Pizza und Pleiten: Italienischer Fußballexperte weckt in EM-Serie düstere Erinnerungen

Bitburg · Am 10. Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Der TV stellt im Vorfeld die 24 Teilnehmernationen vor. Dazu treffen wir uns mit Landsleuten, die in der Region Trier verwurzelt sind. Bei einem landestypischen Essen oder Getränk plaudern wir über Land und Leute - und Fußball.

 Das Trikot hat er schon mal übergezogen: Rocco Giacobbe (rechts) und TV-Redakteur Marek Fritzen. Foto: Privat

Das Trikot hat er schon mal übergezogen: Rocco Giacobbe (rechts) und TV-Redakteur Marek Fritzen. Foto: Privat

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Italien - was für ein tolles Land! Traum-Strände, Traum-Städte, Traum-Menschen, Traum-Essen, alles traumhaft. Bravo, fantastico, si, si, si … Mit Italienern kann man über alles reden. Über Autos, über Frauen, über Urlaub, über Essen, nur bei einem Thema hört der Spaß auf: Fußball. Mensch, was haben uns die Italiener in den vergangenen Jahrzehnten bei großen Turnieren umgegrätscht.

Erinnerungen gefällig? EM 2012, Halbfinale, na dämmert's? Dieses bittere 1:2 durch Tore von diesem Muskel-Monster Balotelli - autsch! Oder wer erinnert sich noch an die WM 1982 in Spanien? Finale gegen Dino Zoff, Paolo Rossi und wie sie alle hießen. Ja, da werden dunkle Erinnerungen wach, oder? 1:3 hieß es am Ende. Aber am schlimmsten war 2006. Sommermärchen, super Stimmung - Klinsi, Schweini, Poldi und Jogi machen Deutschland verrückt. Schweden weggefiedelt, Argentinien niedergerungen, und dann das Halbfinale gegen Italien. Die Verlängerung läuft, nur noch wenige Minuten zu spielen, es riecht nach Elfmeterschießen - und da, das steht fest, wird es Elfmeterkiller Jens Lehmann schon richten. Doch dann zerfetzen Grosso und del Piero innerhalb von zwei Minuten das deutsche Sommermärchen - 0:2. Aus, Schluss, vorbei. Ist doch alles zum Heulen, immer diese Italiener ...

Mittelfeldstar Rivera

Jetzt steht die nächste Europameisterschaft vor der Tür. Wie gerne hätte ich für unsere EM-Serie im TV die Slowakei vorgestellt. Oder Wales, Irland auch kein Problem. Alles tolle Länder mit tollen Nationalmannschaften, die Deutschland im Fußball doch nie etwas zuleide tun könnten. Aber Italien? Wirklich? Wie schnell werden da alte Wunden wieder aufgerissen. Aber okay, ich versuche es. Also ab ins Auto und auf nach Bitburg zu Rocco und Lillo Giacobbe. Die Brüder stammen aus Ligurien, unweit von Sanremo. Sie leben seit 40 Jahren in der Eifel.

Lillo ist Besitzer des Restaurants "Dolce Vita" in der Bitburger Innenstadt, sein Bruder Rocco tourt als singender Koch durch Deutschland. Nur nicht über das WM-Halbfinale 2006 sprechen, denke ich mir bei der Begrüßung. Während Lillo Giacobbe schnell in der Küche verschwindet, um Pizzen zu backen, schwelgt sein Bruder Rocco in Erinnerungen. "Der AC Mailand war immer mein Club", erzählt der 60-Jährige. Die Farben der Trikots hätten ihm als Kind immer gut gefallen, "aber natürlich haben mich auch die Erfolge und die Spieler überzeugt". Ganz besonders begeistert habe ihn Mittelfeldstratege Gianni Rivera. "Wow, der war schon klasse. Aber ich fand auch Karl-Heinz Schnellinger stark - der war einer meiner Idole, ich war ja auch Abwehrspieler früher", berichtet Giacobbe.

Läuft doch, denke ich mir, wenn früher sogar deutsche Nationalspieler zu seinen Idolen zählten, wird er sicher nicht auf 2006, 2012 oder 1982 zu sprechen kommen. Auch als Bruder Lillo die Pizza serviert, läuft (noch) alles ganz harmonisch ab. Rucola, Mozzarella, Tomaten, knuspriger Teig - die Pizza ist vom Feinsten, "fantastico" würde man in Ligurien sagen. Während wir uns die Pizza schmecken lassen, geht's um die italienische EM-Gruppe ("wir müssen versuchen, auf Platz zwei hinter Belgien zu landen", findet Giacobbe), sprechen ein bisschen über Mario Balotelli ("er hat sein Talent total verschenkt", meint Giacobbe) und über die aktuelle italienische Nationalmannschaft ("ein Team voller Namenloser, ehrlich gesagt, traue ich denen nicht viel zu", prophezeit Giacobbe). Aber dann passiert es doch.

Der 60-Jährige hat den letzten Satz gerade vollendet, als er lächelnd hinzufügt: "Aber ehrlich gesagt, hatte ich unserem Team 2006 auch nicht viel zugetraut und was dann dabei herausgekommen ist, wissen wir doch beide noch sehr gut, oder?" Autsch, das hat gesessen ... "Nein, mal im ernst", sagt sein Bruder Lillo, der eine kurze Pause in der Küche eingelegt hat, "Italien ist längst nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Jahren". Das liege vor allen Dingen daran, dass in der Serie A zu wenig auf italienische Talente gesetzt werde. "Die Jungen bekommen kaum eine Chance." Seine Turnier-Favoriten seien daher Deutschland, Frankreich und Belgien. Ja, denke ich mir bei der Verabschiedung, tiefstapeln können sie auch ziemlich gut, die Italiener.Volksfreund-Serie

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