"Wir können die Ohren nicht zuklappen" - Lärm stresst Menschen selbst, wenn sie schlafen

Trier/Mainz · Verkehrslärm ist nicht bloß lästig, sondern auch gefährlich: Manfred E. Beutel, Professor für psychosomatische Medizin an der Uniklinik in Mainz, erklärt im Gespräch mit TV-Redakteurin Inge Kreutz, warum Verkehrslärm krank macht. Er fordert konsequenten Schutz.

Die Definition ist klar: Lärm ist unerwünschter Schall. Doch wie schlimm ist Lärm, und was macht er mit Menschen, die ihm ausgesetzt sind?

Stimmt es, dass inzwischen mehr Menschen infolge von Verkehrslärm sterben als durch Unfälle?

Beutel: Ich bin generell vorsichtig bei Hochrechnungen. Wir wissen aber aus großangelegten Studien, dass in Europa viele gesunde Lebensjahre durch Lärm beeinträchtigt werden oder verloren gehen. Neben gesundheitlichen Problemen sind beispielsweise auch Beeinträchtigungen der Entwicklung von Kindern nachgewiesen. Dabei ist in der Regel noch nicht einmal der Feinstaub berücksichtigt, der mit Verkehrslärm einhergeht.

Warum ist Lärm gefährlich?

Beutel: Eine dauerhafte Lärmbelästigung führt zu Stressreaktionen, zu Bluthochdruck, zu Herzkreislauferkrankungen und wahrscheinlich auch psychischen Erkrankungen.

Wie genau macht Lärm krank?

Beutel: Lärm setzt Stressmechanismen in Gang. Wir können gut mit kurzfristigem Stress umgehen, aber bei langfristigem oder nicht kontrollierbarem Stress wird es schwierig. Und Lärm kann man ja schwer kontrollieren: Wir können unsere Augen schließen, aber nicht die Ohren zuklappen.

Kann man sich an Lärm gewöhnen?
Beutel: Man kann die Wahrnehmung von Lärm verändern, aber in einem geringen Maß. Nicht gewöhnen können wir uns an nächtlichen Lärm. Studien haben gezeigt, dass Tiere, die in Narkose versetzt wurden, bei Lärm immer noch einen Blutdruckanstieg hatten. Man muss davon ausgehen, dass auch das menschliche Stresssystem unterhalb der Wahrnehmungsschwelle funktioniert.

Was kann ich tun, wenn ich an einer vielbefahrenen Straße lebe?

Beutel: Es gibt leider kein Rezept dafür. Ich würde so viel passiven Schallschutz wie möglich nutzen. Das Problem ist, dass man sich damit zumauert und selbst beeinträchtigt.

Müssen wir damit leben, dass der Verkehr, den wir verursachen, eben negative Folgen hat?

Beutel: Der Schutz unserer Gesundheit muss einen hohen Stellenwert genießen. Oft wird Lärmschutz aus finanziellen Gründen nicht mit der erforderlichen Konsequenz durchgeführt. Da spart man an der falschen Stelle, weil das die Gesundheit der Betroffenen schädigt.
ik

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