Hetze gegen Ausländer im Internet: Bitburger Facebookgruppe macht gegen Flüchtlinge Stimmung

Bitburg · 120 Menschen haben sich in der Facebookgruppe „Bitburg gegen Asylanten“ zusammengetan, um gegen Flüchtlinge zu hetzen. Doch das Soziale Netzwerk Facebook will die fremdenfeindliche Gemeinschaft nicht aus dem Netz löschen. Bürger und Politiker treten ihnen entschlossen entgegen.

Altenpfleger, Maler, Verkäufer und Schüler: In der Facebookgruppe "Bitburg gegen Asylanten" haben sich 120 Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammengetan, um in einer Onlinegruppe, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist, gegen Flüchtlinge zu hetzen. Der TV hatte kurzfristig zwei Beobachter in die Gruppe eingeschleust, um sich über die Kommunikation und Absichten der 120 Ausländerfeinde ins Bild zu setzen. Nach zwei Tagen wurden die beiden Journalisten allerdings aus der Gruppe hinausgeworfen. Doch sie haben genug gesehen, um den TV-Lesern die menschenverachtende Gesinnung, die sich in den Kommentaren der Gruppenmitglieder niederschlägt, in wenigen Ausschnitten vor Augen zu führen:

Facebookgruppe: "Asylanten in Bitburg. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Wir werden jetzt aktiv! Vorschläge sind willkommen", schreibt dort eine Tatjana an die Pinnwand der rechten Gruppe, deren Slogan lautet: "Schweigen heißt zustimmen! Sei nicht mehr schweigsam, denn es ist Dein Land! Hol es Dir zurück!" Als der TV im Juli über das dritte Flüchtlingszelt auf dem Flugplatz berichtet, kommentiert eine Biggi innerhalb der Netzgruppe den TV-Bericht mit den Worten: "Ich könnte im Strahl kotzen, wenn ich so etwas lese. Die sollen alle Male zurück." Eine Christina schreibt: "Noch mehr von dieser Mischpoke? Was wird aus unserem Vaterland?" Sascha, ein weiteres Forenmitglied, postet: "Ich habe Brechreiz. Kann das nicht mal aufhören." Mit den verbalen Herabwürdigungen und Hassreden nicht genug: Das Mitglied Tatjana geht weiter. Sie bittet die anderen Mitglieder, den Satz "Wenn alle Gesetze für einen Tag außer Kraft wären, würde ich…" zu vervollständigen - nichts anderes als ein Aufruf zur Gewalt, in den andere Mitglieder einstimmen: "Töten", antwortet eine Steffi. Ein Sascha kommentiert: "Richtig!"

Gegenbewegung: Auch wenn die Kommunikation der Gruppe nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist, hat ihre Onlinepräsenz schon den Zorn mancher Bitburger geweckt - darunter den des Bürgermeisters Joachim Kandels. "Ich habe die Netzgruppe der Polizei gemeldet, damit sie die - auch angesichts der Entwicklungen auf dem Flugplatz - im Auge behält", erklärt der Bürgermeister. Kandels: "Aber wir lassen uns davon in unserer Arbeit nicht beirren. Wir müssen den Flüchtlingen helfen, indem wir ihnen ein Dach über dem Kopf bereitstellen." In Trier hat das Kommissariat für Staatsschutz der Kriminalpolizei die Ermittlungen aufgenommen: "Wir beobachten die Gruppe. Die Mitglieder sind bislang noch nicht mit rechtsextremistischen Straftaten in Erscheinung getreten ", sagt ein Ermittler dem TV. Landrat Joachim Streit hat die fremdenfeindliche Facebookgruppe gar zum Dialog eingeladen: Am Dienstag, 8. September, um 19 Uhr in die Stadthalle: "Als ich die Gruppe sah, dachte ich, was wäre, wenn Cattenom in die Luft fliegt und wir müssten alle fliehen. Was wäre, wenn man uns empfinge mit dem Satz: ‚Wir sind gegen Euch!'"

