Kommentar: Warmherzig, aber unfähig

Trier · Die Flüchtlingskrise hält Deutschland den Spiegel vor. Auf der einen Seite ist es viel warmherziger, als mancher dachte.

Auf der anderen viel unfähiger. Gelähmt von seiner eigenen Bürokratie. Wo schnelles Handeln und radikales Umdenken nötig wären, verharrt es in verkrusteten Strukturen.
Man erinnert sich noch lebhaft an die vielen Flüchtlinge, die in einem Trierer Park schlafen mussten, weil überzogene Brandschutzbestimmungen es verboten, ein Hotel anzumieten. Bürger, die gerne Wohnraum zur Verfügung stellen oder Kinder aufnehmen würden, rennen bei Behörden gegen Wände. Firmen suchen Arbeitskräfte, Flüchtlinge suchen Arbeit - und rechtliche Regeln verhindern, dass sie zueinander finden.
Besonders deutlich offenbart sich die Unfähigkeit des Staatsapparats derzeit aber dort, wo landesweit Zig- und bundesweit Hunderttausende Asylanträge unbearbeitet rumliegen. Denn dort sitzt bei gleichbleibend komplexem Prozedere viel zu wenig Personal - und daran ändert auch die beschlossene Aufstockung wenig. Drei zusätzliche Entscheider soll Rheinland-Pfalz bald bekommen. Na herzlichen Glückwunsch! Das wird das Problem nicht im Ansatz lösen. Wenn es denn überhaupt zu spüren ist. Ein Vielfaches an Personal wäre nötig, um der Situation Herr zu werden.
Es ist absolut unverständlich, warum an dieser Stelle nicht entschlossener gehandelt und investiert wird. Zum einen geht es um Menschen, die über Monate oder Jahre in Ungewissheit leben. Ein Teil von ihnen wird bleiben und hat vor dem Ende des Asylverfahrens dennoch nicht die Möglichkeit, wirklich anzukommen. Ein anderer Teil wird ausreisen müssen - auch, wenn die Kinder in der Schule schon Freunde gefunden haben. Da werden Lebensläufe zerrissen. Es geht um Menschen - es geht aber auch um Geld, Raum und Kapazitäten. Wer keine Chance auf Asyl hat, sollte das nicht erst Monate oder Jahre nach seiner Einreise erfahren.
Krönung des Ganzen ist, dass die offiziellen Zahlen maßlos schönfärben. Klammern sie doch aus, dass es oft Monate dauert, ehe ein Asylverfahren überhaupt beginnt. Aus lauter Überforderung werden die Flüchtlinge inzwischen auch ohne Asylantrag auf die Kommunen verteilt. So darf das nicht weitergehen. Der Bund muss mehr Personal einstellen!
k.hammermann@volksfreund.de

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