Warum Totholz lebt

Morbach/Hermeskeil/Kell · In Rheinland-Pfalz sind seit mehreren Jahrzehnten Naturwaldreservate ausgewiesen, die nicht mehr bewirtschaftet werden. Dort lässt sich heute schon feststellen, wie der Nationalpark Hunsrück-Hochwald aussehen wird.

 Gerd Womelsdorf, Leiter des Forstamtes Idarwald, an einer mit Pilzen bewachsenen Buche im Naturreservat „An den zwei Steinen“ bei Hinzerath. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Gerd Womelsdorf, Leiter des Forstamtes Idarwald, an einer mit Pilzen bewachsenen Buche im Naturreservat „An den zwei Steinen“ bei Hinzerath. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"

Morbach/Hermeskeil/Kell. Wie sieht der Nationalpark Hunsrück-Hochwald in 30 Jahren aus? Das ist die derzeit spannende Frage, weil sich viele Menschen beim Anblick der bisher bewirtschafteten Flächen nicht vorstellen können, wie sich der Wald ohne Forstwirtschaft entwickelt. Doch das ist heute schon abzusehen.
Denn in Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt 56 Waldgebiete mit einer Gesamtgröße von etwa 2000 Hektar, die bereits seit mehreren Jahrzehnten sich selbst überlassen werden und als Naturwaldreservate bereits heute erkennen lassen, wie ein Urwald in unserer Region aussieht.
Fünf Flächen liegen im Bereich des Forstamtes Idarwald, eines davon, das Reservat "An den zwei Steinen", befindet sich oberhalb des Morbacher Ortsbezirks Hinzerath. "Hier vorne am Weg entlang ist ein Riegel aus Fichtenbäumen, dahinter stehen bis zu 250 Jahre alte Buchen", sagt Gerd Womelsdorf, Leiter des Forstamtes Idarwald.
Im Gelände wird es wild: "So urwüchsig kann man sich den Nationalpark in etwa 30 Jahren vorstellen", sagt er. Bäume liegen kreuz und quer am Boden, zahlreiche Bäume sind abgestorben und dienen zuerst Pilzen und dann wieder Käfern, die sich in die Pilze Höhlen gebohrt haben, als Lebensraum. "Totholz bedeutet Leben", sagt Womelsdorf. In den abgestorbenen Buchen finden Fledermäuse, Haselmäuse, mehrere Eulenarten und Spechte Wohnung und Nahrung.
Ein Teil des 22 Hektar großen Waldstückes ist eingezäunt: Man will herausfinden, wie sich der Wald mit und ohne Wild entwickelt. Innerhalb des Zaunes stehen große Bestände an Weidenröschen. Außerhalb haben diese keine Chance: "Die werden genauso wie junge Ebereschen von Wild sofort abgeäst", sagt Womelsdorf.
Der Verbiss bei den Laubbaumarten könne dazu führen, dass sich statt eines Mischwaldes wieder ein Fichtenwald bilde, obwohl man davon eigentlich weg wolle, sagt Womelsdorf.
Naturwaldreservate im Hunsrück gibt es auch im Bereich des Forstamtes Dhronecken zwischen Reinsfeld und Holzerath sowie den Himbeerberg im Bereich des Forstamtes Saarburg bei Mandern. Dort hatten Stürme Teile des Waldes umgeworfen. "Man findet dort inzwischen unheimlich viele Arten an Flora und Fauna", sagt Peter Schmitt, stellvertretender Forstamtsleiter in Saarburg.
"Dort ist regelrecht eine Explosion an Individuen und unterschiedlichen Pflanzen entstanden, auch seltene Arten sind darunter", sagt Patricia Balcar von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz in Trippstadt, die die Naturwaldreservate wissenschaftlich betreut. Das sei insofern überraschend, weil die Naturwaldreservate im Hunsrück hoch liegen und sich die Vegetation langsamer entwickelt als in tieferen und wärmeren Regionen. Auch zersetzen sich Organismen wie abgestorbene Bäume schneller als erwartet.
Entwicklung erkennbar


Grundsätzlich seien unterschiedliche Entwicklungen in den Wäldern jetzt bereits erkennbar: Erst würden die Buchenwälder dichter, Pflanzen, die auf viel Licht angewiesen sind, verschwinden. Dann folgt eine zwei- bis dreihundert Jahre lange Phase der Alterung, bei der Lücken entstehen, in die diese Pflanzen wieder ansiedeln. Das Resümee von Patricia Balcar: "Man kann an diesen Beispielflächen heute schon eindeutig feststellen, wie der Nationalpark mal aussehen wird."

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