So viel passt in einen einzigen Abend

Daleiden · Mit "Lesung" wäre dieser Abend unzureichend überschrieben: Was der Musiker Nicholas Müller und die Kabarettisten Hubert vom Venn und Achim Konejung bei den Eifel-Kulturtagen in Daleiden lieferten, war deutlich mehr.

Daleiden. "Wenn Sie fragen: Was macht ihr heute Abend - wir wissen es selber nicht. Wir haben nur ein Thema: die Eifel", sagt Hubert vom Venn zu Beginn. Und dann wird dieser Abend im Bürgerhaus von Daleiden zu einer höchst gemischten Geschichte - und das ist rundum erfreulich. Was die beiden Kabarettisten und der heimgekehrte Sohn der Gemeinde, Musiker Nicholas Müller, in den folgenden zwei Stunden vor gut 120 Besuchern abliefern, passt einfach auf keine Eifeler Kuhhaut.
Angekündigt ist das Ganze als Lesung - schließlich schreiben vom Venn und Müller gerade an einem Briefwechsel, in dem sie sich über Gott, die Welt und die Eifel austauschen. Die Auszüge, die sie in Daleiden daraus vortragen, kommen prächtig an, zumal sich die Protagonisten darin selbst nicht schonen. Nicholas Müller über seinen ersten Brief, in dem er frühe Raucher-Erlebnisse mit katastrophalem Ausgang schildert: "Ich finde es schön, wenn so ein halbbiografisches Buch damit beginnt, dass man sich im Kino erbrochen hat."
Oder wenn es um früh gescheiterte Annäherungen ans weibliche Geschlecht geht: "Ich war das Gespött der Jungs. Und für Mitleid von den Mädchen reichte es nicht."
Eine Premiere gibt es auch: Konejungs Lied vom verzweifelten Banker, der doch so gerne mal über die Stränge schlagen würde, aber: "Das alles ist nicht drin, weil ich Sparkassenangestellter bin." Das habe er erst am Vortag geschrieben, ruft Konejung in den Applaus hinein: "Und ihr seid die Ersten, die es hören."
Das freut die Daleidener, die natürlich vor allem ihrem groß geratenen Sohn Nicholas Müller einen sehr herzlichen Empfang bereiten und den drei Künstlern überallhin folgen, auch wenn es einmal richtig ernst wird: Als Müller noch einmal davon erzählt, warum er seine Band Jupiter Jones verlassen habe - weil er unter einer Krankheit gelitten habe, "die sich Angststörung nennt". Und davon, wie ihn viele dafür loben, dass er so offen damit umgehe und darüber spreche. Viel wichtiger aber sei, dass es Menschen gebe, die einem zuhören: wie die Deutsche Angst-Selbsthilfe ("Dash"). Die unterstützt der Sänger auch an diesem Abend: Er lässt einen Hut herumgehen, der anschließend, mit vielen Scheinen gefüllt, wieder bei ihm ankommt. "Ich runde das auf und geb denen das, mit ganz vielen Grüßen aus Daleiden - ist das ein Deal?" Großer Applaus.
Wie auch für seine ergreifende Interpretation von Jacques Brels "Amsterdam". Und nichts könnte die irrwitzige Bandbreite des Abends besser belegen als die Nummer, die direkt danach zum Finale kommt: "Hühnchen explodieren am Horizont."
"Die Zeit ging so schnell rum, schon ist das Leben um - das muss ein Missverständnis sein", heißt es in einem weiteren Song von Achim Konejung. Dieser Abend, viel zu schnell vorbei, war kein Missverständnis. fpl

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