aber für die Unterbringung sei das Bundesamt nicht zuständig - sondern die Ausländerbehörde in Amberg. Und dort müsse die Familie, wenn sie vorerst in Prüm bleiben wolle, einen sogenannten Umverteilungsantrag stellen.
In Amberg sagt hingegen Sachbearbeiter Ralph Spies, dass man gegenüber der Ausländerbehörde in Bitburg Bedenken geäußert habe über die Entscheidung, die Familie nach Bayern zu schicken: Immerhin seien fünf von sechs Personen Erstantragsteller, insofern könne man auch alle zusammen in der Eifel lassen. Falls sie aber nach Amberg geschickt würden, "dann werden wir uns um sie kümmern. Und uns auch nicht querstellen, dass die OP stattfindet. Das unterstützen wir natürlich".
Annette Schwalen hat gestern noch einmal mit dem Krankenhaus in Mainz telefoniert. Und eine sehr nette Schwester habe ihr geraten, eine E-Mail an den verantwortlichen Arzt zu senden: "Vielleicht kann der noch was machen." Muss er aber dann doch nicht. Gegen Mittag kommt, endlich, die Nachricht, dass der Rechtsanwalt der Familie mit einem Antrag in Bitburg zumindest einen Teilerfolg erzielt habe: Weil sie Erst-Antragsteller sind, dürfen Merita Maksuti und die Kinder in Prüm bleiben. Der Vater aber muss heute nach Bayern reisen - und in Zirndorf beantragen, dass er wieder in die Eifel zurückkehren kann.Meinung

Zuständigkeiten
Schauen wir auf das Gute: Gäbe es nicht Menschen wie Annette und Rainer Schwalen, wer weiß, ob die kosovarische Familie nicht heute im Zug nach Bayern säße. Das Gestrüpp der Regularien und Zuständigkeiten ist so dicht, dass man da selbst als Deutscher kaum durchkommt. Dass man bei den Behörden alles richtig machen will, ist verständlich, wobei sich hier beispielhaft zeigt, dass menschliche Schicksale eben nicht einfach "zu regeln" sind. Dass aber nahezu Himmel und Hölle dafür in Bewegung gesetzt werden mussten, bis die Familie endlich wusste, dass zumindest Frau und Kinder bleiben können, ist schon zum Aufregen in unserem Bundesland, das sich als so familien- und ausländerfreundlich darstellt.
f.linden@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort