Ein bezaubernder "Tomatenmaler"

Bitburg · Drei Aufführungen, alle rappelvoll: "Der Tomatenmaler", das Musical von Dirk Klinkhammer (der TV berichtete), hat im Haus der Jugend gut 700 Besucher gerührt, zum Lachen gebracht und von den Sitzen gerissen. Auf, neben und hinter der Bühne: Akteure mit und ohne Behinderung.

 Sogar der böse Azeton ist in Wirklichkeit ein sensibler Mensch: Szene aus der Aufführung im Haus der Jugend. TV-Fotos (3): Fritz-Peter Linden

Sogar der böse Azeton ist in Wirklichkeit ein sensibler Mensch: Szene aus der Aufführung im Haus der Jugend. TV-Fotos (3): Fritz-Peter Linden

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Bitburg. Ach, Gran Coloria: Alles so grau in diesem Land, die Menschen traurig und vom gemeinen Abbeizer Azeton (Christoph Ewen) ihrer Farben und Klänge beraubt. Der nämlich kratzt mit seinen Gehilfen Nat, Ron und Lauge (Thomas Sander, Markus Baustert, Diana Heine) alles weg, was die Welt bunt macht - mit Kunstabzugshaube und Taubsauger. Nicht nur das: Azeton hat auch noch Prinzessin Gloriosa Colorata Melodia la Prima von Gran Coloria (Anka Gertig und Carolin Mayer als Doppelbesetzung) eingesperrt. Ein echt schlimmer Spielverderber.
Aber zum Glück taucht eines Tages Tom Colour auf (Lennart Gangolf), der sein Zuhause verlassen hat: Tom will nämlich nichts anderes als Tomaten rot anmalen, während sein besorgter Vater (Benjamin Arndt) ihn lieber in einem anständigen Beruf sähe, seinem eigenen nämlich: Orangenmaler. Und doch vertraut er seinem Sohn, lässt ihn ziehen, damit er seinen eigenen Weg und sein Glück findet.
Tu es mit Liebe

 Und jetzt alle: „Tu es mit Liebe!“ Rechts der Mann, der den Tomatenmaler erfand: Dirk Klinkhammer.

Und jetzt alle: „Tu es mit Liebe!“ Rechts der Mann, der den Tomatenmaler erfand: Dirk Klinkhammer.

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Ein bezaubernder "Tomatenmaler"
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Und siehe da: Tom schafft es, angeleitet von einem charmanten, sprechenden Wegweiser (Sophie Begon) und gemeinsam mit seinen neuen Freunden Michael Lost (Michael Müller), Sheng Yin Air (Anna Nikolay) und Papagei Graupi (Robin Hänsli), die Prinzessin zu befreien und Gran Coloria Farben, Klänge und Lebensfreude zurückzugeben.
Und irgendwann erweist sich sogar der böse Azeton als sensible Seele: Er ist nämlich nur so fies geworden, weil man ihn damals nicht das hat tun lassen, was er doch so gerne wollte - tanzen. Da sind wir auch schon beim Kern des Musicals, das Dirk Klinkhammer für die 1300-Jahr-Feiern in Bitburg verfasste: Lass dir deine Träume nicht nehmen - und tu alles, was du tust, so heißt es im letzten Lied, mit Liebe.
Bei aller Ernsthaftigkeit versteht es Klinkhammer, der Geschichte immer wieder ein paar Gags einzupflanzen und sie mit herrlichen Wortspielen und Albereien zu würzen ("Gib mir sofort die Spektralfarbensaugerzylinderkopfdichtung zurück!"). Das macht großen Spaß.
Die Besucher, 240 pro Aufführung, erleben eine zu Herzen gehende und liebevoll inszenierte Geschichte (Regie: Stephan Vanecek), die gemeinsam von rund 80 behinderten und nichtbehinderten Akteuren auf die Bühne gebracht wurde. Tolle Darsteller, Tänzer, Sänger und Instrumentalisten, starke Soli, viel Witz, ergreifende Musik: Das Publikum würdigt die Aufführung mit stürmischem, lange anhaltendem Jubel und singt im Finale noch einmal so begeistert wie kräftig die Hymne auf Gran Coloria mit, auf das Land, das für die Vielfalt steht.
Ganz zum Schluss stehen dann alle, für die irgendwie Platz ist, gemeinsam auf der Bühne, und Udo Gangolf, Konrektor der St.-Martin-Förderschule Bitburg, und Gerd Wanken, Chef im Haus der Jugend, bedanken sich bei denen, die dieses Ereignis ermöglicht haben. Die beiden hatten im Vorjahr gemeinsam die Integrative Musik-AG Bitburg gegründet - und auch die Anregung geliefert, ein Musical zu machen.
Den vielleicht schönsten Satz aber über das, was da gerade auf so mitreißende Weise allen Beteiligten gelungen ist, sagt in den immer wieder aufbrausenden Applaus hinein Guido Kirsch, Rektor der Astrid-Lindgren-Förderschule Prüm: "Jetzt haben wir die ganze Zeit kein einziges mal das Wort ,Inklusion' gehört." Nein: Wir haben sie erlebt.
Damit ist alles gesagt. Außer: Drei Aufführungen - das ist nicht genug.

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