Die ganze Welt ist eine Garderobe: Intendant und Schauspieler Karl Sibelius eröffnet Spielzeit mit "Alles bleibt anders"

Trier · Wenn schon, denn schon ... tritt der neue Chef des Hauses zum Saisonauftakt an seinem allerersten Abend in Trier höchstpersönlich auf die Bühne. Für sein Moseldebüt hat Karl Sibelius sich ein Stück seines Landsmanns Georg Kreisler ausgesucht. Premiere ist am 11. September, 18 Uhr.

Die ganze Welt ist eine Garderobe: Intendant und Schauspieler Karl Sibelius eröffnet Spielzeit mit "Alles bleibt anders"
Foto: Daniel Karmann (g_kultur

Adam Schaf hat Angst. Außerdem ist er wütend. Auf den Intendanten, der ihm die schönen Parts verwehrt. Auf die Regisseure, die ihm ständig in sein Konzept reinquatschen. Auf die Schauspielerkollegen, die ihm die besten Rollen wegschnappen. Melancholisch beim Gedanken an seine Zukunft. Und nostalgiegetränkt, wenn er in der Vergangenheit versinkt.
"Adam Schaf hat Angst, oder: Das Ende vom Lied" ist ein Ein-Mann-Musical von Georg Kreisler, in dessen Mittelpunkt ein alternder Mime steht, der in seiner Garderobe auf seinen Auftritt wartet und sein Leben Revue passieren lässt. Wenn er in den Spiegel blickt, sieht er unerfüllte Träume, verlorene Illusionen, verpasste Chancen und verwelkten Lorbeer.

Premierenfieber

Sadomasochistisch veranlagt, bohrt er in alten Wunden (auch den eignen) und ätzt mit seinem zynischen Humor über das Theater und alle, die an dieser Irrenanstalt mitwirken. Uraufgeführt wurde das Stück 2002 vom Berliner Ensemble.

Zugegeben, das Sujet vom mit sich und der Welt hadernden Mimen ist nicht neu; Patrick Süskind hat ihm im "Kontrabass" ein Denkmal gesetzt; Thomas Bernhard hat ihn im "Theatermacher" ironisch seziert, und jenseits des Atlantiks ist der Plot sogar als Musical erfolgreich gewesen. Die (real existente) Sängerin Fanny Brice, Star der New Yorker Varietés in den 1930er Jahren, sitzt als "Funny Girl" (mit dem Barbra Streisand 1964 ihren großen Durchbruch hatte) in ihrer Garderobe und denkt über die Höhen und Tiefen ihrer Karriere nach. Am Schluss ihrer Reise in die Vergangenheit ist das Musical zu Ende - und die Show kann beginnen.

Zurück an den Augustinerhof: Hier wird Karl Sibelius den grantig-sarkastischen Mimen spielen; eine Rolle, mit der er schon auf anderen Bühnen Erfolg hatte. Auf den hofft er nun auch in Trier, und er freut sich "wahnsinnig" darauf, sich endlich seinem neuen Publikum präsentieren zu können - und es seinerseits kennenzulernen. Und er ist zuversichtlich, dass sich die Zuschauer auf die für Trier bearbeitete Version einlassen werden, zumal der schauspielernde und singende Intendant das Stück mit einer gehörigen Portion Selbstironie unterfüttert hat.
Das beginnt schon beim Titel, der, den aktuellen Umständen geschuldet, zum hintersinnigen "Alles bleibt anders" mutiert ist. "Im Lauf der Zeit haben wir das Stück immer wieder ein bisschen verändert, so dass nicht mehr viel von der ursprünglichen Fassung vorhanden ist", erzählt Sibelius im TV-Gespräch. Auf jeden Fall stecke sehr viel von ihm selbst darin, so dass das Publikum am Ende, so seine Hoffnung, schon ein bisschen besser darüber informiert ist, wie der neue Theaterchef tickt.

