Wenn das Wort Tod nicht über die Lippen kommen will

Trier · In Familien, die die Tragödie Krebs durchstehen müssen, herrscht oft Sprachlosigkeit. Die Trierer Beratungsstelle Papillon redet mit Kindern über Krankheit und Tod. Der Familie Kuhn hat das durch ihre schwerste Zeit geholfen. Jetzt organisieren sie auf ihrem Pferdehof ein großes Benefizfest für die spendenfinanzierte Beratungsstelle.

 Anne Klormann von der Beratungsstelle Papillon befestigt das Banner für das Benefizfest am 13. September am Zaun einer Pferdekoppel beim Brubacher Hof. Im Hintergrund Franz Kuhn, der Vater des Verstorbenen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Anne Klormann von der Beratungsstelle Papillon befestigt das Banner für das Benefizfest am 13. September am Zaun einer Pferdekoppel beim Brubacher Hof. Im Hintergrund Franz Kuhn, der Vater des Verstorbenen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: friedemann vetter (ve.), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Trier. Als sein Papa krank wurde, war der kleine Elias gerade mal ein Jahr alt und seine Schwester Alea fünf. Der Krebs war ein Schock für die ganze Familie. So groß, dass es als schier unüberwindliche Aufgabe erschien, mit den Kindern über alles zu reden. "Man ist selbst so traumatisiert und hilflos, da schafft man es einfach nicht, mit den Kleinen über so schreckliche Dinge wie Krebs, Chemotherapie und Tod zu sprechen", sagt Irene Kuhn.
Die Oma von Elias und Alea sitzt an diesem schönen Spätsommertag im Hof ihres Hauses am Brubacherhof. Ihre Schwiegertochter, die junge Witwe Kerstin, ist arbeiten. Ihre beiden Kinder tollen mit Hofhund Jack herum. "Ja, es geht ihnen gut, aber es gibt auch andere Momente", sagt Irene.
Ihr Sohn Christian ist an Krebs gestorben. Mit nur 31 Jahren und nach fünf Jahren Kampf gegen den Hautkrebs. Zuerst ein bösartiges Melanom am Kopf, versteckt unter den Haaren. Zwei Jahre Chemo und Untersuchungen im Vier-Wochen-Rhythmus. Dann ein zweites Melanom an der Augenbraue. Die Ohrspeicheldrüse ist schon befallen. Es folgen Metastasen in Lunge und Leber. Nichts hilft.
Im Herbst 2014 verschlechtert sich Christians Zustand immer weiter. Arbeiten kann der junge Landwirt schon lange nicht mehr. Gerade so schafft er es, das letzte Weihnachtsfest noch zu Hause zu verbringen. Am zweiten Feiertag bringt ihn seine Frau ins Trierer Mutterhaus. Im Februar stirbt Christian.
"Man will es selbst nicht wahrhaben, was da passiert. Und dann sind so viele praktische Dinge zu klären und zu regeln, dass man den Tod weit wegschiebt", beschreibt Irene die Sprachlosigkeit, die wohl in vielen Familien herrscht, die die Tragödie Krebs durchstehen müssen. "Mein Mann und ich reden zwar viel, und meine Schwiegertochter und mein Sohn werden sich auch ausgetauscht haben", sagt Irene. Aber offen mit den Kleinen zu reden, das sei noch mal was ganz anderes.
Für viele Kinder von krebskranken Eltern ist das ein Desaster. Etliche tragen Traumata davon, die sie ihr Leben lang nicht loslassen. Nicht nur durch die furchtbare Erkrankung der Eltern, sondern auch, weil sie die Hilflosigkeit der anderen, gesunden Familienmitglieder erleben müssen, die ihre vielen Fragen unbeantwortet lassen.
Über das Mutterhaus kommt Familie Kuhn in Kontakt mit Papillon (siehe Extra). Die 30-jährige Anne Klormann ist eine der beiden Psychologinnen der Beratungsstelle für Kinder krebskranker Eltern. "Zuerst versuchen wir immer, die Eltern so zu coachen, dass sie selbst mit ihren Kindern über den Krebs sprechen können", sagt Klormann. "Reicht das nicht aus, übernehmen wir." Zum Beispiel mit Hilfe der Bilderbücher Chemo Kasper oder Radio Robbi. "Kinder gehen mit Krankheit und Tod oft viel unbefangener um, als man sich das vorstellt. Viel belastender ist es für sie, wenn sie merken, dass etwas nicht stimmt, aber niemand mit ihnen redet. Manche fühlen sich dann sogar schuldig an der Krankheit und daran, dass Mama und Papa so traurig sind."
Selbst beim besten Vorsatz, den Krebs nicht zu tabuisieren, fehlten Eltern häufig die Worte. "Manche bringen das Wort Tod einfach nicht über die Lippen", sagt Klormann.
Anfangs wöchentlich, später in größeren Abständen gingen Alea und Elias mit ihrer Mutter Kerstin zu Papillon. "Der Umgang der Kinder mit der Krankheit änderte sich", erzählt Oma Irene. "Plötzlich suchten die Kinder das Gespräch mit uns, es kamen Fragen, zum Beispiel, wer mit ihnen Fußball spielt, wenn der Papa nicht mehr da ist, oder was passiert, wenn auch die Mama noch krank wird. Über all diese Dinge konnten wir auf einmal ohne Scheu reden."
Papillon hilft auch den Eltern. "Viele sind sich zum Beispiel unsicher, ob sie ihre Kinder zum Sterbebett mitnehmen sollen", sagt Psychologin Klormann. Was das Beste ist, werde dann individuell besprochen. Auch auf die Beerdigung bereitet Papillon vor. "Wir schauen dann zum Beispiel Bilder an von Särgen, Urnen, Friedhöfen, Gräbern, damit die Kinder wissen, was da auf sie zukommt."
Für die größeren Kinder gibt's Trauergruppen. "Einmal kam Alea nach Hause und hat gesagt: Oma, ich bin nicht alleine, es gibt auch andere Kinder, bei denen der Papa gestorben ist", erzählt Oma Irene. Auch die Idee zu den selbst gebastelten und befüllten Erinnerungskisten kam von Papillon. In Elias Karton ist eine Kappe, die sein Vater immer beim Traktorfahren getragen hat. Holt der Fünfjährige die Mütze hervor, hält er sie sich unter die Nase. Der Geruch von Papa ist noch da.Extra

