TV-Sommerserie: Jung, engagiert, gesucht: Politik braucht Nachwuchs

Trier · Die Gruppe der 60-Jährigen bestimmt das Geschehen in den großen Parteien. Dabei interessieren sich junge Menschen sehr dafür, was aktuell in ihrem Umfeld abgeht. Das ist gut so, denn frischer Wind ist mehr denn je gefragt in der Politik.

Die Jugend von heute interessiert sich nicht für Politik. Sie engagiert sich nicht für politische Ziele. Vor allem nach Wahlen müssen sich junge Leute den Vorwurf anhören, sie seien politikverdrossen. Die großen Parteien klagen seit Jahren darüber, dass der Nachwuchs fehlt. Die sogenannten Best Ager (Altersgruppe 50 plus) und die über 60-Jährigen dominieren die politische Arbeit. Aber: "Es gibt bei Jugendlichen eine Grundbereitschaft zum Mitdenken und Mitmachen." Das ist das Ergebnis einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Mittelpunkt stand dabei die Sprache. Verstehen junge Leute, was Politiker sagen?Jung & Alt - versteht sich


Youtube-Star LeFloid (mit bürgerlichem Namen Florian Mund) versteht sie. Fragt sie. Spricht über Politik. Spricht mit Politikern. Als erster Youtuber hat er Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewt. Unter #NetzFragtMerkel hatte der 27-Jährige zuvor aufgerufen, ihm Fragen zu schicken, die er der Kanzlerin stellen kann - "und dann wird am Freitag mit der Angela darüber geschnackt", kündigte er an.

Themen der mehr als 13 000 Fragesteller: Homo-Ehe, Freihandelsabkommen, bundeseinheitliches Abitur. Veröffentlicht hat LeFloid das Video am 13. Juli - es wurde mehr als 3,7 Millionen Mal geklickt - auf seinem Youtube-Kanal, in dem er in der Rubrik "LeNews" über aktuelle Themen spricht. So, dass ihn junge Leute verstehen. Nützlich auch für eine Partei, der der Nachwuchs ausbleibt. So kommt zusammen, was schwer vereinbar scheint: Die 61-jährige Kanzlerin spricht im Internet, bedient sich neuer Medien und sozialer Netzwerke.

Auch an der politischen Basis ist eine Verjüngungskur nötig. Allerdings zeigt ein Blick auf die Zahlen, dass junge Leute in Gemeinderäten in der Region eher die Ausnahme sind. Das mag daran liegen, dass die meisten ihre Heimat für Ausbildung oder Studium verlassen, zunächst auf Karriere und Familiengründung setzen oder sich eher in Vereinen engagieren.

Dennoch gibt es junge Menschen, die ein Mandat übernommen haben. In diesem Teil der TV-Serie "Jung & Alt - versteht sich" berichten ein kommunalpolitisches Urgestein und ein Nachwuchspolitiker von ihren Erfahrungen, darüber, ob sich die Generationen in der politischen Debatte verstehen und wie die Zusammenarbeit funktioniert.
Extra Mitmachen und etwas verändern

Nur 30 bis 33 Prozent der wahlberechtigten Bürger haben 2014 bei den Wahlen für das Amt des Oberbürgermeisters in Trier ihre Stimme abgegeben. Niedrige Wahlbeteiligungen gibt es auch in vielen anderen deutschen Städten und Gemeinden. Eine geringe Wahlbeteiligung ist ein Indikator für Politikverdrossenheit der Bürger. Ursache hierfür kann sein, dass sich Menschen durch die Politik nicht adäquat repräsentiert und mit ihren Wünschen wahrgenommen sehen. Um das Problem zu lösen, wird über neue Kommunikationsformen, mehr Transparenz, verbesserte Beteiligungsmöglichkeiten, aber auch eine Wahlpflicht diskutiert. Wer sich nicht selbst in einer Partei und auf kommunaler Ebene politisch engagieren will, findet dennoch viele Möglichkeiten, um sich einzubringen und die Gesellschaft, in der er leben möchte, mitzugestalten. So gibt es etwa die Initiative Deine Ideen bewegen die Zukunft. Mitmachen ist ganz einfach. Auf www.deine-ideen-bewegen-diezukunft.de/ können Interessierte ihre Idee skizzieren, bekommen einen Ideen-Coach an die Seite gestellt, der mit ihnen ihr Projekt plant, Unterstützer sucht und hilft, es umzusetzen. Außerdem gibt es Treffen mit Gleichgesinnten, mit denen die Projektleiter ein Netzwerk aufbauen können. cofiHintergrund Warum den Parteien die Jugend fehlt

