Fall Laura-Marie: Stach er auf ein bewusstloses Mädchen ein?

Trier · Der Angeklagte hat ausgesagt, die 16-jährige Laura-Marie im Streit erstochen zu haben. Der Obduktionsbericht spricht nun dafür, dass er die Schülerin zunächst würgte und erst auf sie einstach, als sie bereits außerstande war, sich zu wehren.

 Prozess um Tod der 16-jaehrigen Laura-Marie beginnt vor dem Landgericht. Der Angeklagte und sein Anwalt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Prozess um Tod der 16-jaehrigen Laura-Marie beginnt vor dem Landgericht. Der Angeklagte und sein Anwalt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter

Blatt 637 der Hauptakten. Das Sektionsprotokoll. Normalerweise sitzt der 25-jährige Angeklagte still und verfolgt die Verhandlung mit ernstem, aufmerksamem Blick. Interessiert. Als ginge es gar nicht um ihn selbst. Nur manchmal, wenn ihn aus dem Publikum ein hasserfüllter Blick trifft, schaut er verschämt zu Seite.

Nun jedoch wippt der gelernte Maler nervös auf seinem Stuhl vor und zurück. Sein Blick ist nicht ernst, sondern finster. Auf der anderen Seite des Gerichtssaals, wo am Vormittag noch die Eltern des Mädchens, das er ermordet haben soll, gesessen haben, sitzt nun Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban, Leiter des Mainzer Institut für Rechtsmedizin. Fliege, weißes Hemd, schwarze Brille, sorgsam frisiertes graues Haar.

Ein Mann, den viele kennen, seit er mit medizinischen Fachbegriffen erläuterte, wie eine andere junge Frau, nämlich Tanja Gräff, zu Tode gekommen sein könnte. Auch die vom Täter zweimal in Brand gesetzte Leiche der 16-jährigen Laura-Marie hat er obduziert. Doch keine noch so nüchterne Fachsprache könnte das Grauen verdecken, das sich hinter den Worten Urbans verbirgt. In der Halshaut des Mädchens fand er, ebenso wie in der darunterliegenden Muskulatur, Verfärbungen, die darauf hindeuten, dass es gewürgt wurde. Punktförmige Einblutungen im Hirn wertet der Rechtsmediziner als Beweis dafür, dass Laura-Marie zu diesem Zeitpunkt noch lebte und nicht stark blutete. Denn diese könnten nur entstehen, wenn das Blut zirkuliert.

Urban hält es allerdings für wahrscheinlich, dass die Schülerin infolge des Würgens benommen oder gar bewusstlos war. Dafür sprechen zwei weitere Befunde. Erstens: Das Opfer leistete offenbar keine Gegenwehr, jedenfalls gab es laut Urban an Armen und Händen definitiv keine Abwehrverletzungen. Zweitens: Einer der vier tödlichen Messerstiche wurde wahrscheinlich ausgeführt, als das Opfer bereits auf dem Boden lag. Stach der Täter also auf ein bewusstloses Mädchen ein?

Der Angeklagte, der Urbans Aussage mit finsterer Miene verfolgt, hatte angegeben, mit Laura-Marie in Streit geraten zu sein, weil er sie daran hindern wollte, zu ihrem Ex-Freund zu fahren. Es sei zu einer Rangelei gekommen, plötzlich habe er sein Messer in der Hand gehabt und zugestochen. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der Mann geplant hatte, das Mädchen zu vergewaltigen und dass er zu diesem Zweck zuvor ein Seil am Tatort versteckt hatte.

Denn zum einen hatte der junge Mann, dem von offizieller Seite eine "Intelligenzminderung" bescheinigt wird, sich zuvor online über Vergewaltigungen informiert, und zum anderen entdeckte die Polizei in seiner Wohnung genau jene Art Seil, die auch am Tatort gefunden wurde. Die Vergewaltigungsabsicht bestreitet der ansonsten geständige Angeklagte. Sein Verteidiger plädiert auf Totschlag. Die Staatsanwaltschaft hingegen wirft ihm Mord vor.

Urban fand keinen Hinweis darauf, dass das Mädchen vergewaltigt wurde, kann dies aber auch nicht ausschließen. Fest steht hingegen, dass das Feuer, das der mutmaßliche Mörder entzündete, dem Opfer keine Schmerzen mehr zufügen konnte.

Der Prozess wird am Mittwoch, 16. Dezember, fortgesetzt. Das Urteil könnte am Freitag, 15. Januar kommenden Jahres, gefällt werden.

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