Um die Beratungsstelle Papillon zu unterstützen, veranstaltet die Trierer Familie Kuhn am Sonntag, 13. September, ein großes Familienfest. "Der komplette Erlös geht an Papillon", verspricht Irene Kuhn. Das Fest findet statt rund um die Pferdepension der Familie in der zum Stadtteil Mariahof gehörenden Siedlung Brubacher Hof, Hausnummer 9. Von 11 bis 18 Uhr gehören Ponyreiten, Kinderschminken, Kaffee und Kuchen, Würstchen und eine Kinderhüpfburg zum Programm. Außerdem gibt's einen Flohmarkt mit Pferdezubehör. wocExtra

Das Angebot der Trierer Beratungsstelle Papillon richtet sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre, bei denen Vater oder Mutter an Krebs erkrankt sind. Zu den Gesprächen mit den Kindern kommen Eltern- und Familiengespräche, Unterstützung bei Krisensituationen, Unterstützung beim Abschiednehmen und der Trauerarbeit und das Erklären medizinischer Maßnahmen und deren Nebenwirkungen. Obwohl viele Studien zeigen, dass bei einer Krebserkrankung der Eltern deren Kinder in tiefe psychologische Krisen geraten können und etwa jedes zehnte betroffene Kind im Erwachsenenalter psychische Probleme hat, wird das Papillon-Angebot nicht von den Krankenkassen finanziert. Die Trierer Beratungsstelle finanziert sich ausschließlich aus Spenden und über Zuschüsse von der Trierer Antonia-Ruut-Stiftung. Träger ist der Verein "Von Betroffenen für Betroffene" mit Sitz in Burgen (bei Bernkastel-Kues). Bei Papillon arbeiten hauptamtlich zwei Psychologinnen, dazu kommen Ehrenamtliche und Praktikanten. Die Beratungsstelle ist in der Krahnenstraße 37, Nähe Mutterhaus. woc Kontakt: Telefon: 0651/9663033, E-Mail: kontakt@papillon-trier.de , <%LINK auto="true" href="http://www.papillon-trier.de" class="more" text="www.papillon-trier.de"%>. Spendenkonto: Sparkasse Mittelmosel, BIC MALADE51BKS, IBAN: DE08 5875 1230 0080 0135 35.

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