Als Adam Schaf schimpft Sibelius nun auf diesen furchtbaren Intendanten, der frisch ans Theater gekommen ist und alles verändern will, das Haus auf den Kopf stellt und die Mitarbeiter vor den Kopf stößt, die den frischen Wind eher als eisigen Wintersturm empfinden. Womit er auch manchen Skeptikern, die sich seit seinem Amtsantritt zu Wort gemeldet haben, ebendiesen Wind aus den Segeln nehmen will. Seht her und hört zu: So heiß gegessen wie gekocht wird sowieso nicht - Hauptsache, es ist gut gekocht.

Die gut einstündige Theaterbeschimpfung findet im Großen Haus statt - allerdings auf der Seitenbühne, wo die Schauspieler normalerweise auf ihr Stichwort und den Auftritt warten. Rund 100 Zuschauer werden dort auf eine Tribüne platziert, um mit Karl Sibelius/Adam Schaf auf dessen Auftritt zu warten - mit dem das Stück dann allerdings endet.

Angereichert ist das Musical mit Chansons von Georg Kreisler (1922-2011), diesem begnadeten Kabarettisten, Komponisten und Niedermacher. Bekanntestes Werk dürfte das unverwüstliche "Taubenvergiften im Park" sein, das den Ruf des Österreichers 1956 als großen Makabren begründete - nebst weiteren 15 Liedern, unter deren teils schlagerhafter Anmutung sich unversehens nachtschwarze Abgründe auftun, in die man sich als Interpret wie als Zuhörer lustvoll gruselnd hineinstürzen kann. Begleitet am Klavier wird Karl Sibelius von dem russischen Pianisten Andrey Litvinenko.
Übrigens: Die Zuschauer bezahlen für die Vorstellung nur das, was sie wollen. Allerdings ist die Vorstellung im Theater bereits ausverkauft. Weitere Termine siehe Extra.Extra Die Premierenwochen

Mit neun Premieren an drei Wochenenden und dem ersten Sinfoniekonzert beginnt das neue Theaterteam um Intendant Karl Sibelius ab Freitag, 11. September, seine erste Spielzeit in Trier. Unter dem Motto "Premierenfieber" stellt der Trierische Volksfreund die Stücke in den nächsten Wochen ausführlich vor.
Eine Übersicht über die September-Premieren (gefettet ist jeweils das Stück, das im dazugehörigen Artikel vorgestellt wird):
"Alles bleibt anders": 11. September, 18 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&quot;UR_": 11. September, 20.30 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&bdquo;Molière“: 12. September, 20 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&quot;Mistral": 13. September, 20 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&nbsp;„Der Zauberberg“: 18. September, 19.30 Uhr, Walzwerk Trier
&quot;Fidelio": 19. September, 19.30 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&bdquo;Thalamus“: 20. September, 19 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&quot;Ruhr-Ort": 25. September, 19.30 Uhr, Großes Haus
1. Sinfoniekonzert: 26. September, 20 Uhr, Großes Haus
&quot;Sweeney Todd": 27. September, 19.30 Uhr, Walzwerk Trier noExtra

 Der neue Theaterintendant Karl Sibelius begibt sich höchstselbst in die Rolle des alternden Schauspielers. Foto: teatrier

Der neue Theaterintendant Karl Sibelius begibt sich höchstselbst in die Rolle des alternden Schauspielers. Foto: teatrier

Foto: (g_kultur

Nach der Premiere am 11. September wird "Alles bleibt anders" im Kasino am Kornmarkt aufgeführt. Die Termine: 4., 7. und 21. Oktober; 4., 12. und 24. November, jeweils um 19.30 Uhr. Nach jeder dieser Vorstellungen möchte Karl Sibelius mit dem Publikum diskutieren, und zwar über bestimmte Themen - zum Beispiel über die Frage Theaterneubau - ja oder nein? Natürlich können auch die Zuschauer bei dieser Gelegenheit Wünsche, Lob und Kritik äußern. no Karten: Telefon 0651/718-1818, E-Mail: theaterkasse@teatrier.de

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