Faszination Nürburgring: "Bei uns zuhause gab es nur ein Thema"

Nürburg · 90 Jahre ist es her, dass der Grundstein für den Nürburgring gelegt wurde - am 27. September 1925. Gisela Herbstrith, 93 Jahre, hat zur legendären Rennstrecke eine besondere Beziehung: Ihr Vater, Otto Creutz, ließ den Kurs als Landrat des damaligen Kreises Adenau bauen.

 Die Faszination des Rings ist für Gisela Herbstrith ungebrochen. Foto: Nürburgring GmbH

Die Faszination des Rings ist für Gisela Herbstrith ungebrochen. Foto: Nürburgring GmbH

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Gisela Herbstrith, 93 Jahre alt, genießt den Blick vom Turm der alten Raubritterburg, der Nürburg, sie kann sich gar nicht entscheiden, wo sie zuerst hinschauen soll: zum modernen Grand-Prix-Kurs oder zur traditionsreichen Nordschleife. Zu ihr hat Gisela Herbstrith eine besondere Verbindung: Ihr Vater, Otto Creutz, ließ den Kurs als Landrat des damaligen Kreises Adenau bauen. 90 Jahre ist es her, dass der Grundstein für den Nürburgring gelegt wurde - am 27. September 1925.

"Bei uns Zuhause gab es immer nur ein einziges Thema: den Nürburgring", erinnert sich Gisela Herbstrith, die in Pforzheim lebt.
Voller Ehrfurcht spricht die rüstige 93-Jährige von den Taten ihres Vaters, der sich für den Bau einer geschlossenen, verkehrsunabhängigen Rennbahn rund um die Nürburg einsetzte. "Er war sich sicher, dass das Automobil immer mehr an Bedeutung gewinnen würde."Faszination ist ungebrochen


Gisela Herbstrith, 1922 in Bitburg geboren, war drei Jahre alt, als der Grundstein gelegt wurde. 90 Jahre später ist sie stolz auf das, was ihr Vater in der Eifel geschaffen hat. Ihre Faszination für den Nürburgring ist ungebrochen. "Ich bin so gerne mit dem Auto über die Nordschleife gefahren", erzählt sie. "Mit 88 bin ich meine letzte Runde gefahren. Jetzt sind meine Augen nicht mehr gut genug, leider." Aber die Runde Nordschleife muss trotzdem sein, auf dem Beifahrersitz. Auch der Abstecher nach Adenau darf nicht fehlen, um ihre alte Schule am heutigen Dr. Creutz-Platz oder andere Gebäude aus ihrer Kindheit zu sehen.

Adenau war damals Kreisstadt, aber es war der ärmste Kreis im Deutschen Reich. Nicht umsonst bezeichnete man die Eifel-Region als das "Sibirien Preussens". Der erste Gedanke an den Bau einer Rennstrecke stammte von Kaiser Wilhelm II selbst, den das noch junge Automobil und das Kaiser-Preis-Rennen bei Homburg im Taunus begeisterte. Das war um 1906/1907. 1922 fand dann das erste Eifelrennen rund um Nideggen bei Düren statt. Erneut keimten die Überlegungen für eine Rennbahn auf. Taunus, Eifel oder Lüneburger Heide waren als Standorte im Gespräch.

Der Bonner Hans Weidenbrück gründete am 31. Januar 1925 den Automobil-Club von Adenau und regte sogleich den Bau einer Gebirgs-Rennstrecke auf den öffentlichen Straßen rund um die Nürburg an. Nach ersten Verhandlungen mit der Kreisverwaltung und dem Landrat folgten am 15. April des gleichen Jahres grundlegende Besprechungen im Wohlfahrts-Ministerium in Berlin über die Anerkennung des Baues einer "Gebirgs-, Renn- und Prüfungs-Straße" als große Notstandsarbeit im Rahmen einer "produktiven Erwerbslosenfürsorge", wie es damals hieß. Die Arbeitslosigkeit hatte zu dieser Zeit im Bezirk Koblenz dramatische Formen angenommen.

Creutz ging es nur indirekt um ein Sport- und Testfeld für die Industrie, vielmehr erkannte der 1889 in Köln geborene schon früh auch die touristischen Möglichkeiten einer solchen Einrichtung. Am 27. April 1925 nahmen rund 60 Arbeiter "kleine Notstandsarbeiten", drei Tage später folgten die ersten Vermessungen. Am 18. Mai kam es zu einer denkwürdigen Sitzung des Kreistages Adenau, in der einstimmig der Bau der Rennstrecke beschlossen wurde. Schließlich begann am 1. Juli die "große Notstandsarbeit", obwohl erst am 13. August die Genehmigung erteilt wurde.
Nachdem am 14. August vier Baufirmen für die vier Bauabschnitte beauftragt worden waren, fand am 27. September 1925 - ein Sonntag mit schlechtem Wetter - die offizielle Grundsteinlegung statt. Der Name Nürburg-Ring, so die ursprüngliche Schreibweise, wurde am 30. Oktober 1925 als Name für die Erste Deutsche Gebirgs-Renn- und Prüfungsstraße für Kraftfahrzeuge im Kreis Adenau eingeführt. Teilweise mehr als 2300 Arbeiter trotzten selbst dem harten Winter und schufen "in unbegreiflich kurzer Zeit mit Arbeitslust und unermüdlicher Tatkraft", wie es damals beschrieben wurde, den Nürburg-Ring, insgesamt etwa 29 Kilometer Rennstrecke, verteilt auf Nordschleife und Südschleife.

Am 9. Juni 1927 besichtigte der Radsport-Weltverband UCI den Nürburg-Ring zur Vorbereitung der sechs Wochen später stattfindenden Rad-Straßen-Weltmeisterschaft, ehe am 18./19. Juni 1927 mit dem Eifelrennen die Strecke offiziell eröffnet wurde. Rudolf Caracciola aus Remagen siegte mit einem Mercedes-Benz nach dreieinhalb Stunden und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 96,5 Kilometer. Gisela Herbstrith will wieder an den Ring kommen, solange es ihr möglich ist. red

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