„Ich sehe Eintracht Trier dauerhaft als ambitionierten Ausbildungsverein“

Trier · Beim Abstieg aus der 2. Bundesliga war Alfons Jochem im Vorstand. Bei Eintracht Trier sitzt der 54-Jährige weiter im Aufsichtsrat. Im Interview mit TV-Redaktionsmitglied Florian Schlecht spricht er darüber, was mit dem Spiel in Saarbrücken verloren ging, welche Umstände dem Verein Probleme bereiten und wohin der Weg künftig führen soll.


Vor genau zehn Jahren ist Eintracht Trier aus der 2. Bundesliga abgestiegen. Welche Erinnerungen haben Sie noch daran?
Alfons Jochem: Das war eine riesige Enttäuschung. Kurz zuvor hatten wir noch beim 1. FC Köln gewonnen. Dann holten wir bis zum letzten Spieltag keinen Punkt mehr. Wie wir so einbrechen konnten, ist bis heute unklar.

Welche Folgen hatte der Abstieg?
Jochem: Wir waren schon in der 2. Bundesliga der Verein mit dem geringsten Etat und im hohem Maß abhängig von den Fernsehgeldern. Diese wurden nach dem Abstieg um 80 Prozent gekürzt - und so waren wir auch in der 3. Liga wirtschaftlich limitiert.

Trier hätte beim Klassenerhalt ein neues Stadion gewunken.
Jochem: Um den Verein dauerhaft zukunftsfähig zu machen, sahen wir den Bau eines neuen Stadions als zwingend erforderlich an. Dieses Projekt haben wir mit Unterstützung der Stadt vorangetrieben, da das Moselstadion in der damaligen und heutigen Ausgestaltung trotz aller Anstrengungen den Anforderungen der Bundesliga nicht mehr gerecht wird. Die Gespräche waren damals schon relativ weit fortgeschritten, und wir hielten das Stadion für realisierbar.

Die Mannschaft stieg ein Jahr später direkt wieder ab. Warum?
Jochem: Nach den Jahren in der 2. Bundesliga haben wir unsere Leistungsträger verloren. Wir haben versucht, mit eigenen Talenten zu bestehen, die A-Jugend spielte damals in der Bundesliga, die zweite Mannschaft in der Oberliga. Leider hat das damals nicht funktioniert.

Aus der Viertklassigkeit hat sich der Verein bis heute nicht befreien können. Die Fans träumen dagegen noch von den glorreichen Zeiten. Wie empfinden Sie den Spagat?
Jochem: Es gibt eine extrem hohe Erwartungshaltung an die Ligazugehörigkeit, die von außen vorgegeben wird. Geht es hiernach, gehören wir in die 2. Bundesliga. Dort hat der Verein lediglich acht Jahre lang gespielt. Er ist aber schon 110 Jahre alt. Das Anspruchsdenken ist nicht angemessen, wenn man sieht, welche Städte und "Sponsorenvereine" in dieser Liga spielen.

Was meinen Sie genau?
Jochem: Der Fußball hat sich gewandelt. Wir müssen uns leider damit abfinden, dass hinter erfolgreichen Vereinen Großinvestoren stehen. Ingolstadt ist jetzt in die Bundesliga aufgestiegen - mit Audi im Rücken. Irgendwann wird das auch Leipzig mit Red Bull schaffen, an Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim haben wir uns gewöhnt. Im Fußball gilt die Regel, dass Geld zwar keine Tore schießt, der Erfolg aber dem Kapital folgt. Trier hat solche Sponsoren nicht. Egal, ob wir über Eintracht, die TBB oder die Miezen reden - hier sind leider alle Vereine chronisch unterfinanziert.

In den zehn Jahren nach dem Abstieg hatte Eintracht Trier elf Trainer. Laut dem Internetportal Transfermarkt gab es 173 Neuverpflichtungen und 182 Abgänge. Das spricht auch für fehlende Kontinuität.
Jochem: Der Sport ist inzwischen so, dass es häufig nur noch Ein-Jahres-Verträge gibt. Viele Berater wollen ihre Spieler weiter vermitteln und dabei mit verdienen. Das ist kein spezifisches Phänomen, das nur für Eintracht Trier gilt. Wobei ich nicht sagen will, dass keine Fehler gemacht wurden.

Welcher Fehler ärgert Sie besonders?
Jochem: Dass wir die Lücke nie adäquat ausgefüllt haben, die Horst Brand mit seinem Rücktritt in der 2. Bundesliga hinterlassen hat. Er war Sportlicher Leiter - ein Bindeglied zwischen Mannschaft und Vorstand. Diese Position im Ehrenamt auszufüllen, wie lange geschehen, ist nicht zielführend.

Wie bewerten Sie die Gegenwart von Eintracht Trier?
Jochem: Mit der momentanen Entwicklung kann man zufrieden sein. Der Verein hat vor der Saison den Spielerkader umstrukturiert und auf einige Talente gebaut. Dies hat Peter Rubeck umgesetzt und die Spieler weiterentwickelt und auch eingesetzt. Die Entwicklung in der Rückrunde gibt Hoffnung, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Es entsteht der Eindruck, dass diese Entwicklung auch von den Fans und den Sponsoren mitgetragen wird.

Wie muss sich der Verein künftig aufstellen?
Jochem: Ich sehe Eintracht Trier dauerhaft als ambitionierten Ausbildungsverein, der die besten Talente aus der Region an sich bindet und entwickelt. So wie es der SC Freiburg in der Bundesliga macht. Das ist natürlich mit dem Risiko verbunden, dass auch mal der ein oder andere Spieler geht.

Bedeutet dieser Weg die Abkehr davon, irgendwann wieder in der 3. Liga zu spielen?
Jochem: Nein, aber wir brauchen Kontinuität im Spielerkader, dann kann sich über einen längeren Zeitraum etwas entwickeln. Ansonsten benötigt der Verein viele ehrenamtlich Tätige, die bereit sind, sich einzubringen. Deshalb ist auch der Rücktritt von Ernst Wilhelmi kontraproduktiv, weil er den Verein in den vergangenen Jahren massiv unterstützt hat. Leider ist diese Rolle im Außenverhältnis nie richtig kommuniziert worden. flor
Extra Zur Person

"Ich bin im Stadion aufgewachsen", sagt Alfons Jochem, halb im Scherz, halb im Ernst über sein Verhältnis zu Eintracht Trier. Lange Jahre spielte er für den Verein, der von 1976 bis 1981 schon fünf Jahre in der 2. Bundesliga Süd antrat. Jochem gehörte dem Vorstand an und seit 2008 dem Aufsichtsrat. Als Trainer war Jochem in Luxemburg erfolgreich. Mit dem CS Grevenmacher gewann er in den 1990er Jahren zweimal den Pokal. Der 54-Jährige ist Vorsitzender der Volksbank Hochwald-Saarburg. flor

Videos, Audiotöne und weitere Hintergründe gibt es im Online-Special unter www.volksfreund.de/eintrachttrier

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