Keine Angst vorm Tier, aber viel Respekt

Hüttingen/Wiltingen · Als Exoten gelten jene Tiere, die eigentlich im mitteleuropäischen Raum nicht heimisch sind. Einige davon haben es auch in die Wohnzimmer der Region geschafft. Auf ihre Halter üben sie eine besondere Faszination aus. Aber nicht immer ist die Anschaffung überlegt.

Hüttingen/Wiltingen. Nostradamus rührt sich keinen Millimeter. Geduldig wartet sie, bis das Foto im Kasten ist, und zuckt nicht einmal beim Blitzlicht. "Ich weiß gar nicht, ob sie das merkt", sagt Tanja Gansen aus Hüttingen an der Kyll, seit 2001 Besitzerin der Vogelspinne.
Die Spinnendame zählt zur Gattung der Brachypelma Smithi, im Deutschen auch Rotknie-Vogelspinne genannt. Gansen nennt sie auch schlicht "Smithi". Gekauft hat sie das Tier kurz nach ihrer Scheidung vor 15 Jahren. "Spinnen haben mich immer schon fasziniert", erzählt sie, "und als mein Neffe damals eine bekam, wollte ich das auch". Ihr damaliger Mann war allerdings strikt dagegen: "Wenn du eine Spinne kaufst, kaufe ich Insektenspray", habe er gesagt.
Doch nach dem Ende der Ehe zog Spinne Nostradamus bei Gansen ein. Für 250 Mark habe sie das Tier damals gekauft. "Im Zoofachhandel in Trier. Wenn ich heute allerdings noch einmal eine kaufen wollte, wüsste ich gar nicht wo", so Gansen. Offenbar verkaufen immer weniger Händler lebende Tiere, insbesondere Exoten. Dazu tragen wohl auch die rigideren Tierschutzbestimmungen bei, etwa die Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommens (Extra). Das sieht zum Beispiel vor, dass besonders gefährdete Arten nur als Nachzuchten verkauft werden sollten. Nostradamus ist keine Nachzucht, sondern wurde in Mexiko - der Heimat der Rotknie-Vogelspinnen - lebend gefangen. "Heute würde ich auf so etwas achten, damals wusste ich es nicht besser", sagt Gansen selbstkritisch. Bereut hat sie den Kauf dennoch nie, das Tier übt nach wie vor eine ganz besondere Faszination auf sie aus: "Es ist einfach ein wunderschönes Tier." Ob sie Angst hat? Dann hätte sie Nostradamus nicht angeschafft, sagt Gansen bestimmt.
Ganz ähnlich antwortet auch Jürgen Meyer. Er betreibt in seinem Haus in Wiltingen eine Auffangstation für Wildtiere, darunter sind auch viele Exoten. "Wenn ich Angst hätte, könnte ich diese Arbeit nicht machen", erzählt Meyer. Er habe aber Respekt vor den Tieren, "das ist der rote Faden bei allem, was ich tue." Seine gefährlichsten Mitbewohner sind derzeit wohl die zwei Schnappschildkröten. Deren Biss kann zu schweren Verletzungen führen. Aber Meyer kennt sich aus mit solchen und anderen Tieren. Er ist gelernter Tierpfleger, hat lange in einem Zoofachgeschäft gearbeitet. Eine Zeit lang hat er selbst Reptilien gezüchtet. Und stand bald vor einer Schwierigkeit: Wie kann er sich erstellen, dass seine Tiere in verantwortungsvolle Hände gelangen? "Ich habe schnell gemerkt, dass manche Exoten herumgehen wie ein Wanderpokal, von einem Besitzer zum nächsten." Also gab er die Zucht wieder auf. Da er aber in seinem Haus schon allerlei Terrarien eingerichtet hatte, entschied er sich für die Auffangstation.
Er nimmt vor allem ausgesetzte Tiere bei sich auf oder solche, die aus schlechter Haltung kommen. Die päppelt er liebevoll auf und vermittelt sie weiter. Seiner Ansicht nach das größte Problem bei der Haltung von Exoten: "Viele Leute machen sich nicht klar, wie alt die Tiere werden können." So eine Schildkröte kann je nach Art zum Beispiel bis zu 100 Jahre alt werden. "Nach zwei, drei Jahren verlieren die Leute das Interesse und dann muss das Tier halt weg." Häufig werden sie ausgesetzt (s. Extra). Auch Überforderung trage manchmal dazu bei, wenn aus kleinen Jungtieren plötzlich große Echsen oder Schlangen werden, die viel Platz brauchen. Hinzu kommen die Energiekosten: Terrarien müssen mit UV-Lampen gewärmt werden, bei steigenden Strompreisen können das viele Halter offenbar nicht mehr leisten. "Für große Terrarien oder Aquarien kann man schon mal 300 Euro allein für den Strom im Monat rechnen", sagt Meyer.
Wie ein Bienenstich


Häufig hat er es auch mit kranken Tieren zu tun. Meyer glaubt: "Die meisten Krankheiten entstehen durch Haltungsfehler." Zum Beispiel wenn Papageien alleine gehalten werden oder nur im Käfig leben. Papagei Lora ist so ein Fall: Nach jahrelanger Käfighaltung sind ihre Flügel versteift. "Sie kann nicht mehr wegfliegen, selbst wenn sie wollte." Grundsätzlich verbieten würde Meyer die Haltung von Exoten aber dennoch nicht. "Dann werden nur noch mehr illegale Geschäfte mit den Tieren gemacht." Aber strengere Auflagen für die Haltung müsste es geben und fachkundiges Personal bei den Behörden. Und Respekt der Halter gegenüber ihren Tieren: "Auch ein Exot ist und bleibt ein Wildtier", sagt Meyer. Das weiß auch Tanja Gansen: "Nostradamus ist kein Kuscheltier." Auch wenn sie weit weniger gefährlich ist, als viele glauben - ihr Biss ist zwar durchaus schmerzhaft, das Gift der meisten Arten aber wirkt auf den Menschen in etwa wie bei einem Bienenstich. Ohnehin, sagt Gansen, beißen ist immer das letzte Mittel. "Eher droht sie, wenn sie sich bedrängt fühlt. Wer dann noch hinfasst, ist selbst schuld." Trotzdem darf die Spinnendame die nächsten Jahre unbehelligt in Tanja Gansens Terrarium leben. Und ihrer Besitzerin allein durchs Anschauen viel Freude machen.
Wer mehr über Reptilien und Spinnen wissen möchte, kann an diesem Wochenende die Spinnen- und Reptilienshow im Messepark Trier besuchen. Mutige Besucher können einige der Tiere unter Aufsicht von Pflegern sogar anfassen. Die Schau ist am Samstag und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Karten kosten 9, ermäßigt 7 Euro.

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