Auch im sozialen Netzwerk treten Bitburger den Hetzern entgegen. Irene Weber, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bitburger Stadtrat, hat deshalb die Facebookgruppe "Bitburg für Menschenwürde"gegründet. "Aus der Empörung heraus, dass sich so eine undemokratische Gruppe bei Facebook gebildet hat. Die brüten da irgendetwas aus, was sie nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen", erklärt Weber. "Gegen Asylanten, was ist das denn bitte für eine Aussage", fragt Weber. "Bitburg für Menschenwürde" hat bereits mehr als 350 Anhänger gefunden.

Stadtratsmitglied Stephan Garçon hat darüber hinaus beim Unternehmen Facebook, das den Rassisten die Plattform für ihr geheimes Forum bietet, die Löschung dieser Onlinegemeinschaft beantragt - ohne Erfolg. Das Antwortschreiben, das Garçon von Facebook erhielt, liest sich wie eine automatisiert erstellte Nachricht: "Wir haben die von dir wegen Hassbotschaften gemeldete Gruppe geprüft und festgestellt, dass sie nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt", schreibt Facebook. Hasstiraden gegen Flüchtlinge im sozialen Netzwerk: Das US-Unternehmen kümmert das bislang wenig.

Meinung
Christian Moeris

Wie die TV-Recherche zeigt, tummeln sich unter den 120 Mitgliedern der Facebookgruppe "Bitburg gegen Asylanten" einige Hetzer, die mehr wollen, als nur ihre freie Meinung äußern. Sie bedienen sich eines Vokabulars, das Menschen zur "Mischpoke" oder zu "Schmarotzern" herabwürdigt. Sie provozieren und propagieren, der Staat würde bei der Flüchtlingsproblematik versagen, die Bitburger seien von den Ausländern bedroht. So versuchen sie, Sympathisanten zu finden, die in ihrer eingeredeten Notwehr zur Gewalt greifen, da sie glauben, sich endlich wehren zu müssen. Weil dort eine Stimmung verbreitet wird, die rassistische Gewalt legitimieren soll, sind solche Netzgruppen wie "Bitburg gegen Asylanten" brandgefährlich. Doch Facebook ist auf dem rechten Auge blind. c.moeris@volksfreund.de

Zwei Fragen an...

… einen Ermittler des Kommissariats für Staatsschutz der Kriminalpolizei Trier, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte:

Gibt es in der Eifel organisierte rechtsextreme Strukturen?

Ermittler: "Davon kann derzeit keine Rede sein. Vor vielen Jahren gab es im Raum Euskirchen die Kameradschaft Eifeler Land und im Bereich Bernkastel/Wittlich eine sogenannte Chaos-Crew, die aber in der Versenkung verschwunden sind. Es gibt jedoch einzelne Personen, die durch rechtsextreme Straftaten auffallen."

Welche Art von Straftaten?

Ermittler: "Hakenkreuze an die Wand schmieren oder andere Propagandadelikte. Die Gesamtzahl dieser Delikte nenne ich aber nicht gerne, weil sie ausdruckslos ist. Denn darin eingerechnet sind auch 13-jährige Schüler, die solche Dinge in ihr Hausaufgabenheft schmieren. Politisch motivierte Gewaltstraftaten hatten wir in der Eifel seit langer Zeit nicht mehr."

EXTRA Aktion
Erinnern Sie sich? Vor gut 20 Jahren gingen fast 1000 Bürger aus Bitburg und Umgebung auf die Straße. Sie demonstrierten gegen Fremdenfeindlichkeit. Die "Aktion gegen Ausländerfeindlichkeit" wollte angesichts der Vorkommnisse in Rostock, Mölln, Solingen Anfang der 90er Jahre für eine Atmosphäre sorgen, in der fremdenfeindliche Sprüche oder gar Taten als unakzeptabel zu gelten hatten. Den Abschluss bildete damals ein Schweigemarsch durch die Stadt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort