Bürgerhaushalt: Nein Danke!

Wittlich · Die Stadt lädt ein, und kaum einer kommt: Die Möglichkeit, erstmals mit Verwaltungsspitzen und Lokalpolitikern über den kommenden städtischen Haushalt zu diskutieren und Anregungen einzubringen, nahmen weniger als ein Dutzend Wittlicher wahr.

Wittlich. Heimatforscher Willi Waxweiler ist da. Der Ehrenbürger Hans-Günther Heinz, der ehemalige Bürgermeisterkandidat Stephan Henkel, Rudi Kemmer, Mitglied der Pax-Christi-Friedensbewegung, das Künstlerpaar Monika Wächter und Wilfried Bach und noch weniger als eine Handvoll weitere Wittlicher. Nicht alle werden den ganzen Abend bleiben. Einen Abend, den sich nicht nur die SPD anders vorgestellt hat. Von ihr kam der Antrag, erstmals den Bürgern anzubieten, vor den Haushaltsdebatten Ideen einzubringen, Anregungen zu machen. Bürgerhaushalt ist das Schlagwort dazu.
Bürgerhaushalt: Vielleicht klingt das zu kompliziert. Genauso wie World Café, Fachbereichsleiter, Zentralausschuss. Sperrige Begriffe, die aber im Zusammenhang mit der Einladung an die Wittlicher eine Rolle spielen, was das Reden über die Zukunft angeht. Tatsache ist, dass das Angebot, an fünf Tischen mit Verwaltungsspitzen und Stadtratsmitgliedern über Wittlichs Stadtpolitik zu sprechen, von den Wittlichern ausgeschlagen wurde.Buch mit sieben Siegeln


Kaum ein Dutzend Menschen kommt in die Synagoge. Und mancher, wie Willi Waxweiler, nimmt erst gar nicht an den Tischen Platz. Er sitzt hinten links. Hinten rechts Ratsmitglied Ali Damar. Er geht vor Schluss. Waxweiler bleibt, um noch ein bisschen zu plaudern, etwa mit dem Ersten Beigeordneten Albert Klein. Der beobachtet ebenso wie Bürgermeister Joachim Rodenkirch die Veranstaltung aus der Distanz. Rodenkirch sagt: "Die Interessenlage ist sehr bescheiden. Das macht mich ein Stück weit betroffen. Das ist wirklich mal ein neuer Weg, Ideen von Menschen, die in der Stadt leben, aufzunehmen. Zumal es sonst immer heißt, der Haushalt sei ein Buch mit sieben Siegeln."

Diesen Begriff verwendet auch Kämmererin Nicole Rees, als sie ihn kurz vorstellt und erklärt, was es mit den fünf Tischen auf sich hat: Dort sind sozusagen die thematischen Schwerpunkte der Stadtpolitik mit den Menschen, die daran arbeiten, vertreten. Rudi Kemmer wird an allen Tischen einmal Platz nehmen. Sein Hauptthema: "Mein Steckenpferd ist das Vitelliusbad. Ich bin überzeugt, dass es mit technischen Mitteln Einsparpotenzial gibt." Ehrenbürger Heinz setzt sich für mehr Toilettenanlagen in der Stadt ein, aber ruft auch zur Gründung eines Arbeitskreises zur Belebung der Innenstadt auf.
Dass für große Sprünge womöglich mehr als das Kleingeld fehlt, hat zuvor die Stadtkämmererin klar gemacht und die teils hohen sechsstelligen jährlichen Defizite von Einrichtungen wie Bücherei, Eventum, Sportzentrum genannt. Plus das aktuelle Kreditvolumen: Es sind 35,7 Millionen Euro. Jeder Wittlicher hat 1840 Euro Schulden. Das klingt abstrakt und bleibt es auch.
Anschließend erfüllt eifriges Gemurmel die Synagoge. Am Kulturtisch geht es um die Römische Villa. Nebenan um das Thema Asyl, die Ängste, dass das Flüchtlingsaufkommen für die Stadt zu viel wird. Wer denn die Kosten trage. Ordnungsamtsleiter Rolf Becker klärt auf: "Außer Personalkosten muss die Stadt nichts übernehmen." Nach einer Stunde gibt es Auflösungserscheinungen. Manche gehen heim. Christine Schmitz ist noch da: "Ich finde die Veranstaltung sehr schön. Gut, dass so was gemacht wird. Aber da muss man auch ein bisschen mutig sein, um zu kommen." Nach knapp zwei Stunden macht der Bürgermeister den Sack zu: Er trägt die wenigen Vorschläge vor, nimmt direkt Stellung. Etwa zum Vitelliusbad. Das wird bald offiziell Thema sein, vermutlich geht es um einen Neubau. Er sagt zum Schluss: "Es war ein erster Versuch. Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken."Meinung

Alles und nichts
Das Interesse, am Haushalt mitzudiskutieren, war verschwindend gering. Vielleicht, weil das alles zu abstrakt erscheint. Wenn es konkret wird, wie bei der Kulturdebatte, als ein ähnliches Angebot sehr gut ankam, ist der Wittlicher dabei. Und wenn er persönlich betroffen ist. Der Bürgerentscheid zum Parkplatz Karrstraße zeigt, dass es möglich ist, Menschen für ein Thema zu mobilisieren. Der Haushalt ist dagegen wohl "alles und nichts" und damit ein zu weites Feld. Vielleicht sind die Säubrenner auch allgemein zufrieden mit der Stadtpolitik. Jedenfalls kommen sie ja auch nicht, wenn die Haushaltsdebatten anstehen: Öffentliches Interesse? Gleich null. Dann ist der Stadtrat meist unter sich. Von der gescheiterten Einzelveranstaltung sollte man sich aber nicht weiter beeindrucken lassen. Es gibt Schlimmeres. s.suennen@volksfreund.de

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