Koalition will Kondompflicht und Kontrollen - Freier sollen künftig für ungeschützten Verkehr mit Prostituierten bestraft werden

Trier · Jede Frittenbude muss mehr Auflagen erfüllen als ein Bordell. Das soll sich mit einem neuen Gesetz ändern, das das Wohl der Prostituierten in den Vordergrund stellt. Das Trierer Gesundheitsamt ist den geplanten Änderungen weit voraus. Wegen des hohen Bedarfs werden Sexarbeiterinnen dort schon jetzt kostenlos beraten.

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Trier. Da steht sie am Straßenrand, dunkle Haare, roter Lippenstift, enger Rock, hohe Stiefel und winkt. Wie geht es ihr mit den verächtlichen Blicken der Vorbeifahrenden? Wie mit den Schatten der Nacht? Tut sie das freiwillig? Wo kommt sie her? Wo geht sie hin?

Nicht nur, weil ein großer Teil der in der Region tätigen Prostituierten aus Bulgarien, Rumänien oder Polen stammt und kaum Deutsch spricht, sind Antworten auf solche Fragen schwer zu bekommen. Sondern auch, weil Daten über das Prostitutionsgewerbe in Deutschland generell fehlen. Prostitution ist legal. Sexarbeiterinnen müssen sich weder bei der Stadt noch bei der Polizei melden und entgegen aller Klischees müssen sie auch nicht zu Zwangsuntersuchungen im Gesundheitsamt anrücken. Sie sind für ihre Gesundheit ebenso selbst verantwortlich wie für den Rest ihres Geschäfts.

Wer dennoch etwas mehr über die Frauen erfahren möchte, ist bei Barbara Noldin-Bretz an der richtigen Stelle. Die Gynäkologin arbeitet beim Trierer Gesundheitsamt, das seit 2013 kostenlose und anonyme Untersuchungen für Prostituierte anbietet. Diese kommen meist aus Balkanstaaten, haben einen überwiegend niedrigen Bildungsstand und sind im Schnitt 32 Jahre alt. Seit Herbst 2014 wird die Gynäkologin von einer Sozialarbeiterin unterstützt, die die Frauen in den Bordellen oder am Straßenstrich aufsucht, um sie über das Beratungsangebot zu informieren.

Ein Angebot, das die Stadt Trier und der Kreis Trier-Saarburg gemeinsam freiwillig anbieten, da der Bedarf groß ist: Freier verlangen nicht selten Sex ohne Kondom. Viele der Frauen sind über Verhütung und gesundheitliche Risiken nicht hinreichend aufgeklärt. Manche haben keine Krankenversicherung. Bis Mai haben 46 Prostituierte das Angebot genutzt.

Das mag wenig erscheinen angesichts der 160 bis 200 Sexarbeiterinnen, die in Trier nach Schätzungen des Gesundheitsamtes täglich ihre Dienste anbieten. Doch sei das Misstrauen der Frauen gegenüber Behörden hoch. "Wir würden es daher begrüßen, wenn solche Beratungen gesetzlich verankert wären", sagt Noldin-Bretz. Denn erst im direkten Kontakt könne man den Frauen vermitteln, dass es um ihr Wohl gehe.

Dieses Wohl steht auch im Zentrum eines geplanten Prostituiertenschutzgesetzes, das Anfang 2016 in Kraft treten soll. Derzeit wird noch über Details debattiert. Wichtige Punkte sind laut Bundesfrauenministerium bereits fix. Sexarbeiterinnen sollen sich demnach künftig anmelden müssen. Voraussetzung dafür ist der jährliche Nachweis darüber, dass sie sich beim öffentlichen Gesundheitsdienst beraten lassen. Unter 21-Jährige müssen diesen Nachweis alle sechs Monate erbringen. Zwangsuntersuchungen wie früher soll es nicht geben.

Auch auf Bordellbetreiber kommen neue Regeln zu. Üblicherweise nennen Kritiker der aktuellen Gesetzgebung gerne das Beispiel einer Frittenbude, um zu zeigen, wo es hapert. Das Ministerium nimmt das Beispiel einer Eckkneipe. Denn sowohl Frittenbude als auch Eckkneipe müssen zahlreiche Genehmigungen beantragen, Hygienevorschriften beachten und Kontrollen über sich ergehen lassen.

Ein Bordell muss nichts von alledem. Das soll sich ändern. Künftig entscheiden Behörden, ob sie den Betrieb erlauben. Dazu muss der Betreiber nachweisen, dass er zuverlässig ist - also keine Vorstrafen hat. Auch wird die Behörde die räumlichen, hygienischen und gesundheitlichen Zustände unter die Lupe nehmen und sie hat das Recht, Clubs zu kontrollieren. Für Freier soll eine Kondompflicht gelten. Männer, die sich nicht daran halten, begehen eine Ordnungswidrigkeit.

"Was politisch als Durchbruch gefeiert wird, ist nicht mehr als das Verbot des Pinkelns in der Einsamkeit und dem Dunkel des Waldes", schreibt ein ehemaliger Kriminalhauptkommissar in der Fachzeitschrift Der Kriminalist. Er bezeichnet die Kondompflicht als Farce, das Gesetz als Flop. Es werde kriminelle Strukturen und Abläufe in den Rotlichtmilieus nicht verändern.

Auch die in Trier aktive Frauenrechtlerin Florence Humbert hat da ihre Zweifel. "Die Bordellbetreiber bekommen so ein staatliches Siegel. Aber an den Zuständen wird das nicht viel ändern", sagt sie. Es werde jedenfalls nicht helfen, Menschenhandel aufzudecken. Humbert fordert eine Kriminalisierung der Freier wie in Schweden.

Der Betreiber eines großen Trierer Clubs hingegen findet die geplanten Änderungen positiv. Wohl auch, weil Pauschal-Bordelle demnächst verboten sein sollen. Und diese die Preise, die seit dem Zustrom von Frauen aus Osteuropa ohnehin schon ins Bodenlose gefallen sind, noch weiter drücken.

Die Trierer Frauenbeauftragte Angelika Winter begrüßt die Neuerungen - wenn sie denn dazu dienen, die Frauen zu unterstützen und nicht, sie noch mehr zu stigmatisieren. Auch Noldin-Bretz wünscht sich, dass die Frauen anders gesehen und gewertschätzt würden. Sie erlebt sie als nett und durchaus moralisch. Und Prostitution sei ein wichtiger Job. Meist erfolge sie zudem tatsächlich freiwillig. Mal, weil die Frauen sich das Studium finanzieren, mal, weil im Heimatland drei Kinder versorgt werden müssen, mal, weil sie nichts anderes gelernt haben. Und dann stehen sie da am Straßenrand und winken.

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