Dadas brave Urenkel: Ausstellung in Trier

Trier · Alles Dada oder gaga? Zum 100. Geburtstag gedenkt alle Welt der 1916 gegründeten Künstlerbewegung. Auch das rheinland-pfälzische Künstlerhaus Schloss Balmoral schließt sich mit einer Stipendiaten-Ausstellung an, die jetzt in den Viehmarktthermen zu sehen ist.

 Dieses Exponat stammt aus der Serie „Memories of a Shattered Head“ von Joana BC. TV-Fotos (2): Eva-Maria Reuther

Dieses Exponat stammt aus der Serie „Memories of a Shattered Head“ von Joana BC. TV-Fotos (2): Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Trier. "Ich bin überzeugt, dass sich für Dada nur Schwachsinnige und spanische Professoren interessieren", hatte seinerzeit Hans Arp prophezeit, einer der Gründerväter der gleichnamigen Bewegung. Er sollte sich gewaltig irren. Dada - die 100 Jahre alte Anti-Kunst - wirkte weit hinaus in die Moderne und beeinflusste weltweit nachhaltig ihre Kunst. Dabei bedeuten die beiden Silben, die an das Gestammel von Kleinkindern erinnern, erst mal nichts, darf man Tristan Tzara, einem anderen prominenten Dadaisten, glauben. Wie der Name der Bewegung entstand, ist nicht gesichert. Ob er sich von einem damals beliebten Haarwaschmittel oder dem Namen einer Sängerin des berühmten Züricher Cabarets "Voltaire" herleitet oder einfach nur ein Wort aus der französischen Kinderstube ist, bleibt nach wie vor ungeklärt.
Klar ist hingegen das Anliegen, das sich mit dem Unsinnsnamen verband. Und das ist weder sinn-noch belanglos. Verstört und irre geworden an der alten Ordnung, fanden sich 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, die Väter des Dadaismus zusammen, unter ihnen Hans Arp und Hugo Ball, um in der Kunst den Ausweg aus dem Unheil zu finden. "Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen und eine neue Ordnung, die das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle herstellen sollte", schrieb Hans Arp. Misstrauisch gegen jedes Regelwerk, sollte auch die neue Ordnung zumindest künstlerisch in einer Anti-Ordnung bestehen. Soll heißen: Sobald sich etwas als Kunstform etabliert hatte, musste es zerstört werden, um sich zu erneuern.

Sorgfalt statt Explosion

 Marcel Duchamps zur „Grotte“ erklärtes Pissoir von Ina Weber.

Marcel Duchamps zur „Grotte“ erklärtes Pissoir von Ina Weber.

Foto: (g_kultur


Im aktuellen Jubiläumsjahr 2016 wetteifern Museen und Kunstszene darin, Dada als Retrospektive auferstehen zu lassen, die Einflüsse der Bewegung zu demonstrieren oder - so wie die 15 Stipendiaten des rheinland-pfälzischen Künstlerhauses Schloss Balmoral - Dada im eigenen Werk zu reflektieren. "Seepferdchen und Flugfische" heißt die Schau nach einem Lautgedicht von Hugo Ball. Dabei beziehen sich die in Balmoral dauerhaft anwesenden Stipendiaten direkt auf das Jahresthema Dadaismus, die übrigen wählten ihre Themen frei.
Zu sehen ist in der Ausstellung in den Viehmarktthermen eine Reihe interessanter, bisweilen auch lediglich solider Arbeiten, die in ihrer Vielfalt einmal mehr typische Positionen zeitgenössischer Kunst darstellen, gleichermaßen in der Wahl der Medien wie in ihren Ausdrucksformen. Zu sehen sind Fotoarbeiten, Malerei, Installationen, Zeichnungen und Multimedia. Allerdings fehlt den gezeigten Arbeiten jener Impuls, der von Dada ausging, jene anarchistische Energie, die doch auf konstruktive Erneuerung und Entwicklung aus ist. Und die man eigentlich von jungen Künstlern anstelle künstlerischer "political correctness " erwarten darf.
iWas sich da als Stipendiatenkunst zur Schau stellt, ist vielfach eine Kunst, die sorgfältig ausgeführt, den Betrachter dennoch vielfach kaltlässt. Am meisten Dringlichkeit und unmittelbare Kraft veräußern da noch Joana BCs Kopffragmente "Memories of a Shattered Head", die sich zu bedrohlichen grotesken Ungeheuern verselbständigt haben. Wo von Dada die Rede ist, darf Marcel Duchamps "Pissoir" nicht fehlen. Seine Stilisierung zur unumstößlichen Ikone führt allerdings die Dada-Idee geradezu ad absurdum. In Trier hat Ina Weber den Sanitärartikel als "Grotte" mit einer geheimnisvollen Aura versehen. Anna Lehmann-Brauns stellt fotografisch nostalgische "Dada-Bars" in Großbritannien und anderswo vor. Feinsinnig kommen Johanna Smiateks multimediale Arbeiten daher. Allerdings bewegt sich die Künstlerin mit ihren Zeichnungen und Multiples in unmittelbarer Gefolgschaft von Joseph Beuys. Ausgesprochen brav und ein wenig naiv wirken dagegen Andrea Dettmars Installationen. Und auch Ahram Kwons Buchstaben-Bild "Words Without Words" bleibt recht formalistisch. Da hat sein Kollege Sebastian Haslauer mit seinen "Perspektiven" schon mehr Biss.
Die Ausstellung läuft bis zum 28. August; sie ist täglich außer montags geöffnet von 9 bis 17 Uhr, Telefon 0651/994-1057. Weitere Infos: <%LINK auto="true" href="http://www.gdke.rlp.de" text="www.gdke.rlp.de" class="more"%>

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