Simon Schnetzer ist unter anderem Jugend- und Internetforscher. Er ist Initiator der Jugendforschungs- und Beteiligungsprojekte "Junge Deutsche" und "Toleranz Online". Er liefert in seinem Beitrag "Beteiligung 2015: die Generation Y als Schlüsselgeneration des gesellschaftlichen Wandels. So leben und beteiligen sich junge Leute in Deutschland" eine Erklärung, "warum den Parteien die Jugend fehlt". Dabei geht es um die Lebenswirklichkeit und die veränderten Erwartungen junger Menschen, die in den 1980er und 1990er Jahren geboren sind. Schnetzer schreibt über die Auswertung einer Befragung: "Der meist genannte Grund, weswegen junge Leute sich nicht in Parteien engagieren, ist: ‚Das Gefühl, nichts bewegen zu können' (65 Prozent), dicht gefolgt von der ‚Schwierigkeit der Identifikation mit einer bestimmten Partei' (62). (…) Junge Menschen wollen das Gefühl bekommen, dass ihr Beitrag etwas bewirken kann - und am besten sofort. Geduld, könnte man sagen, ist nicht ihre Stärke." Das alles hat auch den Piraten Zulauf verschafft. Eine junge Partei, die vieles anders gemacht hat, als die etablierten Parteien, anfangs mit großem Erfolg. Und auch etwa die CDU ändert derzeit ihre Strategie und will den Frauenanteil in der Partei, den Anteil junger Leute und den von Menschen mit Migrationshintergrund erhöhen. cofi

Extra Blick in die Region

Die Altersgruppe 60 plus dominiert in vielen Gemeinderäten die politische Arbeit. Dennoch gibt es auch einige jüngere Menschen, die ein Mandat übernehmen. Hier einige Beispiele:
Ortsgemeinderat Bengel: 14 Menschen sind Vertreter der Bengeler Bürger (Kreis Bernkastel-Wittlich). Bemerkenswert: Zwei der Ratsmitglieder sind 1994 geboren worden (21 Jahre), jeweils eines ist Jahrgang 1986 und 1985. 40 Jahre: ein Mitglied, 44 Jahre: zwei Mitglieder. Sechs Politiker sind zwischen 1939 und 1965 geboren.
Ortsgemeinderat Willwerscheid: Sieben Sitze gibt es im Gemeinderat Willwerscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich). Das älteste Mitglied ist Jahrgang 1951, das jüngste Jahrgang 1969.
Verbandsgemeinde Speicher: "Es gibt durchaus jüngere Menschen, die sich in den Räten engagieren. So waren fünf Ratsmitglieder zum Zeitpunkt der Wahl unter 30 Jahre alt. Auch im Jahr 2004 waren fünf Ratsmitglieder zum Zeitpunkt der Wahl unter 30 Jahre alt. Die größte Altersdifferenz zwischen zwei Ratsmitgliedern haben wir derzeit mit 51 Jahren im Stadtrat Speicher", teilt die VG-Verwaltung mit. Dort ist das älteste Mitglied 78, das jüngste 27 Jahre alt.
Verbandsgemeinde Ruwer: Ein Blick auf die Altersstruktur in der Verbandsgemeinde Ruwer zeigt kein überraschend anderes Bild als in anderen Teilen der Region. Besonderheiten: Im Gemeinderat Kasel ist ein Mitglied 19 Jahre, in Riveris sind zwei Mitglieder 20 Jahre alt, in Thomm eines 19 Jahre.
Verbandsgemeinde Hermeskeil: Drei junge Frauen im Alter von 23, 24 und 28 Jahren, die in unterschiedlichen Fraktionen (CDU, SPD, BfB) mitwirken, sind im Stadtrat Hermeskeil aktiv. "Eine Besonderheit", wie die VG-Verwaltung erklärt. "Ansonsten ist das jüngste Ratsmitglied in der VG Hermeskeil 22 und das älteste 70 Jahre alt." cofi

Extra Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung in Rheinland-Pfalz lag bei der Wahl zum achten Europäischen Parlament 2014 bei 58,9 Prozent. 54,5 Prozent der Wahlberechtigten waren 50 Jahre oder älter. Am seltensten beteiligten sich die 21- bis 24-Jährigen (42,6 Prozent), am häufigsten die 60- bis 69-Jährigen (69,1 Prozent). cofi/Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz

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