Der Streit um die Karte: Land will seit Monaten medizinische Versorgung von Flüchtlingen erleichtern

Mainz · Flüchtlinge, die in den Kommunen leben, sollen einfacher zum Arzt gehen können - ohne vorher zum Sozialamt zu müssen. Seit Monaten will das Land die Gesundheitskarte für Asylbewerber einführen. Doch die Kommunen machen nicht mit.

Ginge es nach Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), dann würde es die Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz bereits geben. SPD und Grüne haben im Herbst vergangenen Jahres gegen die Stimmen der CDU für die Einführung gestimmt. Und eigentlich sah es so aus, als sei es nur Formsache, bis die Karte kommt. Doch nun zeigt sich, dass viele Kommunen dagegen sind. Und zwar mit dem Argument, mit dem das Land für die Karte wirbt: Kosten.

Bisher müssen Flüchtlinge, die einer Kommune zugewiesen worden sind, für jeden Arztbesuch zunächst einen Behandlungsschein beim Sozialamt der jeweiligen Gemeinde beantragen. Die Mitarbeiter in den Kommunen entscheiden über die Behandlungsnotwendigkeit. "Das überfordert diese häufig und macht eine Befassung eines Amtsarztes notwendig", erklärte die Gesundheitsministerin die Notwendigkeit der Karte. Die Behandlungskosten für die Flüchtlinge, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, müssen die Sozialämter auch weiterhin übernehmen.

Daher rechnen die Landkreise nicht damit, dass sie Kosten sparen. Im Gegenteil: Der von den Krankenkassen geforderte Verwaltungskostenanteil von mindestens zehn Euro monatlich pro Flüchtling sei deutlich überzogen, sagt Thomas Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. Zudem müssten die Kreise monatlich pro Flüchtling der Krankenkasse 200 Euro zahlen. Das mache allein für die derzeit 1582 im Kreis lebenden Flüchtlinge 316.400 Euro im Jahr aus, sagt Müller. Auch bei Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bleibe "ein relativ hoher Verwaltungsaufwand" für die Kommune bestehen, sagt auch Manuel Follmann, Sprecher der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich. Genau wie in der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm rechnet Follmann damit, dass es durch die Karte keine "Ersparnisse bei den Personalkosten eintreten werden". Daher, so Heike Linden, Sprecherin der Bitburger Kreisverwaltung, sei der Nutzen derzeit nicht erkennbar.

In Trier sieht man das anders. Sozialdezernentin Angelika Birk (Grüne) ist eine der ersten Kommunalvertreterinnen im Land gewesen, die auf die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge gedrungen hat. Sie auch bei den Verhandlungen zwischen Land und Kassen dabei gewesen. Doch auch Trier hat die Karte bislang noch nicht eingeführt. Sie habe noch einige offene Fragen an die Gesundheitsministerin, sagt Birk. Etwa im Hinblick auf eine mögliche Landesunterstützung als Modellstadt und um wissenschaftliche Bewertung der Kostenentwicklung. Sie habe aber bisher noch keine Antwort erhalten.

Dunja Kleis, Landeschefin der Krankenkasse Barmer GEK geht davon aus, dass die meisten Kommunen die Karte nicht einführen werden. "Sie werden die Versorgung wahrscheinlich weiterhin selbst übernehmen, weil sie Mehrkosten im Vergleich zum derzeitigen Verfahren befürchten." Die Kassen befürworten die Einführung der Karte." Wir fordern dafür bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen, damit kein Flickenteppich an unterschiedlichen länder- oder kommunalspezifischen Regelungen für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen entsteht", sagt Kleis.

"Da die Bundesregierung bis heute eine bundeseinheitliche Lösung schuldig geblieben ist, erarbeitete die Landesregierung mit den Krankenkassen eine landesweite Rahmenvereinbarung", sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. An der Formulierung der Vereinbarung seien auch die Kommunen und die Ärzte beteiligt gewesen. Die Städte und Gemeinden könnten von sich aus entscheiden, ob sie dieser Vereinbarung beitreten wollen oder nicht. "Das Angebot bleibt bestehen, bis eine bundeseinheitliche Regelung gefunden wird." Erfahrungen in Hamburg und Bremen zeigen, dass es dort zu Einsparungen in der jeweiligen Verwaltung gekommen sei, heißt es aus dem Ministerium. In Schleswig-Holstein wurden die Kommunen verpflichtet, die Karte einzuführen. Das lasse das rheinland-pfälzische Kommunalrecht nicht zu, verkündete das Ministerium. Barmer-GEK-Landeschefin Kleis schätzt daher die Chancen für die Einführung der Karte als eher gering ein.

Womöglich ist der Druck auf die Kommunen derzeit auch nicht mehr so hoch. Sobald die Asylverfahren abgeschlossen sind, sind die Flüchtlinge automatisch bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert, die Kommunen brauchen dann nicht mehr für ihre Gesundheitskosten aufzukommen. Weil die meisten Verfahren mittlerweile schneller beendet sind, werden die Gemeinden dadurch auch schneller von den Kosten entlastet.

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